Speyer. Gut gelaunt und gewohnt schlagfertig in der Moderation führte Gastgeber Uli Zehfuß durch die 21. Ausgabe von „Ulis Wohnzimmer“ im Philipp Eins. Als Gäste konnte er am Freitagabend den vielfach ausgezeichneten Musik-Kabarettisten Axel Pätz aus Bleckede bei Hamburg und die junge Liedermacherin Juli Gilde aus Berlin begrüßen.
Es grenzte schon an ein kleines Wunder, dass seine Gäste trotz Bahnstreik rechtzeitig in Speyer eingetroffen sind. Beide konnten abenteuerliche Geschichten über ihre Anreise erzählen, von angekündigten Zügen, die nie abgefahren sind, geschlossenen Bordbistros und Zwischenstopps an Orten, die niemand auf dem Plan hatte. Bahnfahren ist eben derzeit ein großes Spiel mit der Ungewissheit.
Drei Generationen von Liedermachern standen an diesem Abend auf der Bühne im Philipp Eins, was für erfrischende Abwechslung im Programm sorgte. Der Gastgeber selbst überraschte sein Publikum nicht nur mit eigenen Songs aus der aktuellen CD, sondern auch mit lyrischen Akzenten. Das zu Beginn und nach der Pause vorgetragene zweiteilige Gedicht „Aber nur fast“ über unsere wenig perfekte Welt sorgte mit witzigen Wendungen für Aufmerksamkeit und manche Lacher im Publikum.
Axel Pätz zu Gast bei „Ulis Wohnzimmer“ in Speyer: Später Shooting-Star
Mit Axel Pätz eroberte ein später Shooting-Star der deutschen Musik-Kabarett-Szene die Bühne im Philipp Eins. Er hat erst mit 51 Jahren angefangen, eigene Programme zu realisieren, dann aber eine steile Karriere hingelegt und unzählige Kabarett- und Kleinkunstpreise abgeräumt.
Pätz erzählt seine Geschichten nicht, er spielt sie auf der Bühne. Bereits mit dem ersten Song, dem „Aufsitzrasenmäher“, landet er einen Volltreffer im Saal. Wenn er darin erläutert, welch verheerende Auswirkungen ein Aufsitzrasenmäher auf die Psyche des männlichen Fahrers hat, versteht man schnell das Prinzip des Kabarettisten: Hier werden süffisant Abgründe des Lebens ausgeleuchtet. Mit düsterem Witz und makaberem Humor nimmt er den „Rollator“ als zukunftsträchtiges Verkehrsmittel aufs Korn. Und auch die „Ü-80-Party“ liegt erkennbar gut im Verständnishorizont seines Publikums. Dabei kann er sich virtuos auf dem Klavier und dem Akkordeon begleiten. Axel Pätz ist Vollblutmusiker, der schräge Ideen mit eingängigen Melodien kombiniert.
Natürlich darf auch sein populärer Song „Chill mal!“ über die eigene Tochter nicht fehlen, die sich mittags um zwölf verschlafen aus dem Bett wälzt, Unordnung hinterlässt, Freunde einlädt, die nachts den Kühlschrank plündern, Milch aus der Flasche trinken und die Unterhose vom Vater tragen. „Chill mal, wo ist das Problem?“ zitiert er dann seine Tochter im Song. „Wichtig ist, dass man auch mal lockerlässt“, heißt es dann im Refrain, und das Publikum singt eifrig mit.
Juli Gilde war im Finale von „Dein Song“
Juli Gilde, 21 Jahre jung, schlägt andere Töne an. Sie gehört zur Riege jener jungen Singer-Songwriterinnen, die abseits ausgetretener Pfade ihren eigenen Weg suchen. Gilde schrieb ihren ersten Song im Alter von neun Jahren für die Hochzeit einer Verwandten. Mit 15 bewarb sie sich bei der ZDF-Show „Dein Song“ und schaffte es ins Finale. Zwei Jahre später wurde sie Preisträgerin des „Treffens der jungen Musikszene” der Berliner Festspiele.
Heute arbeitet sie an ihrem ersten Album und erzählt von der Schwierigkeit, aus den 20 eigenen Songs die richtigen für dieses Album auszuwählen.
Sie überzeugt mit zarter und dennoch ausdrucksstarker Stimme. Ihre Songs werden von einer unbeschwerten Leichtigkeit getragen und erzählen auf lyrische Art von den eigenen Erfahrungen. Sie handeln vom Stadtrand in Berlin, an dem sie aufgewachsen ist, von alten Freunden, die sie gerne wiedersehen möchte, von Baggerfahrern, die Blumen foltern, von Menschen, die sie vermisst, der Sehnsucht nach Liebe oder von „Autofensterkurbeln“, einem Road Song, der ihre Gefühle bei der Rückkehr von Mannheim nach Berlin beschreibt. Wunderschön emotional und eindringlich singt sie ihre Zugabe „Anders Heute“, einen Song, den sie mit 17 Jahren geschrieben hat.
Zum „Quartalsklassiker“, dem traditionellen gemeinsamen Abschlusslied von Ulis Wohnzimmer, haben die drei Akteure den Folksong „Heute hier, morgen dort“ von Hannes Wader auserkoren, wobei man bei genauem Hinhören feststellen konnte, dass Juli Gilde, die jüngste im Trio, nicht ganz textsicher war. Die Liedermacher-Zeit von Hannes Wader ist wohl definitiv passé! Der Song ist heute eher eine Sache für die Schul- und Geschichtsbücher und hat den revolutionären Impetus der frühen 1980er Jahre gänzlich verloren, wie Axel Pätz richtig anmerkte.
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