Spargel

Wie ein Erntehelfer in der Pfalz den Spargelanbau in Deutschland veränderte

Im Schnitt 14 Tage früher können die Spargelbauern ernten, wenn sie das Dreifoliensystem anwenden. Das wurde von einem Vorarbeiter auf einem Spargelhof in der Pfalz erfunden. Wie es dazu kam

Von 
Rahel Adel
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Andreas Eberhardt zeigt den kleinen Folientunnel unter der größeren, dritten Folie auf dem Spargelfeld. © Rahel Adel

Weisenheim am Sand. Andreas Eberhardt zieht die weiße Folie hoch und deutet darunter. Auch dort blitzt eine Folie hervor. Diese Folien sind zwei der insgesamt drei, die dem Bauern frühere und mehr Ernte versprechen. Während das Plastik im Wind weht, erzählt Eberhardt, wie es auf dem Weisenheimer Spargelhof zu der Erfindung des Dreifoliensystems kam.

Vor den drei Folien gab es nämlich zwei: Eine direkt über dem Damm, in dem die Spargelstangen stecken, darüber über einen Stab als Abstandshalter dann eine weitere Folie gespannt. So ergeben sich kleine Folientunnel, in denen das Gemüse geschützt reift.

Dreifoliensystem durch Idee eines Vorarbeiters entwickelt

Im Jahr 2013 dann habe ihn einer seiner Feldchefs gefragt, ob es nicht eine Möglichkeit gebe, auch die Zwischenräume zwischen den Tunneln zu erwärmen. Michael Nagy (Bild) hieß der Mann, dessen zündende Idee die Spargellandschaft und die dazugehörige Landwirtschaft verändern sollte. Als Arbeitsmigrant aus Rumänien sei er bereits mehrere Saisons für Eberhardt tätig gewesen, erzählt der Landwirt. Sie hätten ein freundschaftliches Verhältnis gehabt, hätten kreativ zusammengearbeitet. Doch im Herbst 2014 stirbt Nagy, bei sich zu Hause. Eberhardt ist immer noch deutlich mitgenommen, wenn er von seinem ehemaligen Mitarbeiter und Freund erzählt, den er auch daheim in Rumänien besucht habe.

Erntehelfer Michael Nagy, der Erfinder des Dreifoliensystems. © Rahel Adel

Doch zurück zu den Folien und ins Jahr 2013. Die Idee seines Mitarbeiters lässt Eberhardt nicht mehr los, und so fertigen die beiden gemeinsam einen Prototypen an. Eine weitere, größere Folie soll über jeweils zwei der kleineren Folientunnel gespannt werden.

Die beiden machen sich ans Werk: Mit einem Bügeleisen verschmelzen sie zwei der Folien für die kleineren Folientunnel zu einer großen. In die Mitte stechen sie mit einem Pickel Löcher, so dass das Regenwasser nach unten ablaufen kann. Sonst würde das Wasser sich dort sammeln und die Folie nach unten drücken. Außerdem ist an der dritten Folie außen entlang eine Tasche angebracht, die mit Erde gefüllt wird. So ist sie beschwert und trotzt dem Wind. „Bis ungefähr 70 Stundenkilometer hält die Folie stand“, sagt Eberhardt. So bleibt das Gemüse geschützt.

Mehr und früherer Ertrag durch Verwendung der dritten Folie

Akribisch dokumentieren die beiden ihren Versuch mit der dritten Folie. Eberhardt zieht in seinem Büro eine Akte hervor, in dem er seine damaligen Beobachtungen dokumentiert hat. Diagramme mit den verschiedenen Temperaturen hat er erstellt, genauso wie Verläufe der Erntemengen. Beides hat er jeweils verglichen mit dem Anbau ohne die dritte Folie. Und die Zahlen sprachen für sich: Innerhalb von einem Monat konnten die beiden zeigen, dass der Ernteertrag mit der dritten Folie rund zwei Tonnen mehr betrug, als mit nur zwei Folien.

Das Dreifoliensystem

  • Direkt über dem Damm, in dem der Spargel wächst, ist die erste Folie gespannt.
  • Die zweite Folie wird auf Stäbe gelegt, so dass ein Abstand zwischen zweiter und erster Folie entsteht. Es bildet sich ein kleiner Folientunnel.
  • Die dritte Folie verbindet zwei der kleinen Folientunnel miteinander, wodurch auch der Zwischenraum zwischen den Tunneln wärmer und windgeschützt ist.
  • Die Bauern können so früher mit der Ernte anfangen und haben mehr Ertrag

Eberhardt kontaktierte einen Produzenten, um die großen, neuen Folien herstellen zu lassen. Der habe zunächst abgewunken - dann jedoch ein Jahr später diese Neuerung selbst im Angebot gehabt. Bitter sei das gewesen, vor allem für Nagy, meint Eberhardt. „Er hat die Initialzündung dazu gegeben. Es war seine Idee.“ Er betont immer wieder: „Das war eine Idee von einem Praktiker für Praktiker.“ Es sei also nicht im Landwirtschaftslabor entstanden, sondern im praktischen Betrieb. Heute bezieht Eberhardt seine Folien auch bei diesem Hersteller. Was solle er noch immer nachtragend sein, meint er, nach all den Jahren.

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Das Produkt sei mittlerweile sowieso branchenüblich geworden, sagt Eberhardt. Im Schnitt 14 Tage früher können die Landwirte mit ihrer Ernte beginnen, und das ist für viele der Bauern reizvoll. „Unseren Frühbereich haben wir alle mit diesem System abgedeckt“, sagt Eberhardt. Auch die späteren Sorten können mit dem Dreifoliensystem früher angebaut werden. Es gibt zwischen dem Sortenwechsel von früh auf spät also kaum zeitlichen Abstand mehr.

Direktverkauf im Hofladen und auf Wochenmärkten

Insgesamt baut Eberhardt auf 140 Hektar Spargel an. Er gehöre damit zu den größeren Betrieben in Rheinland-Pfalz, sagt er, aber nicht zu den größten. Wichtiger sei es ihm, Sorten anzubauen, die im Geschmack überzeugen können. Er verkaufe in mehreren Hofläden und in Baden-Württemberg auch auf sechs Wochenmärkten, von Ulm bis Heilbronn. Er sei oft selbst beim Verkauf auf den Märkten dabei, sagt er. Wichtig sei ihm das, da er so die direkte Resonanz der Kunden mitbekomme.

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Die Saison dauert bei ihm vom 20. März bis zum 20. Juni. Und das ist auch ein Vermächtnis von Nagy. „Er hat in ganz Deutschland die Weichen für den Spargelanbau gestellt“, sagt Eberhardt.

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