Speyer. Corona hat immer wieder handelnde Akteure und interessierte Besucher ausgebremst. So fielen der Pandemie in diesem Jahr mehrere Lesungen der attraktiven Veranstaltungsreihe „Speyer.Lit“ zum Opfer. Zu den Leidtragenden zählt auch der Speyerer Autor Uwe Ittensohn. Nach „Requiem für den Kanzler“ (2019) und dem „Abendmahl für einen Mörder“ (2020) ist im Februar sein dritter Kriminalroman mit dem Titel „Festbierleichen“ erschienen. Ein weiterer Krimi, dessen Handlung sich um einen mysteriösen Todesfall in einem Speyerer Kloster rankt, soll im Februar 2022 erscheinen.
Von „Festbierleichen“ war eine Lesung wegen Corona bisher nicht möglich gewesen. Das hat Ittensohn am Freitag in Kooperation mit der Buchhandlung Osiander nachgeholt. Die Resonanz auf die Premierenlesung im Alten Stadtsaal ist mit etwa 70 Besuchern trotz 3 G-Regel ansprechend. Einige nicht geimpfte Besucher haben selbst die doppelte Investition in Eintrittspreis und mittlerweile kostenpflichtigen Testnachweis nicht gescheut. Andere verzichteten eben aus diesem Grund auf eine Teilnahme.
Beim Bier-Sommelier recherchiert
Zu den Ehrengästen zählen Claus Rehberger von der Verkehrsverein-Veranstaltungs-GmbH und Bruno Marc Volz vom Kloster Stift Neuburg, der Ittensohn beim Verfassen der Festbierleichen als ausgebildeter Bier-Sommelier in Sachen Herstellung und Lagerung mit Rat und Tat zur Seite stand. Willkommensgrüße der Stadtspitze entbietet Beigeordnete Sandra Selg, die ihre Hochachtung gegenüber Autor und Veranstalter zum Ausdruck bringt und mit Blick auf den Buchtitel augenzwinkernd meint, dass „die meisten Festbierleichen nach einem übermäßigen Konsum wieder aufwachen“ würden.
Wer nicht kommen wollte oder konnte, hat durchaus etwas versäumt. In Kooperation mit „Stichwortgeberin“ Dagmar Strubel von der Buchhandlung Osiander hauchte Ittensohn seinen Figuren Leben ein, ahmt sie fallweise in urtümlichem Pfälzisch oder Bayrisch nach und würzt das Ganze mit humorigen Passagen.
Das geht so weit, dass erst am Ende anhand eines Erpresserbriefes an die Speyerer Bürgermeisterin deutlich wird, dass es sich bei „Festbierleichen“ um einen Kriminalroman handelt. Während im Druckerzeugnis trotz ausgeklügelter Handlungsstränge der rote Faden nie verloren geht, blendet Ittensohn bei der Lesung ganz bewusst alles aus, was irgendwie auf die Fährte von Tätern und Motiven geführt hätte.
Ein toter Wachmann, eine wilde Verfolgungsjagd auf dem Brezelfest, ominöse Bierexporte nach Russland, ein schon totgeglaubter osteuropäischer Schwerkrimineller oder die Offenlegung von Hintergründen über einen angeschwemmten Finger auf der Ludwigshafener Parkinsel – solche Passagen hätten nach Meinung des Autors als eindeutige Fingerzeige zu viel verraten und das Interesse am Buch möglicherweise geschmälert.
Szenenapplaus für Speyer-Original
Die Lesung beginnt zwar mit dem schockierenden Fingerfund am Rheinstrand der Parkinsel, aber ob er gewaltsam abgetrennt wurde und wenn ja warum, bleibt unerwähnt. Doch selbst ohne finale Auflösung und den dramaturgischen Verzicht auf eine stetig wachsende Spannung bleibt die Lesung unterhaltsam. Rhetorisch gekonnt vermittelte Charakterstudien, garniert mit entsprechenden Dialekten, erweisen sich erneut als eine Spezialität von Ittensohn, die er perfekt beherrscht.
Mit Szenenapplaus belohnt werden beispielsweise in Höchstform vorgetragene Redensarten des Speyerer Originals Kurt Kerbel oder dem nur kurz „Quirl“ genannten Spross einer bayerischen Brauerei-Dynastie, wobei Letztgenannter im Buch als einer der Hauptakteure zwielichtige Akzente setzt. Lokalkolorit kommt nicht zu kurz und erfährt bei Schilderungen der Kür zur Brezelkönigin noch eine Steigerung.
Info: Der Roman ist im Buchhandel für 14 Euro erhältlich. ISBN 978-3-8392-2822-7. Die nächste Lesung findet am Freitag, 12. November, bei Bödekers „Bö Fashion“ in der Hasenpfühlerweide 1 statt.
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