Speyer. Dreck auf dem Boden, Schimmel im Keller, fehlende Buchführung. Dass Weinkontrolleur Carsten Wipfler in seinem Kontrollgebiet in der Pfalz Wein sicherstellen muss, kommt selten vor. Doch es gehört genauso zu seinen Aufgaben wie in Betrieben routinemäßig Proben zu entnehmen, Weine sensorisch zu prüfen oder zu checken, ob die Herstellungs- und Kellerbuchvorschriften eingehalten werden. Der Leiter des Arbeitsbereichs Weinkontrolle im Institut für Lebensmittelchemie in Speyer ist zusammen mit fünf weiteren Fachleuten dafür zuständig, die Erzeugnisse der 2500 Weinbaubetriebe in der Pfalz stichprobenartig zu prüfen. „Sitzlandverantwortung“ heißt das in der Amtssprache.
Schwerpunkte der Arbeit
- Im Institut für Lebensmittelchemie in Speyer arbeiten rund 60 Mitarbeiter. Es hat seinen Schwerpunkt auf die Untersuchung von Obst und Gemüse auf Pestizide und Pflanzenschutzmittel gelegt.
- Außerdem werden hier landesweit die Untersuchungen von Mineralwasser, Trinkwasser und Tafelwasser auf Gesundheitsrisiken durchgeführt.
- Radioaktivität ist ein weiterer Schwerpunkt des Instituts. Routineuntersuchungen sollen zeigen, wie sie sich auf landwirtschaftliche Produkte auswirkt. Bei einem Notfall wie 1986 in Tschernobyl könnte das Institut deutlich höhere Probenzahlen auswerten.
Das Speyerer Institut gehört zum rheinland-pfälzischen Landesuntersuchungsamt (LUA) mit Sitz in Koblenz. Das LUA setzt 23 Weinkontrolleurinnen und Weinkontrolleure ein, die Weine und ihre Herstellung in den sechs rheinland-pfälzischen Weinanbaugebieten zum Schutz der Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern überwachen und die Einhaltung der Weingesetze gewährleisten. Die Fachleute sind hierfür mit besonderen Befugnissen ausgestattet: Sie dürfen Grundstücke betreten und dort Geschäftsunterlagen, Frachtbriefe, Bücher oder andere Dokumente einsehen sowie sicherstellen. Das ist in Paragraf 31 des Weingesetzes geregelt.
10 bis 11 Prozent der Weine fallen bei Kontrollen durchs Raster
Im Schnitt kommt es zu mehr als 4000 Kontrollen im Jahr. In etwa 10 bis 11 Prozent der Fälle werden Auffälligkeiten festgestellt. Bei einem Großteil geht es um die falsche Kennzeichnung - etwa, dass der Alkoholgehalt oder die Rebsorte auf dem Etikett nicht stimmt. 2022 waren 3900 Proben untersucht worden - bei 52 zeigten sich besonders schwere Verstöße. Hier wurden etwa verbotene Aromastoffe hinzugefügt oder traubenfremder Zucker zugeführt.
Carsten Wipfler, der wie die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft studiert hat, arbeitet seit 2009 als Weinkontrolleur in der Pfalz. Die Pfalz ist nach Rheinhessen das zweitgrößte Weinanbaugebiet in Deutschland. Mit rund 23 500 Hektar Fläche entfallen fast ein Viertel der deutschen Rebfläche auf sie. Hier ist also genug zu tun, doch damit nicht genug: Die Weinkontrolleurinnen und Weinkontrolleure prüfen nicht nur Weingüter und deren Erzeugnisse auf Herz und Nieren, sondern auch Weinproben, die die Lebensmittelkontrolleure der Stadt- und Kreisverwaltungen im Einzel- und Großhandel genommen haben - darunter auch ausländische Produkte - sowie solche, die Zollbehörden aus Drittländern übersenden.
Auf einem Rollwagen im Eingang des Instituts in Speyer sammeln sich neu eingegangene Proben, die von den Fachleuten sensorisch geprüft werden - bis zu 25 am Tag. Dafür steht ein gesonderter Raum mit Spuckbecken bereit. Mindestens drei Fachleute beurteilen die Proben gleichzeitig, jedoch ohne sich miteinander abzustimmen. Mehrere Prüfpersonen sollen Fehleinschätzungen verhindern.
Auf dem sogenannten Kostgutachten halten Wipfler und seine Kolleginnen und Kollegen Angaben zu Jahrgang, Herkunft, Rebsorte, Geruch, Geschmack sowie einigen weiteren Parametern fest. Bei Auffälligkeiten geht das Gutachten an die Laborspezialisten für Wein beim LUA in Mainz, die dann rund 200 Werte bestimmen können. Routinemäßig wird etwa auf Schwermetalle, Spurenelemente oder allergieauslösende Inhaltsstoffe hin untersucht.
Wein wird vernichtet, Busgelder verhängt oder strafrechtliche Verfahren eingeleitet
Trotz moderner Laboruntersuchungen kommt der Sensorik noch immer eine bedeutende Rolle zu. Denn sie kann wichtige Hinweise liefern. „Wenn ein Spätburgunder Rosé zum Beispiel besonders nach Pfirsich schmeckt, obwohl Beerennoten üblich wären, kann nach Aromazusätzen geschaut werden“, erklärt Wipfler. Bittermandel-Noten hingegen könnten ein Hinweis auf den Einsatz von Cyaniden sein. „Die werden benutzt, um Metalltrübungen aus dem Wein zu bekommen, können einen aber ziemlich ins Aus schießen“, sagt Wipfler.
Damit die Fachleute ihre Aufgaben zuverlässig wahrnehmen können, wird ihre sensorische Leistungsfähigkeit alle vier Jahre überprüft. Bestätigt sich der Verdacht der Sensoriker im Labor, müssen die Fälle gemeldet werden. Die kommunalen Verwaltungen entscheiden als Exekutive, ob Bußgelder verhängt oder strafrechtliche Verfahren eingeleitet werden. Wein wird dann vernichtet. Bis zu 1000 Liter können über Kläranlagen entsorgt werden. Größere Mengen werden in Destillerien zu Industriealkohol verarbeitet.
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