Schifferstadt. Ein Gynäkologe aus Schifferstadt fotografiert seine Patientinnen heimlich während der Untersuchungen im Intimbereich. Als der Fall auffliegt, stellen die Ermittlungsbehörden 35.000 Bildaufnahmen sicher.
Die Frauen selbst schöpften keinen Verdacht, es waren die Arzthelferin, die irgendwann stutzig wurden. Der Arzt gab an, die Aufnahmen aus rein medizinischen Gründen angefertigt zu haben.
Es geht um Machtmissbrauch
Warum macht ein Mann das? „Die Motivlage von Tätern ist nicht in allen Fällen gleich“, sagt Angelika Treibel, Leiterin des Mannheimer Frauen- und Mädchennotrufs. In jedem Fall entscheide aber eine Person, die sexualisierte Gewalt begeht, die persönlichen, intimen Grenzen einer Person rücksichtslos und gegebenenfalls unter der Anwendung von Gewalt zu überschreiten. Sprich: Es geht um Machtmissbrauch.
Mannheimer Frauen- und Mädchennotruf
- Hilfe bei sexuellem Missbrauch gibt es unter anderem beim Mannheimer Frauen- und Mädchennotruf, einer psychologischen Beratungsstelle für sexuell misshandelte Frauen und Mädchen.
- Der Verein sitzt in O6, 9 in Mannheim und ist telefonisch unter 0621/10033 erreichbar. Per Mail kann unter der Adresse team@maedchennotruf.de Kontakt aufgenommen werden.
- Die telefonischen Sprechzeiten sind montags von 9 bis 12 Uhr, dienstags von 14 bis 16 Uhr, mittwochs von 9 bis 12 Uhr und donnerstags von 14 bis 16 Uhr.
Das Sexuelle sei zwar ein elementarer Aspekt bei dieser Form der Gewalt, dem Täter – in den allermeisten Fällen sind es Männer, also keine Täterinnen – geht es aber nicht oder nicht ausschließlich um die Befriedigung sexueller Bedürfnisse.
Missbrauch: Prototyp eines Täters gibt es nicht
Sexualität wird entweder als Waffe verwendet, um Macht zu demonstrieren und die andere Person zu erniedrigen. Oder aber eine Macht- oder Autoritätsposition wird ausgenutzt, wie es der Arzt getan hat, in dessen unmittelbarer Abhängigkeit der Patient, die Patientin steht, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen. Den Prototyp eines Täters gibt es nicht, Opfer und Täter finden sich in allen Gesellschaftsschichten.
Jetzt anhören: True-Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"
Im True-Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat" taucht Gerichts- und Kriminalreporterin Agnes Polewka in wahre Kriminalfälle ein, die Mannheim und die Rhein-Neckar-Region erschüttert haben.
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Der Begriff „sexualisierte Gewalt“ schließt dabei nicht nur drastische Übergriffe wie die in der Pfälzer Arztpraxis ein, sondern meint eine Bandbreite von Handlungen, die von verbalen Grenzverletzungen bis hin zu Vergewaltigung reichen. „Wichtig ist zu beachten, dass nicht jede sexuelle Grenzverletzung strafbar ist, so gelten rein verbale Grenzverletzungen nicht als sexuelle Belästigung und unterliegen nicht der Strafbarkeit“, so Treibel.
Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung
Wichtig ist auch: Die überwiegende Zahl der Fälle bleibt im Dunkelfeld, eine Strafverfolgung findet nicht statt, obwohl das Delikt als „Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ gelten würde, für das das Strafgesetzbuch je nach Schwere des Vergehens eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren vorsieht.
Hilfe bei sexueller oder häuslicher Gewalt
Egal, ob Sie selbst, Angehörige oder Personen in Ihrem Freundeskreis von häuslicher Gewalt betroffen sind: Es gibt Möglichkeiten für Hilfe. Unter folgenden Telefonnummern und auf folgenden Internetseiten finden Sie Beratung und Unterstützung.
Bundesweit
Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist eine anonyme und kostenfreie Beratung für Betroffene, Angehörige, Freunde und Fachkräfte.
- Telefon: 08000 116 016
- Website: www.hilfetelefon.de
Opfer-Telefon des Weissen Rings
Unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Staatsangehörigkeit und politischer Überzeugung erhalten Opfer oder Zeugen von Kriminalität bei uns schnelle und direkte Hilfe.
Bundesweit. Kostenfrei. Anonym. Ein Hilfsangebot des WEISSEN RINGS: 7 Tage die Woche von 7 bis 22 Uhr.
Telefon: 116 006
Website: www.weisser-ring.de/hilfe-fuer-opfer/onlineberatung
In der Region
Frauenhaus des Mannheimer Frauenhaus e. V.
Das Frauenhaus bietet Schutz für Frauen und deren Kinder vor Gewalt und Bedrohung in akuten häuslichen Gewaltsituationen. Die Mitarbeiterinnen beraten Betroffene bei der Lösung persönlicher Probleme und der Verarbeitung der Gewalterfahrungen.
- Telefon: 06 21 74 42 42
- E-Mail: fachbereich-frauen@frauenhaus-fiz.de
- Website: www.frauenhaus-fiz.de
Fraueninformationszentrum des Mannheimer Frauenhaus e. V.
Im Fachinformationszentrum des Mannheimer Frauenhauses werden Frauen zum Wohnungsverweis und Gewaltschutzgesetz nach häuslicher Gewalt, Unterstützung in schwierigen Trennungs- und Scheidungssituationen und bei Stalking beraten.
- Telefon: 0621 37 97 90
- E-Mail: fiz@frauenhaus-fiz.de
- Website: www.frauenhaus-fiz.de/fraueninformationszentrum
Frauen- und Kinderschutzhaus Heckertstift des Caritasverband Mannheim e. V.
Hier finden Frauen und deren Kinder Schutz, die sexuelle, körperliche oder seelische Gewalt erlebt haben oder davon bedroht sind, sowie für Frauen, die von einer Zwangsheirat betroffen oder bedroht sind.
- Telefon: 0621 411068 oder über die kostenlose Hotline 0800 1008121
- E-Mail: heckertstift@caritas-mannheim.de
- Website: www.caritas-mannheim.de
Ehe-, Familien- und Lebensberatung Mannheim
Die Familienberatung Mannheim berät bei körperlicher, psychischer, seelischer oder sexualisierter Gewalt. Zudem finden Betroffene hier Hilfe bei Ehe- bzw. Partnerschaftsproblemen oder Familienkonflikten.
- Telefon: 0621 155333
- E-Mail: info@eheberatung-mannheim.de
- Website: www.eheberatung-mannheim.de
Gewaltambulanz am Uniklinikum Heidelberg (Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin)
Opfer von Gewalt können sich hier kostenlos rechtmedizinisch untersuchen lassen. Die Mitarbeiter dort sichern Spuren bei Gewalttaten. Es besteht keine Pflicht, die Täter anzuzeigen. Die Gewaltambulanz ist 24 Stunden erreichbar.
- Telefon: +49 152 54648393
- Website: www.klinikum.uni-heidelberg.de/gewaltambulanz
Weitere Stellen in der Region auf der Seite der Stadt Mannheim.
Das so genannte Hellfeld wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik abgebildet, und danach wurden 2023 in Deutschland rund 127.000 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst, von den 94.000 Tatverdächtigen waren 84.000 Männer.
Betroffene stehen nach Missbrauch oft unter Schock
Besonders perfide im Fall des Frauenarztes: Die Frauen fühlten sich in der Praxis in einem geschützten Raum, sie vertrauten dem Arzt und hatten keinen Anlass zu glauben, dass hier etwas falsch läuft. Doch auch wenn einer Frau völlig klar ist, dass der Mann hier eine Grenze überschritten hat, folgt auf den Übergriff oft ein großes Schweigen, für Jahre oder für immer.
„Betroffene stehen nach einer Tat erst einmal unter Schock, da ist es schwer, in Worte zu fassen, was einem widerfahren ist, und das womöglich noch gegenüber einer fremden Person“, weiß Treibel. Die Hemmschwelle, Anzeige zu erstatten, sei deshalb hoch. Eine Anzeige bedeute auch, ein Verfahren loszutreten, das man selbst nicht mehr unter Kontrolle habe. „Das ist potenziell eine hohe Belastung.“
Opfer haben Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird
Erschwerend hinzu kommt, dass es für sexualisierte Gewalt häufig keine Zeugen oder Zeuginnen gibt. Betroffene können einzig ihre eigene Aussage als „Beweis“ in die Waagschale werfen. „Die Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird, ist groß.“ Noch höher ist die Hemmschwelle, die Übergriffe öffentlich zu machen, gar zur Polizei zu gehen, wenn die sexualisierte Gewalt von einer nahestehenden Person ausgeht. Denn dann steht das Leben Kopf, die Folgen für das eigene Leben können gravierend sein.
Wie Treibel sagt, wird heutzutage viel getan, um Mädchen und Frauen zu schützen, und die Frauen setzen sich auch selbst zur Wehr. Trotzdem brauche das Thema weiter Aufmerksamkeit und die Erkenntnis: Das sind keine Bagatellen. „Sexuelle Grenzverletzungen müssen als Verhalten geächtet und dürfen nicht geduldet werden.“
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