Kernenergie

Warum rostet ein Atommüllfass im Bibliser Zwischenlager?

Im Abfallzwischenlager des ehemaligen Bibliser Kernkraftwerks hat der Betreiber ein gerostetes Fass mit schwach radioaktiven Abfällen entdeckt. Jetzt beginnt die Ursachenforschung. Und gibt es noch mehr Rostfässer?

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Bernhard Zinke
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In diesem Zwischenlager wird das angerostete Fass aufbewahrt. © BGZ

Für die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) ist der Fund nach eigenen Angaben ein Novum: Erstmals haben die Fachleute in einem von ihnen betriebenen Zwischenlager für Atommüll eine Roststelle an einem Fass für schwach und mittelradioaktiven Abfall entdeckt. Gesehen haben die Fachleute den Schaden bei einer standardmäßigen Routinekontrolle. Die Roststelle befindet sich im unteren Bereich an der Seite des Fasses. „Es besteht eine kleine Durchrostung ohne sicherheitstechnische Relevanz“, sagt eine Sprecherin der BGZ.

Trotz des Lochs in dem Fass ist nach Angaben der Gesellschaft keine Strahlung ausgetreten. Das hätten entsprechende Messungen ergeben. Denn der Abfall in dem 400 Liter großen Fass sei mit Beton ausgegossen worden. Dies ist ein standardisiertes Verfahren. Die Betonstruktur habe die Strahlung wirkungsvoll abgeschirmt.

Das angerostete Fass sei bereits im Jahr 1980 mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall aus dem Betrieb des Kernkraftwerks befüllt worden. Üblicherweise handelt es sich dabei um Arbeitskleidung, Filter oder Verbrauchsmaterialien aus dem Kontrollbereich des Kraftwerks, also dort, wo es radioaktive Strahlung gab.

Die Bibliser Zwischenlager

  • Auf dem Gelände des stillgelegten Kernkraftwerks Biblis gibt es drei verschiedene Zwischenlager für radioaktiven Abfall, der am Standort angefallen ist.
  • Das Abfallzwischenlager 1 wurde 1982 in Betrieb genommen. Hier deponierte Kraftwerksbetreiber RWE beispielsweise Arbeitskleidung, Filter, Werkzeuge oder andere Materialien, die beim Betrieb des Kernkraftwerks im so genannten Kontrollbereich des Reaktors angefallen sind. Es handelt sich um schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Hier steht auch das rostende Fass.
  • Das Abfallzwischenlager 2 gibt es seit 2018. Nötig wurde es durch den Rückbau des Kraftwerks. Hier werden all die schwach- und mittelradioaktiv belasteten Einzelteile gelagert, in die Fachleute das komplette werk zerlegen.
  • Das Brennelemente-Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle ist 2006 in Betrieb genommen worden. Hier können 135 Castorbehälter aufgestellt werden. Tatsächlich stehen hier 108 Behälter. Es kommen keine weiteren hinzu. 

Das Fass steht zwar im Abfallzwischenlager, das die BGZ betreibt, ist aber noch Eigentum des früheren Kraftwerksbetreibers RWE. Deshalb muss das Unternehmen sich nun auch um die Bearbeitung des Schadens kümmern. Aktuell bereite man vor, das beschädigte Fass in ein etwas größeres Überfass zu verpacken, erläutert Kraftwerkssprecher Alexander Scholl. Dies sei gängige Praxis. Dies habe man schon bei etwa zehn Fässern so gehandhabt, bei denen der Verdacht einer Beschädigung bestanden habe. Erst die sichtbare Korrosion habe im aktuellen Fall eine Meldepflicht an die Behörden ausgelöst.

Das Fass steht aktuell in einem Lagerverbund, wie die Atomaufsicht im hessischen Landwirtschafts- und Umweltministerium auf Anfrage mitteilt. Damit das Gebinde aus dem Verbund entnommen werden könne, müsse erst einmal eine Gasse durch das Lagerfeld geschaffen werden. Der Zeitverzug sei jedoch unproblematisch, weil ja keine Radioaktivität austrete.

Die Ursachenforschung für den Rostfraß läuft

Wie kann ein Fass mit radioaktivem Abfall in einem eigens dafür errichteten Zwischenlager indessen Rost ansetzen beziehungsweise sogar ein Loch in die Stahlwand fressen? Dies herauszufinden, ist nun Aufgabe der Atomaufsicht. Es seien verschiedene Ursachen denkbar, erläutert ein Sprecher des Ministeriums, ohne dadurch der Ursachenklärung vorgreifen zu wollen. Derzeit würden die möglichen Einflüsse auf den Behälter betrachtet. Hat es möglicherweise eine Beschädigung des Lacks gegeben? Ist die Lagerumgebung etwa zu feucht? Beim jüngsten Hochwasser des Rheins im vergangenen Juni standen Teile des Kraftwerksgeländes unter Wasser, allerdings nicht der Bereich, in dem sich die drei Zwischenlager des ehemaligen Kernkraftwerks befinden.

Das zähe Warten auf das Endlager Schacht Konrad

Es sei allerdings auch niemals vorgesehen gewesen, diese Fässer langfristig oberirdisch zu lagern, so die hessische Atomaufsicht. Die Fässer aus Stahlblech seien meist in den 1980er Jahren befüllt und der Abfall mit Beton ausgegossen worden, um sie dann in das Endlager Schacht Konrad abzugeben. Das stillgelegte Eisenerzbergwerk bei Salzgitter in Niedersachsen ist schon seit den 1970er Jahren als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall aus deutschen Kernkraftwerken und Forschungseinrichtungen im Fokus. Genehmigt ist Schacht Konrad seit 2002, der juristische Streit um das Endlager tobt jedoch weiterhin. Termine der Inbetriebnahme wurden mehrfach verschoben. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat 2027 als zuletzt angestrebtes Jahr der Inbetriebnahme schon kassiert. Jetzt steht laut Einschätzungen von Experten ein Termin Anfang der 2030er Jahre im Raum. So lange müssen die Stahlblechfässer noch im Bibliser Abfallzwischenlager stehenbleiben. Erst dann sollen sie in endlagerfähige Gebinde verpackt werden.

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Insgesamt lagern Abfallzwischenlager 1 in Biblis 35 Fässer dieser Bauart. Die Fachleute der BGZ werden nun die 34 anderen Fässer genau unter die Lupe nehmen, sobald sie zugänglich seien. Das soll nach Angaben der Atomaufsicht möglichst noch bis zum Jahreswechsel stattfinden.

Unabhängig von der Entdeckung des beschädigten Fasses gebe ein Inspektionsprogramm, das unter anderem eine Sichtkontrolle an den begehbaren Fässern umfasse. Das nun korrodierte Fass ist diesen Kontrollen offensichtlich entgangen, schließlich hat der Rost soviel Zeit gehabt, ein Loch ins Stahlblech hineinzufressen. Ob weitere Kontrollmaßnahmen erforderlich seien, werde nach Klärung der Ursache festgelegt, so die Atomaufsicht.

Auch wenn die BGZ erstmals mit einem solchen Fall konfrontiert ist: Es ist nicht das erste rostende Fass. Bereits vor achteinhalb Jahren, im April 2016 war im Kernkraftwerk Brunsbüttel ein Fass derselben Bauart mit „geringfügigen Rostspuren“ entdeckt worden. Das ebenfalls 400 Liter große Fass war mit schwach radioaktivem Bauschutt gefüllt und stand seit 1983 in einer von zwei „Transportbereitstellungshallen“.

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