Geschichte

Wie der Zweite Weltkrieg in Ludwigshafen endet

Vom Norden her erreichen amerikanische Truppen am 21. März 1945 die Chemiestadt. Wo es noch Kämpfe gab und wie die BASF übergeben wurde.

Von 
Peter W. Ragge
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Die amerikanischen Truppen fahren über die Pontonbrücke von Ludwigshafen nach Mannheim. © Stadtarchiv Ludwigshafen

Ludwigshafen. Die jubelnde Schlagzeile erscheint am 22. März 1945: „Pattons Tanks are in Ludwigshafen“ steht in Großbuchstaben nicht nur auf der Titelseite der britischen Tageszeitung „News Chronicle“, sondern auf vielen anderen Blättern. Es ist die Nachricht, die alliierte Soldaten und deutsche Bürger erhofft, Nazis aber gefürchtet haben. Beginnend in Edigheim und Oppau erreichen die Panzer des legendären Generals George S. Patton, Befehlshaber der 3. US-Army an der Westfront, die Chemiestadt. Hier ist der Zweite Weltkrieg dann – fast – vorbei, in Mannheim dauert es noch über eine Woche länger.

Am 15. März fallen in Ludwigshafen die letzten Bomben – nach einer schier endlosen Reihe von 124 Luftangriffen. Wegen der Chemiefabrik der IG Farben (heute BASF) ist Ludwigshafen eine der am meisten bombardierten Städte in Deutschland. 1800 Zivilisten, darunter 141 Kinder, kommen ums Leben, 3000 Verletzte und Zehntausende Obdachlose werden gezählt. Am Kriegsende umfasst Ludwigshafen noch knapp 50.000 Einwohner – nach über 140.000 im Jahr 1939. Viele Menschen sind geflohen oder evakuiert, die Stadt ist ein Trümmerfeld.

US-General Eisenhower lässt Flugblätter an die Zivilbevölkerung verteilen

Ab dem 17. März fliehen noch mehr Ludwigshafener. Dwight D. Eisenhower, der alliierte Oberbefehlshaber, lässt an diesem Tag Flugblätter abwerfen. „An die Zivilbevölkerung Frankfurts am Main und Mannheim-Ludwigshafen“ ist es adressiert, mit Aufzählung aller Vororte. „Ihr wohnt in einem der wichtigsten Kriegsindustriegebiete Deutschlands“, heißt es da. „Diese Gebiete sind jetzt Kampfzonen!“, warnt Eisenhower. Daher sollten sich alle Bewohner „unverzüglich in Sicherheit bringen“, denn davon hinge ihr Leben ab. „Handelt sofort! Heraus aus der Gefahrenzone!“

Amerikanische Truppen auf dem Vormarsch nach Ludwigshafen. © Stadtarchiv Ludwigshafen

Aber wohin? Fanatische Nationalsozialisten propagieren weiter den Endsieg, zwingen Kinder und alte Männer zum Kampf im schlecht ausgerüsteten Volkssturm. Derweil versuchen viele Ludwigshafener, in die Südpfalz oder über den Rhein zu fliehen. Auch von der Westfront zurückkehrende Soldatenverbände wollen über den Rhein – in dem Irrglauben, spätestens an dem mythisch aufgeladenen Strom werde der alliierte Vormarsch aufgehalten. Am 20. März sprengt die Wehrmacht daher abends Rheinbrücken, auch die zwischen Mannheim und Ludwigshafen.

Noch mehrere Tage Schüsse aus dem Hinterhalt

Da rollen längst amerikanische Panzer auf Ludwigshafen zu. Frankenthal und Worms nehmen sie am 20. März weitgehend kampflos ein. In der Chemiestadt indes werden sie beschossen. Auch ein Oppauer, der an einem Bunker eine weiße Fahne hisst, wird erschossen – Kapitulation haben die Nazis bei Todesstrafe verboten. So kommt es in diesen letzten Tagen des Reichs bei sinnlosen und doch teils heftigen Straßenkämpfen noch zu einigen Gefallenen auf beiden Seiten, besonders in der Innenstadt sowie in Mundenheim und Friesenheim. In Ruchheim und Maudach stoßen die Amerikaner dagegen auf keinen, in Gartenstadt und Rheingönheim auf kaum Widerstand. Und in Oggersheim bringt eine Gruppe von Frauen ihren ganzen Mut auf, den Volkssturm zum Aufgeben zu bewegen und ein Blutbad zu vermeiden.

Die amerikanische Pontonbrücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen. Im Hintergrund sind die zerstörte Rheinbrücke und die Trümmer der Walzmühle zu sehen. © Stadtarchiv Ludwigshafen

Am 23. März setzen sich die letzten Wehrmachtssoldaten über die Parkinsel nach Mannheim ab. Von dort aus nimmt die Wehrmacht die US-Soldaten in Ludwigshafen weiter unter Beschuss. Aber in der Chemiestadt stellt der Stadtkommandant den längst sinnlosen Widerstand ein. Im Polizeipräsidium wird die Stadt vom amtierenden Kämmerer Otto Stabel den Amerikanern übergeben. Die Amerikaner ernennen ihn zum kommissarischen Oberbürgermeister, doch einen Monat später wird er wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP abgesetzt und am 20. April durch den Sozialdemokraten Rudolf Hoffmann ersetzt. Das Sagen hat aber ohnehin die US-Militärregierung. Sicher fühlen kann sie sich indes nicht. Immer wieder gibt es vereinzelt Schüsse aus dem Hinterhalt und Sabotageakte gegen die „Besatzer“, wie es heißt.

BASF-Werkleiter Carl Wurster widersetzt sich Hitlers „Nerobefehl“

Das BASF-Werk wird dem US-Standortkommandanten Ralph Edward Hoover dagegen kampflos übergeben. Werkleiter Carl Wurster nehmen die Amerikaner für zwei Wochen in Haft, setzen ihn aber am 9. April wieder in sein Amt ein. Schließlich stellt sich heraus, dass er den „Nerobefehl“ vom 19. März, in dem Adolf Hitler die komplette Zerstörung aller Kraftwerke und Industrieanlagen anordnet, trotz massiver Drohungen gegen sich unterläuft. Er begründet es damit, dass auch die Krankenhäuser der Stadt am Wasserwerk und an der Energieversorgung der Chemiefabrik hängen und nur noch diese funktionieren. 1952 wird er BASF-Vorstandschef.

Hunger, fehlende Energieversorgung, Mangel an Wohnungen – das beschäftigt die US-Militärregierung in den ersten Monaten. Dann zieht sie ab. Gemäß der Verabredungen der Alliierten übernehmen französische Soldaten die Pfalz. Am 10. Juli 1945 ziehen sie mit einer Parade über die Leuschnerstraße in Ludwigshafen ein. Der Rhein bildet nun die Grenze zwischen amerikanischer und französischer Zone – zur Überquerung braucht man einen Passierschein.

Redaktion Chefreporter

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