Bildungshaus der Jesuiten

Warum das Pesch-Haus in Ludwigshafen Mutgeber für zwei Städte ist

In Mannheim gegründet, nun in Ludwigshafen ansässig - das Heinrich-Pesch-Haus ist vor 50 Jahren umgezogen. Wie es das Jubiläum gefeiert und wie sich die Arbeit gewandelt hat

Von 
Peter W. Ragge
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Das Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen bietet mit seinem Angebot vielfältige Begleitung in Lebensfragen. © Bernhard Zinke

Mannheim/Ludwigshafen. Für die Jesuiten ist der Rhein keine Grenze. „Seit 50 Jahren sind wir mindestens auf dieser Ebene eine Stadt“, meint Tobias Zimmermann SJ, der Direktor des Heinrich-Pesch-Hauses. Vor fünf Jahrzehnten ist das in Mannheim gegründete Bildungshaus der Jesuiten nach Ludwigshafen umgezogen und weiter für beide Städte sowie die gesamte Region zuständig. Gefeiert wurde wieder in Mannheim, in der Jesuitenkirche.

Dass der Speyerer Bischof auf die andere Rheinseite kommt, ist schon ungewöhnlich. Aber er wolle gerne „auf 50 Jahre fruchtbare Arbeit zurückschauen“, so der pfälzische Oberhirte Karl-Heinz Wiesemann. Das Haus sei ein „Mutgeber und Kraftgeber für die Zukunft“, getragen von der Spiritualität der Jesuiten. Dabei spannte Wiesemann den Bogen zu dem 1907 in Mannheim geborenen, in Lampertheim aufgewachsenen und 1945 von den Nationalsozialisten hingerichteten Jesuitenpater Alfred Delp.

Mit seinem Namen sind die Anfänge der Einrichtung verbunden, denn er hatte gemeinsam mit Franz Meßbacher und Felix zu Löwenstein in den 1930er Jahren den Auftrag von der Leitung des Jesuitenordens, ein Sozialinstitut zu gründen. Das scheitert aber am Zweiten Weltkrieg.

Jesuiten siedeln sich ab 1947 wieder in Mannheim an

Nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es zunächst andere Probleme. Die Jesuiten siedeln sich ab 1947 zwar wieder in Mannheim an, wo sie bereits in der Ära der Kurfürsten Carl Philipp und Carl Theodor (1720 bis 1778) eine prägende Rolle gespielt haben. Aber zunächst stehen in der Jesuitenkirche Seelsorge und Wiederaufbau im Vordergrund. Doch auch danach wollen die Mannheimer, dass die Patres bleiben. August Zimmer entscheidet sich 1951, ihnen sein Wohnhaus in D 6,5 zu schenken. Hier leben die Patres, hier initiieren sie die „Offene Tür“.

Aber dann greift die Oberdeutsche Jesuitenprovinz die Idee vom Beginn der 1930er Jahre wieder auf, ein „Zentrum für soziale Studien“ ins Leben zu rufen. Es soll die christliche Soziallehre bekannt machen, Bildungsarbeit leisten. 1954, gerade von missionarischer Arbeit in Indien zurückgekehrt, bekommt Pater Felix zu Löwenstein den Auftrag. Er beginnt 1955 mit einem Mitarbeiter, dem Studenten Peter Molt von der Universität Heidelberg.

„Soziales Seminar Mannheim“ lautet zunächst der Titel, als am 18. Januar 1956 in zwei Kellerräumen des Hauses D 2,2 in der noch stark zerstörten Mannheimer Innenstadt die Arbeit beginnt. Man wolle „Sammelpunkt für christliche Unternehmer, Arbeiter, Sozialwissenschaftler und Studenten werden“, so zu Löwenstein, und neben der Wissensvermittlung „aus christlicher Sicht zur sozialen Frage Stellung nehmen“. Zum Namensgeber der neuen Einrichtung wird Heinrich Pesch (1854-1926), Jesuit und Volkswirt, der mit seiner Lehre vom „Sozialen Arbeitssystem“ maßgeblich die Sozialenzyklika von Papst Pius XI. beeinflusst hat.

1959 folgt der Umzug in die Werderstraße 52 in Mannheim, in die als „Röchling-Burg“ bekannte ehemalige Villa des Industriellen. Schwerpunkte dieser Jahre sind die Schulung von Betriebsräten und Vertrauensleuten, Jugendbildungsarbeit und kommunalpolitische Seminare. Sogar ein eigener Verlag, der Pesch-Haus-Verlag für sozialpolitische Kleinschriften, entsteht, wo als Schriftleiter zeitweise der spätere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel arbeitet.

Als 1971 der Jesuitenorden die wissenschaftliche Arbeit des Pesch-Hauses als „Institut für Gesellschaftspolitik“ an die Hochschule für Philosophie in München verlegt, hat das auch finanzielle Folgen. Die Villa in Mannheim wird verkauft (und 1977 abgerissen), ein neuer Trägerverein aus Vertretern des Jesuitenordens, des Bistums Speyers und der katholischen Dekanate Ludwigshafen und Mannheim gegründet. Er legt 1972 den Grundstein für einen Neubau in Ludwigshafen an der Frankenthaler Straße und beruft Jesuitenpater Karl Weich zum 1. Januar 1972 als Direktor. 1974 beginnt dann die Arbeit am neuen Standort.

Fernsehstudio zur Erprobung von kirchlichem Fernsehen

Eine Schlüsselrolle spielt das Heinrich-Pesch-Haus 1981, als dort ein Fernseh-Studio für die Erprobung von kirchlichem Fernsehen für das „Kabelpilotprojekt Ludwigshafen“ entsteht, die Keimzelle des Privatfernsehens in Deutschland.

Vor allem sieht sich das Haus aber als „Vorhof der Kirche“, wie es der langjährige Leiter Hans-Joachim Martin mal formuliert. Die 1970er und 1980er Jahre seien eine „enorme Aufbruchszeit“ gewesen, mit einer sehr hohen Nachfrage nach Bildung und Begleitung in Lebensfragen, so Ulrike Gentner, stellvertretende Direktorin des Hauses, in ihrem Rückblick beim Festgottesdienst. „Frauen wurden sich ihrer Würde bewusst“, so Gentner. In den 1990er Jahre seien Angebote für neue Zielgruppen entstanden, europapolitische und interreligiöse Veranstaltungen intensiviert und das Fortbildungsangebot für kirchliche und gemeinnützige Organisationen verstärkt worden.

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In den 2000er Jahren kamen das Zentrum für Ignatianische Pädagogik (ZIP) sowie das Zentrum für Ethik, Führung und Organisationsentwicklung im Gesundheitswesen zur Qualifizierung von Führungskräften in kirchlichen Einrichtungen sowie verstärkt die Familienbildung hinzu. Unverändert sei das Pesch-Haus „ein Ort des Diskurses, der Raum bietet für Reflexion und Stärkung der Zivilgesellschaft im Geist der Solidarität und Subsidiarität“, so Gentner. Schwerpunkte liegen auf der außerschulischen politischen Jugendbildung, Kommunikation, Sprachförderung, Familienbildung und Europa. Insgesamt 60 Mitarbeiter betreuen pro Jahr (2023) rund 47 700 Gäste. Der Übernachtungsbetrieb hat inzwischen sogar Hotelstatus – mit drei Sternen.

Allerdings verlangten Mittelkürzungen „neue wirtschaftliche Geschäftsmodelle“, so die stellvertretende Direktorin. Dazu zählt der Bau der Heinrich-Pesch-Siedlung auf Ackerflächen rund um das katholische Haus, wo auf 15 Hektar Platz für 2000 Menschen entstehen soll. Doch das zeige, dass das Pesch-Haus „eine Vision hat, die über die reine Bildungsarbeit hinausgehe“, so Bischof Wiesemann: „Das ist Unmittelbarkeit des gelebten Glaubens.“

Redaktion Chefreporter

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