Speyer. Der heitere Beginn passt zwar zu einem sommerlichen Musikfest, wie es die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz nun zum elften Mal in Speyer ausrichtet. Meteorologisch und atmosphärisch betrachtet, kann man Mozarts 21. Klavierkonzert in C-Dur (KV 467) jedoch als anachronistisch empfinden. Immerhin entpuppt sich die Gedächtniskirche als Refugium für geplagte Gemüter, denen das nasskalte Regenwetter auf die Stimmung schlägt.
Natürlich umhüllt das vage Klangbild im protestantischen Gotteshaus die detailreiche Brillanz von Mozarts Klassiker mit dumpfer Ignoranz. Zu würdigen ist allerdings das Gesamtereignis in diesem besonderen Rahmen und an diesem besonderen Ort, der dem Auftakt dieser Konzertreihe, die am Sonntag auch schon wieder endet, aus unsichtbaren Quellen höhere Weihen verleiht. Obendrein lässt sich Joseph Moog nicht von den akustischen Widrigkeiten irritieren. Sein Klavierspiel meidet die auftrumpfende Gebärde, die distinktive Verzögerung und ermöglicht so die Einbettung des Soloinstruments ins orchestrale Ganze.
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So gelingen dem Hauspianisten der Ludwigshafener Staatsphilharmonie auch eindrucksvolle Solokadenzen, die dann doch eine hohe technisch-musikalische Virtuosität verraten. Chefdirigent Michael Francis tut das Seine; er gibt diesem Mozart ein schneidiges Profil und eine tänzerische Leichtigkeit, während er die poetische Zartheit des populären Mittelsatzes mit diskreter Empfindsamkeit behandelt. Joseph Moog bedankt sich mit einem Stück aus Mendelssohns Zyklus „Lieder ohne Worte“.
Dies hätte, wäre die überlange Pause nicht dazwischen getreten, eine Überleitung zum zweiten Konzertteil sein können. Denn mit der „Schottischen“ stand eine Symphonie des Komponisten auf dem Programm, die in ihrer wildromantischen Anlage als dramatische Steigerung empfunden werden konnte. Wehmütige a-Moll-Stimmung breitet sich aus; der Anfang dieses Stücks mag wie eine verhaltene Einladung zu einer Entdeckungsreise klingen, die einem Land gilt, das sich hinter Nebel und Regen zu verbergen scheint. Wirkungsvoll treten Hörner und Oboen hervor. In straffem Duktus, mit geschliffener Rasanz und in heftig auf- und abwallenden dynamischen Verläufen entfesselt die Staatsphilharmonie jene Naturgewalten, wie sie sich vor dem inneren Auge als Regenböen und Sturmfluten vollziehen.
Naturgewalten und metaphysisches Leuchten in Mendelssohns Werk
Die Soloklarinette signalisiert im zweiten Satz überschäumende Sanguinität, während die schwermütigen Punktierungen im Adagio besänftigend auf das orkanhafte Brausen einwirken. Dennoch gerät der Satz nicht trauermarschartig, stattdessen künden Aufbruchsignale jene hymnischen Passagen an, die bei Mendelssohn stets auch von metaphysischem Leuchten durchglüht sind. Dagegen kommt das Finale geradezu mit Beethovenscher Wucht und Wut über die voll besetzten Reihen der Speyerer Gedächtniskirche, als gelte es, melancholische Anflüge sogleich zu verbannen. Klarinette und Fagott reagieren im Mittelteil mit elegischen Einwänden, bevor Michael Francis noch einmal alle Kräfte mobilisiert und mit dieser Symphonie den sicheren Eindruck hinterlässt, dass dieses Musikfest zwar eine Spielzeit beendet, aber durchaus kein ausgelaugtes Orchester hinterlässt.
Mit Mendelssohns „Lobgesang“-Symphonie steht am Sonntag, 7. Juli, 18 Uhr, in der Gedächtniskirche zudem ein Werk auf dem Programm, das eher geeignet ist, grandiose Anfänge zu orchestrieren denn lustlose Abschlüsse zu bewältigen. Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz musiziert unter der Leitung ihres Chefdirigenten mit dem von Domkapellmeister Markus Melchiori vorbereiteten Domchor Speyer. Gesangssolisten sind Ania Vegry (Sopran), Eleonora Vacchi (Mezzo) und Stefan Cifolelli (Tenor).
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