Speyer. „Kirchen wurden 1000 Jahre lang nicht beheizt, und es war kein Problem“, wurde der Umweltbeauftragte des Erzbistums Köln, Christian Weingarten, Anfang September von der Wirtschaftswoche zitiert. Im größten Bistum in Deutschland drückte man damit den Sparwillen in Zeiten der Energiekrise aus.
In Speyer hat man sich der allgemeinen Vorgehensweise angeschlossen: Sie heißt – wie so oft etwas sperrig – „Handlungsempfehlung zum verantwortungsbewussten Temperieren von Kirchen im Winter 2022/23“. In 18 deutschen Bistümern und Landeskirchen wollen sich deren Leitungen auf diese Weise vor explodierenden Heizkosten schützen, die man angesichts geringer ausfallender Einnahmen aus der Kirchensteuer kaum noch bezahlen kann. Verantwortungsbewusstes Temperieren – das heißt für so manchen sakralen Bau, dass die Heizung einfach aus bleibt.
Derzeit fast 20 Grad im Dom
Für den Speyerer Dom, eines der bedeutendsten kirchlichen Bauwerke in Europa, ändert sich damit gar nicht soviel. Denn: Hier wird bewusst nicht geheizt – und das schon seit Jahren. Die Erklärung liefert das Domkapitel auf Anfrage dieser Redaktion. „Durch eine Heizung entstehen Luftverwirbelungen, die potenziell Schäden an Mobiliar und Putzen verursachen können“, sagt Friederike Walter, die das Dom-Kulturmanagement leitet.
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Bei 19,8 Grad Celsius liegt die Temperatur nach Aussage Walters im Dom derzeit noch. Das ganze bei einer Luftfeuchtigkeit von 52 Prozent. Es ist gerade diese Luftfeuchtigkeit, auf die Dombaumeister und Dombaumeisterinnen in diesen Tagen hinweisen. Und damit auf die Notwendigkeit richtigen Lüftens. Die relative Luftfeuchtigkeit sei insofern im Bereich zwischen 45 und 70 Prozent zu halten.
Da sich die Temperaturen hinggen immer nur sehr langsam verändern würden, sei das für das Bauwerk und die darin befindliche Ausstattung wie beispielsweise die Orgeln unproblematisch. Die Wärme des Sommers halte sich noch sehr lange im Dom. Den kältesten Monat registriere man in der Regel im Februar. Eine Faustregel im Dom besagt, dass die Osternachtsmesse unter kälteren Bedingungen stattfinde als die Christmette. Zwar verfügt der Dom über eine elektrischen Fußbodenheizung, diese ist inzwischen aber nicht mehr funktionsfähig, weiß Walter. Sie wurde früher benutzt, wenn das Thermometer innerhalb der Kathedrale unter den Gefrierpunkt zu fallen drohte. Dies sei jedoch in den vergangenen Jahren nicht mehr der Fall, und man rechne auch in diesem Winter nicht damit.
Ein Grad Celsius kostete 1000 Euro
Gäbe es hingegen eine Heizung, so würde nach Darstellung des Domkapitels eine komplexe Klimasteuerung notwendig, um das Mobiliar und den Putz vor Schäden zu schützen. Ständig untersuche man deshalb, wie das Klima im Dom sich verändert und welche Auswirkungen das hat. Ohnehin, gibt Walter zu bedenken, sei es so, dass sich eine rundum angenehme Temperatur in einem Raum wie dem Dom nicht erzeugen ließe. Von daher sei es beim Thema Heizung bislang nicht in erster Linie um eine Anhebung der Temperaturen für die Gottesdienstbesucher gegangen. Um die Temperatur im Innern des Doms innerhalb eines Tages auch nur ein Grad Celsius anzuheben, hätte man sogar vor der Ukraine-Krise etwa 1000 Euro an Heizkosten kalkulieren müssen, sagt das Domkapitel. Bei den derzeitigen Preissteigerungen kann sich nun jeder selbst ausrechnen, wie hoch der Betrag im anstehenden Winter wäre.
Was die Besucher des Gotteshauses anbelange, so seien regelmäßige Dom-Gänger auf die frischen Temperaturen im Gebäude eingestellt und zögen sich von vorneherein wärmer an. Manche brächten von sich aus Decken mit.
Unter den ungeübten Dombesuchern gebe es jedes Jahr ein bis zwei Beschwerden. Diesen Menschen erkläre man dann, warum eine Heizung im Dom nicht sinnvoll sei. Das verstünden die Leute. „Das Auslegen von Decken haben wir geprüft, aber auf Grund des hohen Aufwands und mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit wieder verworfen“, sagt Friederike Walter.
Der einzige Ort, der im Dom tatsächlich in moderatem Umfang geheizt werde, sei die Sakristei, da dort beispielsweise teure Priestergewänder oder Hostien lagerten, die vor Kälte und Feuchtigkeit geschützt werden müssten. Es handle sich dort um eine Gasheizung.
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