Metropolregion. Der Klimawandel macht den Landwirten in der Region kräftig zu schaffen. Lange Trockenphasen fordern teure Beregnungen. Auch der Salat bekommt bei ununterbrochener Hitze einen Sonnenbrand. Allerdings: Durch die klimatische „Gunstlage“ eröffnen sich der Vorderpfalz, dem Gemüsegarten Deutschlands, auch viele Chancen. Weil es hier ein einzigartiges Leitungsnetz zur Beregnung gibt, können Landwirte Produkte anbauen und liefern, wenn beispielsweise in Spanien die Zucchini vertrocknen.
Klimawandel in der Region: Standortvorteil für Landwirte in der Pfalz
„Wir haben einen echten Vorteil gegenüber anderen Regionen - in Deutschland und Europa“ sagt Pfalzmarkt-Vorstand Hans-Jörg Friedrich im Gespräch mit dieser Redaktion. Schließlich steht mit dem Beregnungsverband Vorderpfalz ein wichtiger Partner an der Seite der Landwirtschaft. Der saugt das Wasser aus dem Otterstadter Altrhein und verteilt es auf ein Netz von mehr als 600 Kilometern. Damit kann eine Fläche von 13 500 Hektar beregnet werden.
Auch dann, wenn andernorts Brunnen zum Schutz des Grundwasserstandes nicht mehr angezapft werden dürfen. Damit überwinde man auch längere Trockenzeiten, ohne dass der Pegel im Otterstadter Altrhein tatsächlich spürbar absinkt. „Aber klar ist auch, wenn die letzten Gletscher in den Alpen geschmolzen sind, wird das auch für uns ein Problem“, will Friedrich den Klimawandel ganz und gar nicht klein reden.
Wetter in der Pfalz: Wind trocknet Felder
Der im Frühjahr stetige Wind hat viel Feuchtigkeit von den Feldern abtransportiert, weiß der Pfalzmarkt-Vorstand um weitere besondere klimatische Herausforderungen dieses Jahres. Und auch die Entwicklung der Energiepreise ist alles andere als erfreulich. Aktuell liegt der Arbeitspreis für den Pfalzmarkt als Großabnehmer bei 12 bis 14 Cent. Zum Vergleich: Vor dem Ukrainekrieg lag er bei drei bis vier Cent. Inklusive aller Aufschläge liegt der Nettopreis derzeit bei rund 20 Cent - „eine erhebliche Kostensteigerung“ für alle Erzeuger, sagt Friedrich.
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Für den Pfalzmarkt war die 190 mal 180 Meter große Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des neuen Frischelogistik-Zentrums schlicht eine Notwendigkeit. „Diese Anlage wird sich angesichts der Energiepreise in zwei Jahren rechnen“, freut sich Friedrich. Immerhin: Die Investition summiert sich auf 2,5 Millionen Euro. Der Pfalzmarkt wird die 3,2 Megawatt, die die Anlage produzieren wird, selbst verbrauchen. Trotzdem ist der Energiebedarf - vor allem durch die permanente Kühlung der Hallen - mit zwölf Megawatt pro Jahr erheblich höher.
Fachkräftemangel in der Landwirtschaft zu spüren
Auch der neue Mindestlohn drückt die Erzeuger in der Landwirtschaft. Das Lohnniveau habe sich binnen sechs Jahren verdoppelt, konstatiert Christian Deyerling, Aufsichtsratsvorsitzender des Pfalzmarkts. Zudem sei es immer schwerer, Personal als Erntehelfer zu bekommen. Zum überwiegenden Teil seien das Rumänen, die eine ganz andere Mentalität hätten als die polnischen Kräfte, die heute kaum noch für die Feldarbeit zu gewinnen seien, sagt Deyerling. Deshalb gebe es unbedingt politischen Handlungsbedarf: Deutschland müsse sich für andere Länder weiter im Osten öffnen, um dort Erntehelfer anzuwerben.
Deutsche seien für die schwere Arbeit im Feld sowieso nicht zu bewegen. Das habe die Pandemie gezeigt, als viele Menschen den Job ausprobiert hätten, aber bei Hitze und Regen auf dem Acker bald schon entnervt aufgegeben hätten, weiß Deyerling aus Erfahrung. Auf dem Feld seien Helferinnen und Helfer nötig, die wissen, was zu tun ist.
Supermarktketten drücken Preise für Bauern
Auf der anderen Seite werde die Landwirtschaft von den Einkäufern der Einzelhandelsketten im Preis gedrückt. „Alle reden von regionaler Versorgung, aber bezahlen will es niemand“, sagt Reinhard Oerther, Vertriebsvorstand des Pfalzmarktes. „In der Produktion muss mehr Geld ankommen“, fordert er. Sonst werde das Höfesterben noch viel schneller vonstatten gehen als ohnehin schon.
Gleichwohl eröffnet der Klimawandel den Landwirten durchaus auch Chancen. Schließlich stehen sie - durch die professionelle Vermarktung durch den Pfalzmarkt mit seiner Frischelogistik - im internationalen Wettbewerb. Eisberg- und Kopfsalat werde es bei andauernder Hitze in der Pfalz zwischen 30 und 40 Grad immer schwerer haben, Melonen werden dagegen profitieren, prognostiziert Deyerling. Erste Erzeuger experimentieren bereits mit dem Anbau von Kiwis.
Landwirtschaft kämpft mit internationaler Konkurrenz
Angesichts des harten internationalen Konkurrenzdrucks ist entscheidend, wer dem Markt schnell die nachgefragten Mengen liefern kann. Und da spielt das Wetter den hiesigen Bauern durchaus in die Karten. Auch zwingt das Klima die Erzeuger zu mehr Innovation und Kreativität, etwa bei der Bewässerung. Statt großflächig mit entsprechendem Verdunstungsverlust zu beregnen, setzt sich immer mehr die Tröpfchenbewässerung durch, etwa bei Spargel, Zuccchini, Kartoffeln, Kürbissen und sogar in den Weinbergen.
„Unsere Betriebe sind innovativ“, bekräftigt Christian Deyerling. Und wenn ein Landwirt in der prallen Mittagssonne beregne, dann habe das meistens seinen Grund. „Neupflanzungen am Morgen brauchen sofort Wasser, sonst sind sie in der Mittagshitze vertrocknet, das weiß jeder Hobbygärtner“, sagt der Pfalzmarkt Aufsichtsratschef. Landwirte seien heute allesamt Vollprofis und durch ihren Fuhrpark High-Tech-Spezialisten. Deyerling: „Alle anderen sind heute gar nicht mehr am Markt.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die Chance sehen, nicht nur die Gefahr