Maikammer. Es ist ein kühler Samstagmorgen im März. Der Waldboden ist aufgeweicht, es riecht nach Holz und feuchter Erde. Noch ist es ruhig, auf der Totenkopfhütte, die weiß verputzt auf 513 Metern Höhe zwischen den Baumwipfeln des Pfälzerwalds auf dem gleichnamigen Bergsattel liegt, zwischen Neustadt-Diedesfeld und Maikammer. Wenige Kilometer weiter östlich erhebt sich die Kalmit, der höchste Berg der Haardt und des gesamten Pfälzerwalds.
Peter Kolesow war schon oft hier. Früher, als sein Sohn Alexander neun, zehn Jahre alt war. Wochenende für Wochenende stapfte seine Familie die Pfade des Pfälzerwalds entlang und landete oft auf der Totenkopfhütte. Einmal, vor vielen Jahren, entdeckte der heute 67-Jährige einen Aufruf in dem Steinhaus: Der Pfälzerwald-Verein (PWV) Maikammer-Alsterweiler, Betreiber der Hütte, brauchte dringend Spenden.
Kolesow wurde Mitglied im Verein, und freute sich jedes Jahr über Post vom Pfälzerwald-Verein. Im Weihnachtsbrief fiel ihm auf, dass der Verein ehrenamtliche Helferinnen und Helfer suchte. Wieder und wieder. Doch lange dachte er sich nichts dabei, hatte er doch selbst genug zu tun. Er pendelte von Mutterstadt nach Mannheim zu seiner Arbeitstelle in der Logistik-Branche, engagierte sich in verschiedenen Sportvereinen, schwamm, paddelte. Dann kam der Ruhestand. Und Kolesow erinnerte sich an den Aufruf.
Mitte 2022 drohte die Schließung der Totenkopfhütte
Um 11.10 Uhr öffnet sich die Tür, der erste Gast ist da. Mit Funktionsjacke und Wanderstöcken betritt eine Frau die Totenkopfhütte und bestellt etwas zu trinken. Sieben ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sorgen dafür, dass der Betrieb läuft. Einer kassiert und gibt Bestellungen an die Küche weiter, ein zweiter schenkt aus.
In der Küche gibt es verschiedene „Stationen“: die kalte Küche, hier steht heute Karin Kolesow, die am frühen Morgen mit ihrem Mann aus Mutterstadt nach Maikammer gefahren ist. Dann gibt es noch die Stationen „Warme Küche“, „Kaffee und Kuchen“ und die Warenausgabe. Last, not least, muss das benutzte Geschirr gespült werden.
Peter Kolesow macht sich auf den Weg in den Keller - er trägt einen schwarzen Kapuzenpullover des Pfalz-Labels „Pfalzkind“ -, holt Flammkuchen hoch. Als Teamleiter wechselt er zwischen den Stationen. Er und die anderen sind ein eingespieltes Team, in den vergangenen Monaten haben sie über 20 Arbeitseinsätze zusammen bestritten. Mindestens vier pro Jahr pro Helferin oder Helfer sollen es laut PWV sein.
107 Helfer waren 2023 auf der Totenkopfhütte im Einsatz, fast 40 000 Essen haben sie zubereitet und rund 30 000 Getränke ausgeschenkt. Besonders beliebt: Leberknödel - hier wanderten 5376 Portionen über die Theke - und (wenig überraschend) Rieslingschorle. Insgesamt 4189 Schoppen tranken die Besucherinnen und Besucher der Totenkopfhütte im vergangenen Jahr.
Mitte 2022 drohte die Schließung der Totenkopfhütte
Dabei stand lange nicht fest, ob die Hütte 2023 überhaupt öffnen kann. „Seit 1965 bewirtschaftet der PWV die Totenkopfhütte“, sagt der Erste Vorsitzende Robert Straßner. Der 73-Jährige lehnt sich auf der Bank im Eingangsbereich der Totenkopfhütte zurück. Hinter ihm führt eine Tür in den Nebenraum des Steinhauses, an den Wänden hängen ein Geweih, ein Wimpel des Fußball-Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern und gerahmte Zeichnungen von Waldmotiven. Lange bevor der PWV die Bewirtschaftung der Hütte übernahm, gaben die Wildhüter von Diedesfeld und Maikammer hier schon einfache Essen und Getränke aus.
Totenkopfhütte
- Die vom Pfälzerwald Verein (PWV) Maikammer-Alsterweiler geführte Hütte ist über verschiedene Wanderrouten oder mit dem Auto über die Totenkopfstraße erreichbar. Die Hütte hat einen Ausschankraum mit 180 Sitzplätzen, weitere Plätze im Außenbereich.
- Öffnungszeiten: Samstags, sonntags, feiertags und an Brückentagen: 11–18 Uhr (im Winter bis zum Einbruch der Dunkelheit). Winterpause von Mitte Dezember bis Mitte Januar; zusätzliche Öffnungszeiten in den rheinland-pfälzischen Sommer- und Herbstferien.
- www.pwv-maikammer.de
Die Hütte gehört zu über 100 Waldgaststätten und Hütten in der Pfalz. In keiner anderen Mittelgebirgsregion gibt es eine solche Hüttendichte, die von der Unesco als immaterielles Weltkulturerbe ausgezeichnet wurde. Die meisten werden von den Ortsvereinen des Pfälzerwald-Vereins und den Naturfreunden bewirtschaftet, von Hunderten von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die immer häufiger fehlen- weil sich Lebenssituationen verändern, Menschen älter werden oder das Interesse an der ehrenamtlichen Aufgabe verlieren.
„Mitte 2022 drohte die Schließung unserer Hütte“, sagt Robert Straßner. Der PWV hatte nicht genug Helferinnen und Helfer, um den Hüttenbetrieb aufrechtzuerhalten.
Ehrenamtliche retten die Totenkopfhütte im Pfälzerwald
Vor zwei Jahren startete der Vorstand einen öffentlichen Aufruf, bat regionale Medien um Hilfe, postete Updates in den sozialen Netzwerken. Und dann geschah etwas sehr Schönes: 70 Menschen meldeten sich, aus der gesamten Region, Einheimische und Zugezogene, und sogar aus dem Schwarzwald erreichte den Verein eine Zuschrift. Es folgten Infoveranstaltungen, Workshops - und 50 Interessentinnen und Interessenten blieben dabei, wurden Teil des Teams.
Die Leute sagten: ,Ich muss mitmachen, damit die Hüttenkultur erhalten bleibt
„Die Leute sagten: ,Ich muss mitmachen, damit die Hüttenkultur erhalten bleibt’“, sagt Straßner. 2012 trat er in den Vorstand ein, da stand der Verein kurz vor der Auflösung, zehn Jahre später ereilte ihn dann der Helfermangel, da war Straßner schon Anfang 70. „Ich habe aber immer gesagt, ich höre erst auf, wenn es gut läuft.“
Genau das hat er nun vor: aufhören. Und es schwingt viel Wehmut mit, wenn Straßner das sagt. Aber auch Erleichterung und Freude. „Hier zu sein, das macht einfach Spaß, es fördert die Gemeinschaft, und als Wanderer ist man froh, wenn man nicht verdurstet“, sagt er und lacht.
Das steht auf der Speisekarte der Totenkopfhütte
Die Glastür zur Küche gleitet auf und gibt den Blick auf dampfende Kochtöpfe frei, in denen der Erbseneintopf kocht und Leberknödel schwimmen. Die Edelstahlflächen der Küche sind blank poliert, drei ehrenamtliche Helferinnen sind für die Sauberkeit in der Hütte zuständig. Verschiedene Kuchen reihen sich aneinander, Peter Kolesow hat sie am Morgen beim Bäcker abgeholt, bevor er zum Metzger gefahren ist.
Karin Kolesow trägt einen vegetarischen Flammkuchen in den Gastraum, seit einigen Jahren finden sich auch vegetarische und vegane Speisen im Angebot der Hütte. Karin Kolesow lacht mit den Gästen. Ohnehin wird viel gelacht an diesem Samstag im März, an dem es ruhiger ist als sonst. Die Mandelblüte lockt Besucherinnen und Besucher in die umliegenden Weindörfer. „Aber das ist okay, kürzlich hatte die Hellerhütte geschlossen, und dann kamen alle zu uns“, sagt Kolesow. Sie habe es kaum geschafft, einen Schluck Wasser zu trinken. Und am Abend, da seien sie alle platt gewesen, aber glücklich. Wie immer eigentlich, wenn sie nach dem Aufräumen noch unter den Baumwipfeln zusammen sitzen, bei Rieslingschorle und Leberknödeln.
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