Rhein-Neckar. Würde man in der Sprache eines Filmkritikers ausdrücken wollen, was die Verantwortlichen beim Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) vom inzwischen zu Grabe getragenen 9-Euro-Ticket denken, dann käme man an dem Begriff „Verriss“ definitiv nicht vorbei. Bis auf die Tatsache, dass es - für Bahnverhältnisse - sehr einfach zu erwerben und zu nutzen war, lässt VRN-Geschäftsführer Volkhard Malik kein einziges gutes Haar an der Aktion der Bundesregierung.
So euphorisch viele Nutzer das Ticket in den Monaten Juni, Juli und August gefeiert haben, so ernüchternd fällt das Fazit des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) für diesen Zeitraum aus. Vielleicht, um ein Signal hinsichtlich derzeit laufender Verhandlungen der Verkehrsminister der Bundesländer über ein Nachfolge-Angebot zu setzen, hatte der VRN am Mittwoch eigens zu einer Pressekonferenz eingeladen. „Ein nachhaltiger positiver Effekt für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist schwer zu erkennen“, hieß es dort. So klingt das bei Managern und Politikern, wenn etwas komplett in die Hose gegangen ist.
Keine Relevanz für Verkehrswende
In Zahlen liest sich das folgendermaßen: Der Verkehrsverbund hat 50 Millionen Euro Verlust (die der Bund ihm zurückzahlt) eingefahren - und zwar dadurch, dass er seine üblichen Tarife nicht an Mann und Frau bringen konnte. Zwar seien im Verbundraum zwischen Homburg im Westen und Osterburken im Osten rund 1,6 Millionen Tickets für den Preis von neun Euro verkauft worden, aber den Anteil der Neukunden habe gemäß einer Kundenbefragung bei unter einem Prozent gelegen. Heißt: Für eine anzustrebende Verkehrswende hatte das Ticket keinerlei Relevanz, weil wohl nur ein verschwindend geringer Prozentsatz an Pendlern vom Auto auf die Bahn umgestiegen ist.
Wie geht es weiter?
- Bund und Länder haben sich grundsätzlich auf ein Nachfolgemodell für das 9-Euro-Ticket verständigt.
- Wann und zu welchen Konditionen das neue Ticket kommen wird, ist Gegenstand von Gesprächen, die die Verkehrsminister der Länder gerade in Bremerhaven führen.
- VRN-Geschäftsführer Volkhard Mailik ist skeptisch. Er sagt: „Die Möglichkeit einer Einführung des Klima-Tickets zum 1. Januar sehe ich aus heutiger Sicht nicht mehr.“
- Das Nachfolgeticket soll 49 Euro pro Monat im Jahresabo kosten und 69 Euro als Monatskarte.
Es war im Gegensatz dazu eher so, dass sogar zusätzlicher Verkehr und damit CO2 entstanden ist, der ohne das Ticket gar nicht stattgefunden hätte. Christian Specht, Erster Bürgermeister der Stadt Mannheim und Vorsitzender des Zweckverbands Verkehrsverbund Rhein-Neckar (ZRN), sprach in diesem Kontext von „induziertem Verkehr“, der dadurch entstanden ist, dass der Zugang zum ÖPNV einfach war. Zugenommen haben demnach Gelegenheitsfahrten nach dem Motto: „Ach, heute fahren wir mal nach Worms“. Das 9-Euro-Ticket also auch in klimatischer Hinsicht ein Nichtsnutz.
Weniger Abos beim VRN
Statt nach Ende der Gültigkeit des 9-Euro-Tickets Neukunden mit Abonnements zu begrüßen, haben die Zahlen in diesem Bereich nach Darstellung von Specht sogar abgenommen. Konkret: Die Nutzer einer VRN-„Dauerkarte“ haben sich von 258 000 um 8 500 reduziert. Das deutet auf eine vorher schon existierende Unzufriedenheit hin, nachdem etwa die S-Bahn Rhein-Neckar zuletzt mit massiven Problemen zu kämpfen hatte.

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2,5 Milliarden Euro hat die Bundesregierung in drei Monaten in das 9-Euro-Ticket gesteckt. Eine hohe Investition angesichts der Tatsache, dass Verkehrsverbünde und Verkehrsminister der Länder lange gebraucht haben, um 1,5 Milliarden Euro mehr an Regionalisierungsmitteln vom Bund zu bekommen. Diese Mittel dienen dem Ausbau der Infrastruktur im ÖPNV. Auch Specht und Malik gehören zu denen, die von der Verkehrspolitik klar verlangen, dass ein Ausbau der Infrastruktur Vorrang vor einer Reduzierung der Tarife haben müsse, um eine reelle Chance auf eine tatsächliche Verkehrswende zu haben. Specht nennt das Beispiel Wien, wo man 20 Jahre am Verkehrsangebot gearbeitet habe, ehe man nun Erfolge in Sachen Verkehrswende verzeichnen könne.
Malik pflichtet Specht bei, wenn er sagt, dass sich „die Vermutung bewahrheitet hat, dass das 9-Euro-Ticket ein befristetes Strohfeuer entfacht hat“. Das könne man auch aus einer Umfrage herauslesen, die von der Rhein-Neckar-Verkehr (RNV) in Auftrag gegeben worden sei und die während des Aktionszeitraums stattgefunden habe. Dort gaben 73 Prozent der Befragten an, den ÖPNV nach Auslaufen des 9-Euro-Tickets gar nicht mehr oder seltener zu nutzen.
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