Frankenthal/Landau. Der Prozess um einen tödlichen Unfall auf der B 44 zwischen Lampertheim und Mannheim im Juli 2019 soll neu aufgerollt werden. Die Staatsanwaltschaft hat beim Landgericht in Landau einen Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens gestellt. Dies bestätigte die Landauer Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig am Mittwoch.
Bei dem Unfall war ein damals 19-jähriger Mann aus dem Rhein-Pfalz-Kreis auf der vierspurigen Bundesstraße mit mindestens Tempo 155 entlang gerast. In einer langgezogenen Kurve bei Kirschgartshausen verlor der Fahrer auf der regennassen Fahrbahn die Kontrolle über die hochmotorisierte BMW-Luxuslimousine seiner Eltern und krachte gegen einen Baum. Die Insassen waren alle um die 20 Jahre alt. Zwei davon starben, ein weiterer wird sein Leben lang als Folge des Unfalls körperlich und geistig schwer behindert sein.
Der Unfallfahrer war damals vom Amtsgericht Frankenthal wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung per Strafbefehl und ohne mündliche Verhandlung zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem musste er 2000 Euro für soziale Zwecke zahlen.
Nach der Verurteilung waren jedoch neue Beweismittel aufgetaucht. Es handelt sich um Videos, die allesamt noch vor dem tragischen Unfall entstanden sind. Auf den wackligen Bildern ist zu sehen, wie der Fahrer den Wagen auf einer Landstraße bis auf Tempo 233 hinaufschraubt. Ein anderes Video zeigt den Blick durch die Windschutzscheibe des Autos bei einer Tour durch die Frankenthaler Innenstadt bei 135 Stundenkilometern, knapp neben einem am Straßenrand stehenden Menschen vorbei.
Größtmögliche Geschwindigkeit
Diese Videos belegen: Der Unfall im Juli 2019 war keineswegs eine einmalige Überforderung des Fahrers. Vielmehr hat der damals 19-Jährige bewusst und mehrfach die größtmögliche Geschwindigkeit mit dem hoch motorisierten Auto erreichen wollen – gegen jegliche Verkehrsregeln. Die Videos legten nahe, „dass der Verurteilte bereits vor dem Verkehrsunfall am 20. Juli 2019 bestrebt war, mit dem jeweils von ihm geführten Pkw durch riskante Fahrmanöver höchstmögliche Geschwindigkeiten seines Fahrzeugs zu erreichen“, erläutert die Staatsanwaltschaft Landau in einer Pressemitteilung die Gründe für ihre Entscheidung, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen. Diese neuen Beweismittel ließen insbesondere die Beweggründe des Verurteilten für sein Verhalten in einem anderen Licht erscheinen. „Sie begründen aus Sicht der Staatsanwaltschaft Landau den Verdacht, dass es dem Verurteilten regelmäßig darum ging, Höchstgeschwindigkeiten zu erreichen, und er es auch bei der Fahrt am 20. Juli 2019 darauf angelegt hat, trotz regennasser, teils überfluteter Fahrbahn eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen, um seine Mitfahrer zu beeindrucken.“ Dies begründe den Verdacht eines Verbrechens, nämlich des grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Rasens mit Todesfolge.
Dass sich nun die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht in Lan-dau und nicht mehr die Frankenthaler Justiz um den Fall kümmert, hat formaljuristische Gründe. Schließlich hat Frankenthal ein rechtskräftiges Urteil gesprochen, das Verfahren damit also formal beendet. Eine Wiederaufnahme ist nur dann möglich, wenn neue Beweismittel den Verdacht einer Straftat ergeben, bei der eine Mindeststrafe von einem Jahr droht. Allerdings muss das Verfahren dann von einer anderen Gerichtsbarkeit durchgeführt werden, Frankenthal gibt seine Fälle stets nach Landau ab.
Opferanwalt Frank K. Peter, der die Eltern eines der Todesopfer als Nebenklägervertreter vertritt, sieht die Wiederaufnahme nur als Zwischenerfolg. Es gehe darum, dass der Angeklagte gerecht bestraft werde, sagt Peter im Gespräch mit dieser Redaktion. Er sei charakterlich nicht geeignet, ein Fahrzeug zu führen. „Der junge Mann war im Dorf als Raser bekannt“, schildert der Anwalt die Ergebnisse seiner Recherchen. Insofern könne von einem Augenblicksversagen bei dem Unfall auf der B 44 keine Rede sein. Peter hatte auch die Videos als neue Beweismittel eingebracht und damit die Initiative zur Wiederaufnahme erst gegeben. „Wir haben letztlich den Job der Staatsanwaltschaft gemacht“, kann Peter sich einen Seitenhieb auf die Ermittlungsbehörde nicht verkneifen.
Ob es letztlich zur Eröffnung des Verfahrens kommt, entscheidet das Amtsgericht Landau. Es hat den Antrag der Staatsanwaltschaft zumindest bereits für zulässig erklärt. Nun hat die Verteidigung die Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Danach entscheidet das Gericht endgültig über die Wiederaufnahme des Verfahrens.
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