Straßennamen

Wegen Nähe zur SS: Bad Dürkheim will sich von Phillip Fauth trennen

Hitler selbst soll seine Professur genehmigt haben: Der 1867 in der Pfalz geborene Mondforscher ist Namensgeber einer zentralen Straße in der Kurstadt. Nun soll sie umbenannt werden - und zwei weitere auch noch

Von 
Stephan Alfter
Lesedauer: 
Pfälzischer Mondforscher mit SS-Nähe: Philipp Fauth. © Stadtmuseum Bad Dürkheim

Maler Ernst und Karl Räder

  • Neben Philipp Fauth sind Gustav Ernst und Karl Räder Namensgeber für Straßen in Bad Dürkheim, die demnächst umbenannt werden sollen. Alle sollen zweifelhafte Rollen im Dritten Reich gehabt haben.
  • Heimatdichter Karl Räder betätigte sich nach Untersuchungen eines Historikers als jemand der für das Regime warb und Propaganda betrieb. Bei Maler Ernst geht es um Aussagen in seinem Tagebuch, die als antisemitisch eingestuft werden und Hitler verherrlichen.
  • Diese Woche startete ein Bürgerbegehren. Einwohner hinterfragen die Umbenennungspläne. sal

Bad Dürkheim. Er wurde 1867 in Bad Dürkheim geboren und machte sich als Himmelsbeobachter, Mondkartograph und als Verbreiter der kruden Welteislehre vor und während der NS-Zeit einen Namen: Philipp Fauth. Doch wie nahe stand er dem SS-Mann Heinrich Himmler? Das haben der Dürkheimer Bürgermeister Christoph Glogger (SPD) und die Verwaltung untersuchen lassen.

In der pfälzischen Kurstadt ist seit 1958 eine Straße nach Fauth benannt, in der ausgerechnet auch die Bad Dürkheimer Kreisverwaltung und die Sparkasse Rhein-Haardt zu Hause sind. Nun soll sein Name - und mit ihm zwei weitere - aus der Dürkheimer Öffentlichkeit verschwinden. Johannes-Fitz-Straße heißt der Ersatz-Vorschlag der Stadtverwaltung, der aber noch nicht alle Hürden in den Gremien genommen hat. Eine Bürgerinitiative hat sich gegründet, und ein Ortsbeirat meldet Mitspracherecht an.

Bereits vor fünf Jahren haderte man in Bad Dürkheim mit Fauth: Im März 2017 wäre der Volksschullehrer 150 Jahre alt geworden. Wie geht man als Stadt um mit einem Mann, der zu Lebzeiten unter Astronomen wohl ziemlich bekannt gewesen ist, der in den Jahren vor seinem Lebensende aber Abteilungsleiter der SS-Organisation Ahnenerbe war. Eine Ehrung?

Philipp Fauth verbrachte nur die ersten 15 Jahre seines Lebens in Bad Dürkheim, verließ die Pfalz schließlich zu Beginn der 20er Jahre in Richtung München. Seine Arbeiten zur Erforschung des Mondes brachten ihm ein derartiges Ansehen ein, dass man auch in Landstuhl und selbst in München Straßen und Plätze nach ihm benannte, die auch heute noch so heißen. Fauth fertigte genaue Zeichnungen seiner Entdeckungen an, mit denen er die Mondkarte um 5594 neue Objekte bereicherte. Den Schilderungen seines Sohnes Hermann zufolge, der später ein kleines Werk über seinen Vater verfasste, war Fauth unendlich fleißig. Er habe Tausende Zeichnungen von Venus, Mars, Jupiter und Saturn geschaffen. Er habe im ganzen Land Vorträge gehalten. Man habe ihm sogar eine Stelle an einer neuen Sternwarte in Mexiko angeboten - die er jedoch abgelehnt habe. Seine Publikationen trugen Titel wie „Was wir vom Monde wissen“. Sein Lebenswerk wurde die große Mondkarte, der „Fauth’sche Mondatlas“. Der Astronom starb am 4. Januar 1941 in Grünwald. Sogar ein Mondkrater trägt seinen Namen. Er sei ein Wegbereiter der ersten Mondlandung gewesen, wurde behauptet.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Von Heinrich Himmler gefördert

Von einer Vergangenheit als Abteilungsleiter einer SS-Organisation hat in Bad Dürkheim in all den Jahren seit dem Ende der Nazi-Zeit aber kaum jemand gesprochen. Das sogenannte Ahnenerbe war eine Wissenschaftseinrichtung der SS unter Heinrich Himmler. Der NSDAP-Mann war einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust. Die SS hatte er 1935 gegründet. Heute weiß man, dass sich das Ahnenerbe während des Zweiten Weltkriegs am systematischen Kunstraub beteiligte und Menschenversuche durchführte. Daneben nutzte der stark an okkulten Themen interessierte Himmler das Ahnenerbe als Apparat für weitere Projekte im persönlichen Interesse.

Wie der Dürkheimer Bürgermeister Christoph Glogger (SPD) gegenüber dieser Redaktion berichtet, habe man das Wirken Fauths beim Ahnenerbe von dem Historiker Julien Reitzenstein untersuchen und einschätzen lassen, um eine Grundlage für die Entscheidung zu haben, die Straße nach mehr als 60 Jahren umzubenennen. Für Anwohner sei das immerhin mit einigem Aufwand verbunden. Fünf Jahre sind vergangen, seit das Thema in Bad Dürkheim größere Wahrnehmung erfuhr.

Wie Reitzenstein herausgefunden hat, ist es wahrscheinlich, dass Fauth auf persönlichen Wunsch Himmlers gefördert wurde. Ein Grund dafür war wohl Fauths Einsatz für die sogenannte Welteislehre. Das war ein unverständlich geschriebenes Werk des Österreichers Hanns Hörbiger, das skurrile Thesen zur Entstehung der Welt zum Inhalt hat und heute zu den kuriosen Irrungen der Pseudowissenschaft gehört. Fauth vereinfachte die dort transportierten Thesen, und laut Reitzenstein nutzte Himmler sie als Teil der Rechtfertigung seiner Herrenmenschentheorien. Fauth wurde Mitglied des Ahnenerbes und sei bis zu seinem Tod sichtbarstes Aushängeschild für „Himmlers Hang zur Förderung von Unfug in der Verkleidung wissenschaftlichen Habitus’“ gewesen, so Reitzenstein. Fauth habe finanziell profitiert und sei so zu seinem Professorentitel gekommen, den Himmler über Hitler für Fauth durchsetze. „Philipp Fauth kann nicht nicht gewusst haben, wer sein Förderer und Finanzier Himmler war“, so das Fazit des Historikers.

„Ältester Nazi“?

Dass Fauth ein bekennender Nazi war, lässt sich unterdessen an seinen eigenen Worten ablesen. Als seine Sternwarte in Münchner Stadtteil Grünwald am 11. September 1939 einer Kontrolle unterzogen wird, spricht er davon, wohl der „älteste Nationalsozialist“ zu sein, „der durch 50-jährige Tätigkeit die Grundsätze der neuen Zeit erfüllt habe“. Nachzulesen ist Fauths Aussage in einem Dokument aus dem Berliner Bundesarchiv. In der Landesbibliothek in Speyer findet sich in einer der sechs Kisten mit dem Nachlass des gebürtigen Dürkheimers ein loses Blatt mit einem anonymen Nachruf auf Fauth. Darin steht, dass dieser „selbstverständlich Mitglied der NSDAP“ gewesen sei. Wohl erst im ersten Quartal 2023 wird die Dürkheimer Stadtrat darüber abstimmen, ob die Philipp-Fauth-Straße umbenannt wird.

Mehr zum Thema

Reichspogromnacht

Erinnern an vier ermordete Mannheimer Kinder

Veröffentlicht
Von
Vanessa Schmidt
Mehr erfahren

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen