Weinheim/Region. Es ist 13.20 Uhr. Die Klingel läutet, Hunderte von Jugendlichen strömen aus der Schule und machen sich auf den Heimweg – zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem „Elterntaxi“, das notfalls auch auf dem Geh- oder Radweg parkt, weil das Kind „ja nur ganz kurz“ zum Abholen ins Auto springen soll.
Schüler brettern mit dem Rad – ohne abzusteigen – über den Zebrastreifen. Mancher hat sogar schon die Kopfhörer im Ohr oder telefoniert. Kinder tauchen urplötzlich auf der Fahrbahn auf, weil sie hinter dem geparkten Auto nicht zu sehen waren; dabei ist die Fußgängerampel nur wenige Meter entfernt. An der Bushaltestelle ist das Gedränge besonders groß. Solche Szenen spielen sich tagtäglich vor deutschen Schulen um die Mittagszeit ab – auch in Weinheim.
Rund um die Dietrich-Bonhoeffer-Schule (DBS) und die Zweiburgenschule hatte das Polizeirevier Weinheim am Mittwoch in Zusammenarbeit mit dem Gemeindevollzugsdienst und der Verkehrspolizei Kontrollstellen eingerichtet. Besonders im Fokus standen diesmal die Radfahrer. Denn die Zahl der landesweit erfassten Fahrradunfälle ist im ersten Halbjahr 2022 um mehr als 20 Prozent gestiegen.
Beamte erwarten Zunahme
„Diesen Trend sehen wir auch im Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim“, erklärt Pressesprecher Patrick Knapp. Polizeipräsident Siegfried Kollmar, der sich in Weinheim selbst ein Bild von der Kontrollaktion macht, wird noch konkreter: „Im Schnitt haben wir 100 Fahrradunfälle pro Monat“, sagt er. Tendenz steigend. In circa 50 Prozent der Fälle seien die Radfahrer daran schuld, ebenfalls in rund 50 Prozent der Fälle wären die Autofahrer verantwortlich. Allein im Bereich des Polizeireviers Weinheim, dessen Einsatzgebiet von Laudenbach bis Schriesheim reicht, gab es seit Jahresbeginn schon 69 Fahrradunfälle, ergänzt der stellvertretende Revierleiter Bernd Kilian.
Zum Glück verlor dabei niemand sein Leben. Doch im vergangenen Jahr starben im Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim vier Radfahrer, macht Kollmar deutlich und fügt hinzu: „Keiner hatte einen Helm auf.“ Deshalb sei es so wichtig, die Präventionsarbeit zu verstärken.
Dass die Unfallzahlen steigen, hat einerseits damit zu tun, dass Radfahren derzeit immer beliebter wird. Andererseits führt der Boom der Elektroräder dazu, dass viele schneller mit dem Rad unterwegs sind als früher, was die Risiken erhöht. „Eine Helmpflicht für Elektroräder wäre deshalb absolut sinnvoll“, findet Polizeipräsident Kollmar deshalb und fügt hinzu: „Das kann Leben retten.“
Weniger streng fällt sein Standpunkt beim Thema Kopfhörer aus. Diese sind erlaubt, solange sie nicht so laut eingestellt sind, dass man von der Umgebung nichts mehr mitbekommt. Das zu beweisen, sei natürlich nicht einfach, sagt ein Beamter, der gerade einen Jugendlichen mit Ohrstöpseln angehalten hat. Deshalb bleibt es oftmals bei einer freundlichen Ermahnung und einem Appell an die Vernunft.
Apropos Vernunft: Zumindest beim Tragen des Fahrradhelms sind die Schüler vielen Erwachsenen weit voraus. „Mehr als 90 Prozent haben ein Helm auf“, schätzt ein Mitarbeiter des Gemeindevollzugsdienstes, der am Multring die Kontrollaktion durchgeführt hat.
Oft Verletzte wegen E-Scooter
Im Norden der Schule – in der Breslauer Straße – sind zwei weitere Beamte des Polizeireviers postiert. Die Polizisten schauen sich die Ausstattung der Fahrräder genauer an: Beleuchtung, Bremsen und Klingel führen dabei die Mängel-Rangliste an. Mitunter gibt es zwar eine Lampe am Fahrrad, aber die nützt wenig, wenn man nicht weiß, wie man sie einschaltet. „Das Rad gehört meiner Mutter“, lautet die kleinlaute Erklärung eines Jugendlichen bei der Kontrolle. „Er wird sie fragen, wenn er heimkommt“, ist sich der Beamte ziemlich sicher und schmunzelt.
Die Bilanz der Kontrollaktion: 91 „verkehrserzieherische Gespräche“ mit jugendlichen Radfahrern wurden geführt und 16 erwachsene Radfahrer verwarnt. 21 Verkehrsteilnehmer müssen mit einem Strafzettel rechnen: Sieben Radfahrer und drei Autofahrer wegen Handyverstößen; zwei Radfahrer, weil sie bei „Rot“ über die Kreuzung gefahren sind; acht Autofahrer wegen Parkens im absoluten Halteverbot und ein E-Scooter-Fahrer wegen eines Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz. Dabei seien 50 Schwerverletzte wegen E-Scooter-Unfällen im ersten Halbjahr 2022 zu verzeichnen – so viele wie noch nie. wn
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