Wiesloch. Wenn man Menschen in der Metropolregion fragen würde, für was die Stadt Wiesloch bekannt ist, würde an erster Stelle wohl das Psychiatrische Zentrum Nordbaden (PZN) genannt werden. Nicht allzu weit dahinter dürfte aber Wimmers Landwirtschaft rangieren.
Der Gasthof am Südrand der Kommune ist auch für Ausflügler aus dem Raum Mannheim und Ludwigshafen seit Jahren ein beliebtes Ziel. Nicht wenige werden an einem sonnigen Samstagabend schon mal unter einem der weißen Schirme draußen gesessen oder sich an einem Sonntagvormittag am reichhaltigen Buffet bedient haben. An diesem Sonntag, 26. Januar, besteht dazu allerdings das letzte Mal die Gelegenheit. Denn nach mehr als 25 Jahren schließt Wimmers Landwirtschaft dauerhaft.
Wimmers Landwirtschaft: "Das Licht geht aus. Die Türen gehen zu. Wir schließen dauerhaft"
Auf ihren Kanälen in den Sozialen Medien hatten die Betreiber darauf schon vor gut einer Woche mit kurzen Videos hingewiesen. „Das Licht geht aus. Die Türen gehen zu. Wir schließen dauerhaft“ heißt es auch auf einer Banderole, wenn man die Webseite des Unternehmens aufruft. Man bedauere diesen Schritt und vertrete die Auffassung, dass „nachhaltige und ehrliche Gastronomie unserer Auffassung nach in Deutschland politisch gewollt keine Zukunft mehr hat“, schreiben die Betreiber dort weiter.
Was damit gemeint ist, versucht Geschäftsführer Martin Wimmer im Gespräch mit dieser Redaktion zu erklären. Denn das jetzige Aus hat eine lange Vorgeschichte. Bereits im Jahr 1999 legte ein Gericht nach einem Rechtsstreit zwischen Wimmer und der Stadt Wiesloch fest, dass der Gasthof, der sich in einem Außenbereich befindet, maximal mit 80 Sitzplätzen und begrenzten Öffnungstagen - 120 pro Jahr - betrieben werden darf. Zuletzt hatte die Gastronomie aber rund 480 Sitzplätze und deutlich mehr Besucher an mehr Öffnungstagen, verstieß also gegen die gerichtlichen Auflagen.
Was eine geplante Umgehungsstraße mit der Sache zu tun hat
Wimmer räumt das bereitwillig ein. Der Hintergrund sei aber etwas komplexer. Hemmschuh einer rechtmäßigen Entwicklung des Betriebs sei eine Umgehungsstraße, die jahrelang im Generalverkehrsplan Baden-Württemberg enthalten gewesen sei und über das Gelände von Wimmer Landwirtschaft verlaufen würde. Anträge auf eine Erweiterung des Betriebs seien daher immer wieder abgelehnt worden.
Vor elf Jahren sei die Straße dann nach Beschluss des Gemeinderates aus dem Plan herausgenommen worden, der Weg für eine umfassendere Planung war laut Wimmer frei. „Wir haben 40 000 Euro investiert. Dann hieß es plötzlich, dass die Straße doch wieder mit hoher Priorität in die Pläne aufgenommen worden sei und wir unser Vorhaben einstellen sollen“, berichtet der Geschäftsführer. Das Geld sei futsch gewesen.
Was Wieslochs Oberbürgermeister Dirk Elkemann zu der Sache zu sagen hat
In der Folge habe es aber eine Duldung seitens der Verwaltung gegeben, was den Betrieb mit mobilen Zelten und mehr als den 80 Sitzplätzen angeht. Diese Duldung sei auch schriftlich beantragt worden, letztlich habe es aber lediglich eine mündliche Übereinkunft gegeben.
Oberbürgermeister Dirk Elkemann (parteilos) bestätigt das. „Eine formelle Duldung hat es zwar nicht gegeben, ich würde eher von einem Gentlemen-Agreement oder einem Stillhalteabkommen sprechen", sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Als er 2016 ins Amt gekommen sei, habe er die Situation bereits so vorgefunden. „Das hatte sich über viele Jahre etabliert und das Thema war nicht meine oberste Priorität, ich hatte kein besonderes Augenmerk auf Wimmers. Das war einfach ein Betrieb, der lief.“
Und so lief er auch noch neun Jahre weiter, obwohl offenkundig gegen Auflagen verstoßen wurde, die aus dem Gerichtsurteil von 1999 hervorgehen, ohne Kontrollen durch die Stadt. „Letzten Endes tragen alle Beteiligten zur jetzigen Situation bei“, sagt deshalb auch Elkemann. „Das Unternehmen, das sich jahrelang über Regeln hinweggesetzt hat, die Stadt, die das nicht ausreichend kontrolliert hat, und der Naturschutzbund.“ Letzterer hat über das Regierungspräsidium die Nutzungsuntersagung letztendlich erwirkt. Dazu später mehr.
Elkemann: "Der Betrieb hat eine Strahlkraft weit über Wiesloch hinaus"
Für den Oberbürgermeister ist die jetzige Entwicklung durchaus bedauerlich. „Der Betrieb hat eine Strahlkraft weit über Wiesloch hinaus“, sagt er. „Das ist ein Verlust für die Stadt und ich hätte Wimmers gerne noch eine längere Perspektive geboten.“ Deshalb habe man sich auch nochmals intensiv ausgetauscht, um rechtmäßige Zustände herbeizuführen. Dafür wäre ein Bebauungsplan erforderlich gewesen, der vom Gemeinderat hätte beschlossen werden müssen. „Die Geschäftsführung wollte aber offenbar nicht viel Energie in einen Entwurf legen, der möglicherweise abgelehnt werden könnte. Die Planungen waren unzureichend“, so Elkemann.
Wimmer sieht das anders. Er und seine Kollegin in der Geschäftsführung, Carina Laier, seien aufgefordert worden, eine grobe Planung vorzulegen, die nicht viel Geld verschlingen solle. „Das haben wir getan und es war alles Wesentliche enthalten“, sagt Wimmer. „Letztlich wollten wir ja gar nicht viel verändern, außer mit Holzhäusern statt Zelten energetischer und nachhaltiger zu werden.“
Der Gemeinderat habe sich letztlich so positioniert, dass das Unternehmen zunächst rechtmäßige Zustände herbeiführen soll, den Betrieb also auf das zulässige Maß zurückbauen muss. Das ist nach Darstellung von Martin Wimmer jedoch mit dem etablierten Buffet-Konzept mit regionalen Produkten nicht wirtschaftlich darstellbar. Und somit Endet an diesem Sonntag in Wiesloch eine kleine Ära.
Der Nabu Wiesloch hat den Stein ins Rollen gebracht - das sind die Gründe
Den Stein ins Rollen gebracht hat wie erwähnt der Naturschutzbund Wiesloch, der zunächst bei der Stadt und schließlich beim Regierungspräsidium Karlsruhe die rechtswidrigen Zustände bei Wimmers anprangerte. 2021 sei er darauf hingewiesen worden, dass Wimmers immer weiter wachse, berichtet Christoph Aly, Vorsitzender des Nabu Wiesloch, auf Anfrage. Bei der Stadt habe man sich erkundigt, ob für die versiegelten Parkflächen ein Ausgleich geschaffen worden sei und ob für die Gebäude Baugenehmigungen vorliegen, habe aber nie eine Antwort erhalten. „Deshalb haben wir uns an das Regierungspräsidium gewandt.“ Ausgang bekannt.
Wieslochs Nabu-Vorsitzender Christoph Aly: „Vor dem Recht ist jeder gleich“
Die nun auf den Anstoß des Nabu folgende Schließung will Aly nicht bewerten. „Uns und mir geht es nur darum, dass rechtmäßige Zustände hergestellt werden. Man kann ohne Genehmigungen nicht einfach tun, was man will, das versetzt Menschen, die sich an Recht und Ordnung halten, zurecht in Rage. Vor dem Recht ist jeder gleich.“
Martin Wimmer verspürt keinen Groll und will niemandem konkret Vorwürfe machen. „Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein“, sagt er. Bei ihm überwiegt die Trauer darüber, dass es künftig keine lächelnden Gesichter von zufriedenen Gästen mehr geben wird, die den Gasthof verlassen. „Diese Herzlichkeit und Liebe wird fehlen.“ Wie genau es mit dem Grundstück weitergeht, ist noch nicht final geklärt. Da der landwirtschaftliche Betrieb Wimmer bestehen bleiben wird, ist es wahrscheinlich, dass die Flächen auch entsprechend genutzt werden. „Es ist gut möglich, dass es ein großer Acker wird“, sagt Wimmer. Für Christoph Aly, dem auch der Erhalt des angrenzenden Gebietes „Äußere Helde“ als wertvolle Kulturlandschaft ein Anliegen ist, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.
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