Neckar-Bergstraße. Bei den Bürgermeistern der Region läuten erneut Alarmglocken. Der Grund: Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 der Ampelregierung enthält eine Änderung, die für die Kommunen mit finanziellen Nachteilen verbunden wäre. Es soll nämlich der Vorabzug der 19-prozentigen Umsatzsteuer beim Bau und Betrieb von Sportstätten und Freibädern nicht länger möglich sein. Das würde hohe Mehrkosten bedeuten. Zwei Beispiele: In Ladenburg wären der Bau der Sporthalle im Römerstadion und die daran gekoppelte Freibadsanierung betroffen. Auch das Ilvesheimer Kombibad könnte für die Gemeinde wesentlich teurer werden, falls der Bundestag nicht noch nachsteuert.
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Wir haben uns bei Städten und Gemeinden umgehört – und auch bei hiesigen Bundestagsabgeordneten nachgefragt. Das Aus der Vorsteuerabzugsfähigkeit wäre ein weiterer Fall, bei dem Kommunen finanziell dafür bluten müssen für Entscheidungen, die in Berlin oder Stuttgart gefällt wurden. Beispiele dafür nennen Kommunen dieser Region. Dazu zählen Ganztagsbetreuung von Kindern, barrierefreier Umbau von Haltestellen, Digitalisierung, Katastrophen- und Klimaschutz sowie Unterbringung Geflüchteter mitsamt Integrationsmanagement.
Edingen-Neckarhausen
Eine solche steuerliche Änderung würde die Doppelgemeinde „sehr hart treffen“, teilt Bürgermeister-Stellvertreter Dietrich Herold auf Anfrage mit. Profitiere man doch beim Betrieb des Freizeitbades stark von der Möglichkeit des Vorsteuerabzuges. Entfiele diese, „müssten wir die Einrichtung komplett auf den Prüfstand setzen, da die Haushaltslage angespannt ist“. Derzeit würden im Rathaus jedoch noch keine vorsorglichen Berechnungen durchgeführt.
Heddesheim
„Erhebliche negative finanzielle Auswirkungen“ sieht Bürgermeister Achim Weitz für Fall, dass jener Entwurf nicht geändert wird. „Wir hoffen jedoch aufgrund der breiten Entrüstung über den Vorschlag, dass das so nicht verabschiedet wird oder die Kommunen ausgenommen werden“, schreibt Weitz. In Heddesheim wären Badesee, Hallenbad, beide Nordbaden-Hallen, Eisbahn und HeddesheimArena sowohl beim laufenden Betrieb als auch bei Investitionen betroffen. Großinvestitionen im Sportbereich seien - abgesehen vom dritten Bauabschnitt des Hallenbads - in der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung nicht vorgesehen.
Hirschberg
„Einen weiteren gravierenden finanziellen Einschnitt zu Lasten der Kommunen“, befürchtet Bürgermeister Ralf Gänshirt, „falls sich das bewahrheiten sollte“. Daher fordere der Gemeindetag als kommunaler Spitzenverband die Klarstellung, dass das Gesetz nicht auf kommunale Einrichtungen anzuwenden sei. „Dem schließen wir uns mit Vehemenz an“, so Gänshirt. Aktuelle Bauprojekte seien „solide geplant und kalkuliert, so dass wir hier keinen Handlungsbedarf haben“. Auswirkungen auf künftige Projekte seien dann im Einzelfall zu prüfen.
Ilvesheim
„Der Wegfall des Vorsteuerabzugs wäre für uns ein harter Schlag und nicht ohne Weiteres auszugleichen“, sagt Bürgermeister Thorsten Walther. Deshalb sei „eine zeitnahe Klarstellung seitens des Bundes wichtig, um Planungssicherheit zu schaffen“. Ilvesheim stehe beim geplanten Kombibad vor weitreichenden Entscheidungen. Nach vielen Jahren teils drastischer Preissteigerungen im Baubereich sei man endlich in einer stabileren Phase angekommen. Diese wolle man eigentlich nutzen, um zukunftsweisende Investitionen zu tätigen. Vor diesem Hintergrund sei es „mehr als bedauerlich, dass unsere Ausgangssituation möglicherweise deutlich erschwert wird“. Allerdings geht Walther davon aus, dass eine Entscheidung „im Sinne der ohnehin finanziell schlecht ausgestatteten Kommunen“ fällt. Die Gemeinden seien auf verschiedenen Ebenen „sehr aktiv“. Er selbst suche das Gespräch mit Bundestagsabgeordneten.
Ladenburg
Für einen Erhalt der aktuellen Regelung habe sich Bürgermeister Stefan Schmutz bereits vor Monaten bei hiesigen Abgeordneten eingesetzt, so Rathaussprecherin Nicole Hoffmann. Sie erklärt den Hintergrund so: „Da Sportanlagen durch Städte, Gemeinden und Landkreise im Sinne des Gemeinwohls in der Regel nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden, ist die Möglichkeit, Vorsteuer geltend zu machen, häufig entscheidend für ihren Betrieb.“ Daher unterstütze die Stadt die Forderungen aller drei kommunalen Spitzenverbände, die Regelung beizubehalten. Andernfalls drohten „erhebliche negative finanzielle Auswirkungen“. Obendrein wären dann „sämtliche Fördermittel des Bundes, die Ladenburg für Hallenneubau und Freibadsanierung erhält, de facto aufgebraucht“.
Schriesheim
„Bei der Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfes wurden die Auswirkungen auf die Kommunen offensichtlich nicht berücksichtigt“, glaubt Bürgermeister Christoph Oeldorf. Dies sei „leider nicht der erste und einzige Fall“. Deshalb würde sich Oeldorf eine „konstruktive Beteiligung der Kommunen während der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben“ wünschen. In Schriesheim sei der Ernstfall noch nicht durchgerechnet worden. Doch steht für Oeldorf fest, „dass dann alle Projekte kostspieliger und somit auch weniger wahrscheinlich wären.“
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Bundestagsabgeordneter Lars Castellucci aus der mitregierenden SPD findet, dass „Kommunen, die investieren wollen, keine Steine in den Weg gelegt bekommen sollten“. Zurzeit stehe er „im Austausch mit unseren Bürgermeistern vor Ort“. Es handele sich bislang lediglich um einen ersten Gesetzesentwurf. Dieser werde im Herbst intensiv im Parlament beraten. Auch Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner (Grüne) will sich „dafür einsetzen, dass die Neuerungen Erleichterungen für die Kommunen bringen und nicht das Gegenteil“. Sie habe gegenüber Bürgermeistern und kommunalpolitisch Aktiven aus der Region deutlich gemacht, dass sie die vorgeschlagene Änderung beim Vorsteuerabzug ebenfalls als problematisch ansehe.
Der Bundestagsabgeordnete Konrad Stockmeier (FDP) versteht einerseits „die Sorgen der Kommunen“. Für seine Heimatstadt Mannheim wäre es bei der Baustelle des neuen Schwimmbades im Herzogenried „ein herber Schlag“, wenn sich Baukosten um 19 Prozent verteuerten. Andererseits würden „entgegen der Systematik der Mehrwertsteuererhebung hohe Summen an die Kommunen rückerstattet“. Daher sei auch verständlich, die bisherige Vorgehensweise beenden zu wollen. Doch benötigten Gemeinden mit laufenden Projekten Übergangsfristen und Vertrauensschutz.
Und der Bundestagsabgeordnete Alexander Föhr (CDU) teilt mit, dass der aktuelle Regierungsentwurf in diesem Punkt politischen Zielen der CDU widerspreche. Er werde sich „für Verbesserungen einsetzen“. Auf eine Anfrage seiner Fraktion habe die Bundesregierung geantwortet, dass die Anliegen der Kommunen nachvollziehbar seien und deshalb Abhilfe, etwa durch eine Übergangsregelung, geprüft werde. Föhr geht davon aus, dass Ähnliches auch für Vereine angedacht sei.
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