Nahverkehr

Warum die RNV mit dem Bus bis nach Athen fährt

Die RNV rekrutiert Busfahrer aus Griechenland für Heidelberg und Ludwigshafen – mit einem ungewöhnlichen Weg der Anwerbung. Wie das Experiment aussah.

Von 
Bernhard Zinke
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RNV-Mitarbeiterin Kalypso Lolou (links) hilft Christos Roufanis und weiteren griechischen Busfahrern, in Deutschland und bei der RNV gut anzukommen. © Bernhard Zinke

Rhein-Neckar. Es ist eine letzte Aufgabe, die Christos Roufanis noch absolvieren muss. Die Leitstelle funkt ihn an: „Es gibt eine Fahrwegsperrung auf der Bergheimer Straße. Sie fahren eine Umleitung über den Hauptbahnhof zum Bismarckplatz. Bitte informieren Sie die Fahrgäste.“ Das ist kein Problem mehr für den Busfahrer, der künftig für die Rhein-Neckar Verkehr GmbH (RNV) Fahrgäste durch Heidelberg chauffieren wird.

Rund 35 Busfahrer hat die RNV in Athen angeworben

Roufanis ist einer von rund 35 Busfahrern, die die RNV in einer höchst ungewöhnlichen Anwerbeaktion in der griechischen Hauptstadt Athen gewonnen hat. Jetzt halten er und fünf weitere Männer das Zertifikat in den Händen: Sie haben den „Ausbildungsbegleitenden Deutschkurs mit berufsspezifischem Deutsch“ erfolgreich absolviert. „In Deutschland braucht man für alles eine Bescheinigung“, sagt Doreen Köhr, Abteilungsleiterin in der RNV-Personalabteilung, bei der Übergabe lächelnd zu ihnen.

Die Absolventen des Sprach- und Integrationskurses bei der RNV und ihre Patinnen. © Bernhard Zinke

Es ist mehr als ein Sprachkurs, den die sechs Männer in den vergangenen vier Monaten erhalten haben. Sie haben der Heimat den Rücken gekehrt, um hier in der Metropolregion einen neuen Anfang zu wagen. Sie sind allesamt ausgebildete und erfahrene Busfahrer. Nur Deutsch müssen sie noch lernen. Schließlich müssen sie sich mit der RNV-Leitstelle und auch den Fahrgästen schnell verständigen können. Und sie bekommen auch Hilfe bei Behördengängen, bei der Eröffnung eines eigenen Bankkontos. Gemeinsam waren sie auch schon in der Region unterwegs, um die Städte kennenzulernen.

Ein RNV-Jobtag im Gewerbegebiet von Athen

Den Weg nach Deutschland gewiesen hat ihnen ein höchst ungewöhnlicher Jobtag, den die RNV vergangenen November in Athen angeboten hat. Weil das Verkehrsunternehmen für Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg händeringend auf der Suche nach Busfahrern war und der Markt in Deutschland abgegrast ist, lenkte es den Blick aufs europäische Ausland. Weil die RNV sehr gute Erfahrungen mit griechischen Busfahrern gemacht hat, fiel die Wahl auf Griechenland.

Um sich den Bewerberinnen und Bewerbern persönlich und authentisch präsentieren zu können, reiste ein Team von elf Kolleginnen und Kollegen von Mannheim nach Athen. Vier Mitarbeiter waren mit dem unternehmenseigenen Fahrschulbus vier Tage lang auf dem Landweg und per Fähre unterwegs. Schließlich sollten die Kandidaten bei einer kurzen Fahrt durch ein Athener Gewerbegebiet beweisen, dass sie tatsächlich einen Bus sicher steuern können.

Der Fahrschulbus der RNV war sogar mit griechischer Anzeige in Athen unterwegs. © RNV GmbH

Zuvor hatte die RNV in den sozialen Medien und durch die bei ihr bereits beschäftigten Griechen für den Bewerbertag getrommelt. Tatsächlich war der Andrang riesig. Binnen 48 Stunden waren 120 Anmeldungen eingegangen. Mehr als 60 Bewerber stellten sich dann tatsächlich vor. „Wir waren erst ein wenig überrascht, dass nicht alle Angemeldeten da waren. Aber wir haben uns sagen lassen, dass dies für griechische Verhältnisse eine sehr gute Quote ist“, sagt Köhr.

Busführerschein in Griechenland deutlich günstiger

Mit rund 35 Bewerbern wurde die RNV am Ende einig. Für die Griechen gibt es genügend Gründe, die Zelte in der Heimat abzubrechen. Die Lebenshaltungskosten sind ähnlich hoch wie in Deutschland, nur das Gehaltsniveau ist deutlich niedriger. Da rechnet es sich für einen Akademiker mehr, in Deutschland Bus zu fahren, als in der Heimat im eigentlichen Job zu arbeiten. Und der Busführerschein kostet in Griechenland 600 bis 800 Euro. In Deutschland gehen da schon mal 10.000 Euro drauf.

Für uns ist dieser Jobtag in Athen ein echtes Erfolgsmodell.
Doreen Köhr Personalerin bei der RNV

Die Bewerber hätten sich zudem gefreut, dass sie hier nur den Bus fahren brauchen und das Fahrzeug während der Fahrt nicht auch reparieren müssen. Ein Kollege berichtete, dass er während der Fahrt in Griechenland mit offenem Fenster fahren musste – um zu riechen, ob der Motor unterwegs Feuer fängt. Modernste Fahrzeugtechnik, Dienstkleidung und eine Leitstelle, die jederzeit während der Fahrt ansprechbar ist, seien weitere Pluspunkte für den Job bei der RNV, berichtet Personalerin Köhr von den Gesprächen mit den neuen Kollegen.

Die Bewerber mussten als Nachweis eine Runde durch ein Gewerbegebiet in Athen drehen. © RNV GmbH

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dieses Programms sind auch die beiden RNV-Mitarbeiterinnen Sabine Jaeger de Llibre und Kalypso Lolou. Sabine Jaeger de Llibre kümmert sich um die spanisch sprechenden Bewerber im Gewinnungsprogramm für neues Fahrpersonal, Kalypso Lolou um die Griechen. Sie ist selbst Straßenbahnfahrerin und war sofort bereit, bei der Integration der Landsleute mitzuhelfen. Sie ist selbst seit 2017 in Deutschland, arbeitet seit zwei Jahren bei der RNV und kennt die Situation, aus der Heimat in ein neues Land aufzubrechen.

RNV hat jetzt genügend Fahrpersonal

Aktionen wie ein Jobtag in Athen haben der RNV einen ordentlichen Zulauf gerade an Busfahrern beschert, bekräftigt Christian Volz, kaufmännischer Leiter der RNV. „Wir sind mittlerweile voll besetzt. Wegen Personalmangel gibt es keine Ausfälle mehr“, sagt er. Wenn eine Fahrt unvermittelt ausfallen müsse, liege es an technischen Problemen. Die RNV habe bei der Personalgewinnung in den vergangenen zwei Jahren deutlich Gas gegeben.

Geholfen habe unter anderem, dass man deutlich mehr Busfahrer selbst ausgebildet habe. Auch sind einige Fahrer zur RNV gewechselt, die vorher im Ersatzverkehr während der Riedbahn-Sperrung unterwegs waren und nun keine Lust auf den Wanderzirkus bei der Deutschen Bahn haben, wenn überall in Deutschland Strecken saniert werden. Im vergangenen Jahr hat die RNV 356 neue Kolleginnen und Kollegen eingestellt, darunter alleine 215 im Fahrdienst, berichtet Kommunikationschefin Sandra Grundler.

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Gleichwohl will das Unternehmen in seinen Anstrengungen nicht nachlassen. Schließlich geht im Lauf der kommenden zehn Jahre etwa ein Drittel der Belegschaft in Ruhestand, darunter viele im Fahrdienst. Deshalb setze man zusätzlich auch verstärkt auf Flexibilisierung der Arbeit, erläutert Geschäftsführer Volz: Gefragt sind Kolleginnen und Kollegen, die sowohl Straßenbahn als auch Bus fahren können und die sich auf den Strecken sowohl in Mannheim als auch in Ludwigshafen und Heidelberg auskennen. Und man fördere Mitarbeiter aus Verwaltung und Werkstatt, die auch im Fahrdienst unterwegs sein können, etwa bei Großereignissen, wo in kurzer Zeit viele Fahrer gebraucht werden, oder bei plötzlichen Krankheitsfällen.

Für die griechischen Absolventen des ersten Integrationskurses geht’s nun zur Einweisung auf die Strecken der künftigen Einsatzgebiete in Heidelberg – dort ist der Bedarf aktuell am höchsten – und Ludwigshafen. Es könnte sein, dass die griechische Community bei der RNV schon bald Zuwachs bekommen könnte. „Für uns ist dieser Jobtag in Athen ein echtes Erfolgsmodell“, sagt Personalerin Doreen Köhr, „Im Oktober fahren wir wieder hin.“

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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