Speyer. Sie zählt zu den beliebtesten Stadtführungs-Formaten in Speyer und hat auch schon eine eigene Historie: Tatsächlich war die Domstadt im Jahr 2000 die erste Stadt weit und breit, die das immer noch gültige und mittlerweile vielfach kopierte Konzept entwickelt hat: Die Rede ist von der kulinarischen Stadtführung, einem Stadtrundgang durch Speyer, kombiniert mit einem Drei-Gänge-Menü in wechselnden Restaurants. Matthias Nowack war mit Gästeführer Stefan Eckert und Lea Werle von der Agentur „Grafs gastliche Events“, dem Anbieter dieses Formats, unterwegs, um die Edel-Variante der Speyerer Gästeführungen zu erleben.
Alles beginnt mit einem Sektempfang am Domplatz. Mit einem feinperligen „Pfälzer Champagner“ und einer Pfeffer-Brezel begrüßen Werle und Eckert ihre Gäste vor dem Dom. Mit 13 Personen ist die Gruppe dieses Mal recht klein, was wohl dem wechselhaften Winterwetter und der Nebensaison geschuldet ist. Für den Gästeführer Stefan Eckert ist die graue Stimmung allerdings nur noch mehr Ansporn, in der nahenden Dämmerung „seine“ Stadt von ihrer Schokoladenseite zu zeigen. Eckert, im Hauptberuf Projektmanager für Straßenverkehrstechnik, führt seit vier Jahren Gäste durch die Stadt und hat nur am Wochenende Zeit dazu. Aber man merkt dem gebürtigen Frankfurter und heutigen Wahl-Pfälzer sofort an, dass er diese kulinarischen Streifzüge durch Speyer mit viel Herzblut und Sinn für die Stadtgeschichte gestaltet.
Teilnehmer tauchen tief in die Historie Speyers ein
Mehr als vier Stunden in einer der ältesten Städte Deutschlands mit einem Gästeführer zu Fuß unterwegs zu sein, erscheint auf den ersten Blick ambitioniert, wird aber durch den Aufenthalt in verschiedenen Restaurants zur ansprechenden kulinarischen Reise, mit der man tief in die Geschichte von Speyer eintauchen kann. Das gilt übrigens nicht nur für die Historie der Stadt, sondern auch für ihre Gastronomie. Das Menü ist ein Überraschungspaket und wird auch zu Beginn der Tour noch nicht preisgegeben. Und die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man bei Tisch neue Kontakte knüpfen kann und sich über gerade Erlebtes austauschen will. Der Wechsel zwischen Besichtigen und Staunen und den kulinarischen Zwischenspielen ist ein spannendes Konzept.
Klar, dass der Dom im Mittelpunkt der ersten Etappe steht. Gästeführer Eckart strapaziert sein Publikum nicht mit vielen Jahreszahlen - er weiß, wie man gute Geschichten erzählt. Geschichten von der „Kühstadt“ Speyer, bevor der Dom gebaut wurde. Geschichten von den Salierkaisern, was sie aus der Domstadt gemacht haben und mit welchen Steinen dieses monumentale Gebirge aus Sandstein errichtet wurde. Und natürlich erläutert er genüsslich die Bedeutung des Domnapfes und wann dieser das nächste Mal mit Wein gefüllt werden soll: 2030 wird das 1000-jährige Jubiläum der Grundsteinlegung dieser bedeutsamen romanischen Kathedrale gefeiert, die 1981 in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen wurde. Das passt hervorragend zum kulinarischen Grundthema des Abends.
1689 als prägendes Jahr für das Stadtbild
Ein Datum ist ihm jedoch wichtig und er kommt auch bei den späteren Besichtigungen von Dreifaltigkeitskirche, Judenhof und Altpörtel immer wieder darauf zu sprechen: Das Jahr 1689 hat diese Stadt wie kein anderes geprägt und verändert: Die fast vollständige Zerstörung von Speyer im französischen Erbfolgekrieg durch die Truppen von König Ludwig XIV. und der darauffolgende Wiederaufbau im Stil des Barocks prägen noch heute das Bild von Speyer.
Nach ausgiebigem Staunen auf der Südseite der Kathedrale ist es Zeit für die Vorspeise: Im Restaurant AvantGarthe in der Ludwigstraße wird eine orientalische Linsensuppe mit Scampi und ein nach französischer Art marinierter Karottensalat gereicht - nebst passender Weinbegleitung aus der Pfalz, wie es auch bei den beiden weiteren Gängen der Fall ist.
Der Judenhof entfaltet im Abendlicht einen ganz besonderen Reiz
Und schon ist die Gruppe wieder unterwegs zum zweiten UNESCO-Welterbe von Speyer, dem mittelalterlichen Judenhof. Zur Überraschung für die Teilnehmer dieser Führung wird, dass Eckart für das verschlossene Tor in der Kleinen Pfaffengasse die Schlüsselgewalt besitzt, ein Privileg, das nur den zertifizierten Gästeführern der Stadt zusteht. Und so kann er seinen Gästen im spärlichen Licht dieses Winterabends die alten Synagogenmauern und das rituelle Reinigungsbad zeigen. Der Judenhof entfaltet im Abendlicht einen ganz besonderen Reiz. Es ist ein magischer Ort für die Besucher, die zum ersten Mal dieses Areal betreten.
Ein weiteres architektonisches Kleinod wartet auf die Gästegruppe: die Dreifaltigkeitskirche. Sie gilt als barockes Juwel und herausragendes Zeugnis evangelischer Kirchenbaukunst. Danach wird der Hauptgang dieser kulinarischen Stadtführung im Clyne serviert, einem kleinen, versteckt gelegenen Restaurant in der Großen Greifengasse (CLYNE=klein). Gästeführer Eckart muss telefonieren, um Einlass zu erhalten. Dort ist eine festlich geschmückte Tafel für die Gruppe vorbereitet. Serviert wird ein schmackhaftes Hirschgulasch mit Brezelknödel und Wirsinggemüse. Natürlich werden nach vorheriger Absprache auch vegetarische Alternativen gereicht.
Nach dem Jakobspilger wartet beim Dessert die letzte Überraschung
Gestärkt durch die exzellente Küche des Clyne und ertüchtigt mit Erläuterungen zur Geschichte des Hauses macht sich die Gruppe auf den Weg zum Jakobspilger. Von dort durch die Maximilianstraße zum winterlich beleuchteten Altpörtel und durch die Gutenbergstraße zum Restaurant La Grotta. Dort treffen die Gäste der kulinarischen Stadtführung auf eine letzte Überraschung: Mit einer Trilogie aus Vanille-Mousse, Panna cotta und Tiramisu neigt sich der Genießerabend in Speyer seinem Ende zu, Cappuccino oder Espresso inbegriffen.
Zufrieden resümieren die aus der ganzen Pfalz angereisten Teilnehmer der viereinhalbstündigen Tour die Eindrücke des Abends. Für Sandra Reinhard und Michael Bätz aus Bad Dürkheim war die gelungene Kombination aus Kulinarik und Stadtführung das große Plus dieses Formats. Als gute Erfahrung bezeichnen sie auch, an den stilvoll gedeckten Tafeln schnell mit anderen Gästen ins Gespräch gekommen zu ein. Darüber hinaus haben sie interessante neue Lokale in Speyer entdeckt, die sie bisher nicht kannten.
Katharina und Christopher Endres aus Waghäusel loben die Qualität der angebotenen Speisen, die familiäre Atmosphäre bei Tisch und die fachkundigen Erläuterungen zur Stadtgeschichte von Gästeführer Stefan Eckert. Dass er die Schlüssel für wichtige Sehenswürdigkeiten wie Dreifaltigkeitskirche und Judenhof mitführt und damit exklusive Einblicke in diese wichtigen Kulturdenkmäler ermöglicht, hat der Gruppe besonders gut gefallen. Für Stefan Eckert fühlt sich das Finale dieser kulinarischen Rundgänge oft an „als würden Freunde auseinandergehen“. Er genießt die Wertschätzung und die „tollen Begegnungen“, die er bei diesen Führungen hat.
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