Schriesheim. Seit nicht einmal einem Jahr erstrahlt die ehemalige Schriesheimer Kerzenfabrik im Mühlenhof in neuem Glanz. Jetzt setzt das im September dort eröffnete Feinschmeckerrestaurant Raro mit einem der begehrten Michelin-Sterne ein weiteres Glanzlicht. „Es ist eine unglaubliche Ehre und ebenso unglaublich überraschend, dass wir so früh einen Stern bekommen“, sagt Küchenchef Jan Hildenhagen.
Als er vor zwei Wochen vom berühmten Restaurantführer Michelin die Einladung zur Verleihung erhalten habe, sei er zunächst von einem grünen Stern ausgegangen. Diesen erhalten Häuser, die kulinarische Exzellenz mit Initiativen verbinden, die darauf abzielen, ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren.
Das Restaurant in Schriesheim hat einen eigenen Anbau für Lebensmittel
„Das hätte ebenso gepasst“, findet der in Niedersachsen aufgewachsene Küchenmeister. Soll es doch bislang in Deutschland kein Feinschmeckerrestaurant geben, das seine eigenen Lebensmittel mit drei festangestellten Gärtnern in dem Umfang anbaut wie das Raro. Abgerundet werden die Menüs durch Fleisch und Fisch von Jägern und ausgesuchten Höfen aus der Region.
Zurück zum Michelin: Dass es nun sogar ein „roter Stern“ geworden ist, also die Auszeichnung für „eine Küche voller Finesse, die einen Stopp wert“ ist, das war „für mich im ersten Jahr utopisch“, so der 27-Jährige. Seit Oktober erst ist er im Raro Küchenchef. Doch erlebt Hildenhagen um sich herum von Anfang an eben auch ein „super Team mit jungen Talenten, die sehr viel Gas geben und engagiert sind, um jedem Gast das Optimalste auf den Teller zu bringen.“ Das soll so bleiben.
Auch wenn sich für ihn jetzt „der Traum eines jeden Kochs“ erfüllt hat, erklärt es Hildenhagen weiterhin zum Hauptanliegen, dass Raro-Gäste „glücklich und zufrieden nach Hause gehen“. Ihm ist klar, dass sein Haus nun populärer sein und mehr in der Öffentlichkeit stehen wird, „aber am Ende ist es wichtig, dass wir genauso weitermachen wie zuvor und auf dem Teller das Bestmögliche für den Gast umsetzen“.
Koch im Schriesheimer Restaurant entdeckte früh seine Leidenschaft
Dafür wirft Hildenhagen seine ganze Kindheits- und Jugenderfahrung in die Waagschale: Der Vater besitzt eine Walnussplantage und baut unter anderem verschiedene Tomatensorten und Johannisbeeren an. „Ich habe schon früh mit Pflanzen zu tun gehabt und viel von meinem Vater gelernt“, erzählt Hildenhagen. Eine weitere Leidenschaft sei immer das Kochen gewesen. Bereits mit zehn, elf Jahren habe ihm das großen Spaß gemacht.
Nach dem Abitur schließt er seine Ausbildung im Restaurant Die Insel (Hannover) als Landesbester ab. „Schon immer war es mein Traum, ein Farm-To-Table-Konzept umzusetzen, und das klappt hier super“, sagt er. Doch nach der Lehre kocht er zunächst im Vendome (Bergisch Gladbach). Dass Hildenhagen in Schriesheim gelandet ist, verdanken Genießer einer Kollegin Hildenhagens, die zu dem Zeitpunkt bereits im Raro arbeitet und ihn Geschäftsführerin Christine (Schnuppi) Lautenschläger empfiehlt.
Deren Anruf erreicht ihn, nachdem er im Restaurant Schanz an der Mosel gekündigt hatte und quasi auf dem Weg ins Zwei-Sterne-Haus Tantris nach München ist. In Schriesheim gefällt ihm auf Anhieb alles: „Der Ort ist idyllisch, die Region wunderschön.“ Obendrein identifiziert er sich voll mit dem Mühlenhof-Konzept „Vom Acker auf den Tisch“ der Lautenschläger-Stiftung.
Schriesheimer Küchenchef erklärt das Rezept für den Erfolg
„Wir bestimmen Sorten und Erntezeitpunkte selbst“, sagt Hildenhagen, der den Anbauplan mit rund 900 Positionen selbst erstellt hat. Dass das Konzept in „diesem kulinarischen Kleinod mitten im Grünen konsequent umgesetzt“ werde, begeistert die Michelin-Tester. Nahezu alles, was auf den Teller kommt, stammt aus eigenem Anbau. Verarbeitet wird, was die Gärtner frisch vom Feld in die Küche bringen. „Ansprechend präsentiert man die rohen Zutaten vorab beim Aperitif, im Sommer im schönen Garten, im Winter auf der Empore über der Küche“, heißt es in schönster Restaurantführer-Prosa.
Das saisonale Menü gibt´s mittwochs und donnerstags in fünf, freitags und samstags in sieben Gängen, nach Anmeldung auch vegetarisch. Gelobt wird ebenso der „charmante Service samt guter Weinberatung“. Einladend sei auch die Location: Aus der Fabrik in der Talstraße 188 habe man „mit luftiger Architektur, modernem Design und halboffener Küche einen attraktiven Rahmen geschaffen.“
Mit 27 Jahren sieht sich Hildenhagen in seiner Berufswahl bestätigt: „Das Handwerkliche liegt mir mehr als das Akademische, und man kann im Handwerk sehr viel erreichen und seiner Leidenschaft freien Raum geben.“ Deshalb gefällt ihm, dass in einem Nebengebäude auf dem Mühlenhof der Verein Incluso zuhause ist, der jungen Menschen mit geistiger Behinderung unter anderem Arbeit und Förderung in den Bereichen Gartenbau, gestaltendes Handwerk und Hauswirtschaft bietet. Hildenhagen will „versuchen, mehr Dinge zusammen auf die Beine zu stellen.“ Es scheint so, als ob hier jemand angekommen ist und einen passenden Platz gefunden hat.
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