Speyer. Speyer zählt in der Festivalreihe des Mittelalterlich Phantasie Spectaculum (MPS) zu den Top-Veranstaltungen. Wie viele Menschen jährlich kommen, wird nicht kommuniziert. Schätzungen zufolge sind es um die 10.000. Gefühlt stimmt die Zahl: Am Wochenende war es auf dem Gelände rappelvoll.
Ganze Arbeit geleistet hat MPS-Chef Gisbert Hiller bei der Organisation. Noch strukturierter angeordnet wirken die Stände, die Abwechslung versprechen. Bogenschießen, Baumstriezel, Bühnen – alles steht am perfekten Standort. Mit Toresöffnung flanieren Ritter, Mägde, Bettler und Fantasiefiguren über die Wiese des unteren Domgartens und die Klipfelsau. Alle sind im Mittelalter-Fieber - und im Unterhaltungsmodus.
„Beim einen hat das Zielwasser geholfen, beim anderen nicht“, ruft der Chef vom Armbrustschießen. Dreimal ging beim jungen Recken der Pfeil in die Deko statt in die vorgesehenen Kreise. Beim Speerwurf hat der Bär – aufgezeichnet auf Holz – keine Chance. Oder doch? Ein Bauer setzt an – und trifft die Tatze. Darauf gibt’s einen Schluck aus der Schlangenhalsflasche. Passend: „Die Habenichtse“ stimmen auf der Festivalbühne das Lied „Ich bin ein Flaschenkind“ an.
Wer beim MPS mitmacht, muss meist früh aufstehen
Neulinge kommen weder aus dem Staunen noch aus dem Lernen heraus. Dolch, so wird schriftlich fixiert, ist nicht gleich Dolch. Da gibt es Huskarl, Chatillon oder schlicht und ergreifend Hartmut. Nur der Griff der Stechwaffe, in dem Fall natürlich eine Attrappe, macht den Unterschied.
In einem Shisha-Zelt haben sich Freunde auf Kissen niedergelassen. Aus Stuttgart sind sie gekommen. „Wir sind um 5 Uhr aufgestanden, um uns fertig zu machen und pünktlich hier zu sein“, verrät Christiane (43), die heute Edith, die Markthändlerin, mimt.
So oder ähnlich geht es den meisten. Sogar ein Reh kreuzt den Weg. Für diese Kostümierung hat Sina (23) viele Stunden und Nerven investiert. „Ich habe alles selbst geschneidert, mit Steinen und Pailletten verziert“, berichtet sie. Das Ergebnis: beeindruckend. Durchhaltevermögen muss die junge Frau aus der Nähe von Heppenheim zudem aufbringen: Das Geweih auf dem Kopf wiegt schwer.
Gaukler auf dem Einrad fangen brennende Fackeln beim Fahren
Zwischen Knoblauchbrot und Räuberspieß entflammt die gute Laune bei zwei Gauklern auf dem Einrad. Freiwillige werfen ihnen brennende Fackeln zu. Auf der Klipfelsau fliegen Bälle in den Händen von Bagatelli im Kreis, während sich zwei zum Leben erweckte Vier-Meter-Drachen wieder in ihren „Stall“ zurückziehen. Das Mittelalter lebt – mit Met, Musik und Butterbier.
Butterbier? Bei Sarah (38) aus Speyer macht es Klick: „Das ist doch von Harry Potter“, meint sie. Karsten Scheiper nickt. Daran angelehnt ist sein selbst kreiertes alkoholfreies Bier, das aus geheimen Zutaten besteht, die den Geschmack von Sahnebonbons auf die Zunge legen. Abheben möchte Scheiper sich mit seinem Angebot, Neues probieren, experimentieren. Die Rechnung geht auf. Sein Stand ist voll.
Die Rasenfläche am Abend auch: Subway to Sally und Versengold sind die Topacts auf der MPS-Bühne. Auf der Festival-Bühne bricht die „Tanzwut“ aus. Für Fans dieser Musikrichtung sind 69 Euro Samstageintrittspreis da gut investiert. Ein Drittel zahlen Mittelalter-Freunde am Sonntag. Da ist um 19 Uhr Schluss. Die Heerlager ringsum werden geräumt. Das MPS zieht weiter nach Luhmühlen, der letzten Station für dieses Jahr.
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