Speyer. Julienne Jattiot hieß die Gastkünstlerin beim ersten Druckerwochenende der laufenden Saison in der Winkeldruckerey. Die auf Druckgrafik spezialisierte Künstlerin mit eigener Druckwerkstatt in Leipzig hat in der Domstadt ein humorvolles Blatt über den „Zitronenfalter“ gestaltet.
Bekannt ist, dass der Schmetterling, den man als Zitronenfalter bezeichnet, keine Zitronen faltet. Man sollte diesen Begriff deshalb nicht allzu wörtlich nehmen. Denn der „Falter“ hat nichts mit „falten“ zu tun, und die „Zitrone“ im Namen des Weißlings steht nicht für die Frucht selbst, sondern für dessen Farbe.
Julienne Jattiot erzählt und bebildert solche Geschichten gerne, bei denen man beim Betrachten ein wenig um die Ecke denken muss und am Ende dann schmunzeln kann. Natürlich hat sie dabei immer die künstlerische Gestaltung des geplanten Blattes im Blick.
Formen- und Farbenreichtum sind bei Jattiot zentrale Aspekte
Tiermotive finden sich viele in ihrem Werk, für Jattiot sind sie faszinierend und schön. Es ist also keine Überraschung, dass der Zitronenfalter zum Thema wird. In der Tier- und Pflanzenwelt findet sie immer wieder einen großen Reichtum an Formen und Farben. Der Kosmos der Natur stelle eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration für sie dar, sagt sie. Ihr Großvater war Tierarzt und schon als Kind habe sie sich mit naturkundlichen Themen beschäftigt.
Dabei ist die intensive Verbindung von Bild und Schrift für ihre Arbeit von großer Bedeutung. Text und Bildmotiv sollen sich im besten Falle gegenseitig bereichern. Und damit ist sie auch schnell in der Welt der Fabeln von Aesop oder La Fontaine angelangt, die gerne eine praktische Lebensweisheit vermitteln. Das geht bei Julienne Jattiot allerdings nicht ohne Humor. Das Leben und den Gang der Dinge liebevoll aufs Korn zu nehmen, ist ein wichtiger Impuls für ihre Arbeit. Darin ist sie eine scharfe Beobachterin. Genau das gelingt ihr auch mit dem in Speyer entstandenen Blatt über den Zitronenfalter, der ja tatsächlich keine Zitronen falten kann.
Der Text für diese Kombination aus Bleisatz und Linolschnitt ist übrigens kurz nach ihrer Ankunft in der Domstadt in einer lokalen Weinbar entstanden. Nach zwei Vierteln Pfälzer Riesling lasse sich trefflich über das Dasein des Zitronenfalters philosophieren. Die Textzeilen für ihre künstlerischen Blätter schreibt sie grundsätzlich selbst, auch um keine Urheberrechte zu verletzten. Im Schreiben findet sie eine zweite Art der Kreativität, mit der sie ihre Bildmotive ergänzen kann. Sie will nicht belehren, sie will mit Witz und Humor kleine Botschaften vermitteln, den Betrachter ihrer Arbeiten im besten Sinne des Wortes unterhalten, immer mal wieder auch mit kritischem Unterton. Sarkasmus und Parodien sind wichtige Stilmittel in ihrem Schaffen.
Die gebürtige Französin ist in Paris aufgewachsen und lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland zwischen Leipzig, Zeitz und Berlin. Sie hat visuelle Kommunikation beziehungsweise Illustration und Grafik-Design an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee studiert. Während des Studiums hat sie ihre Liebe zur traditionellen Druckgrafik entdeckt. Siebdruck, Linoldruck, der künstlerische Buchdruck, Radierungen und gelegentlich auch Lithographien zählen dazu. Mit ihrem Partner Thomas Siemon betreibt sie in Leipzig die renommierte Druckwerkstatt „Atelier Carpe Plumbum“, in der auch Künstlereditionen und Kunstbücher entstehen. In Berlin-Weißensee war sie als Lehrbeauftragte für Handsatz und Linolschnitt tätig. Ein weiterer Lehrauftrag für die Bereiche Tiefdruck und Hochdruck führt sie an die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg.
Das Arbeiten mit traditionellen Drucktechniken bringe zwar viele Einschränkungen handwerklicher Art mit sich, sagt sie. Aber genau diese technischen Einschränkungen können im Druckprozess, der in mehreren Stufen erfolgt, neue Kreativität freisetzen. Klingt paradox, schafft aber auch künstlerische Freiheit.
Die digitale Welt biete unendliche gestalterische Möglichkeiten, das analoge Drucken zwinge zu einem anderen Denken. Auch wenn sie gelegentlich digital arbeitet, bleibe das Analoge die interessantere Alternative für sie. Die Atmosphäre einer traditionellen Druckwerkstatt und das handwerkliche Arbeiten dort könne sie immer wieder neu beflügeln, fügt sie charmant lächelnd hinzu. In der Winkeldruckerey hat sie das am zurückliegenden Wochenende überzeugend gezeigt.
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