An einem Mai-Wochenende vor einem Jahr meldete die Polizei einen Zwischenfall: Am Samstagabend gab es einen Unfall auf der A 65 in der Nähe von Mutterstadt, hieß es darin, die Autobahn musste für fünf Stunden gesperrt werden. Und weiter: Nach dem Zusammenstoß zweier Autos habe der Unfallfahrer seine Beifahrerin auf der Autobahn getreten und geschlagen. Zeugen hätten dies beobachtet.
Am Donnerstag hat der Prozess gegen den mutmaßlichen Unfallfahrer vor dem Landgericht in Frankenthal begonnen. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen versuchten Mordes erhoben. Während das deutsche Strafrecht für Mord nur eine Strafe kennt, die lebenslange Freiheitsstrafe, droht im Fall einer Verurteilung wegen versuchten Mords eine Freiheitsstrafe von drei bis 15 Jahren. Staatsanwältin Esther Bechert rekonstruiert am Donnerstag in der Anklageverlesung das Tatgeschehen - so, wie es sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zugetragen hat: Am 6. Mai soll der heute 24-jährige Angeklagte Maximilian W. mit seinem Audi RS 3 von Mannheim Richtung Pfalz gefahren sein. Neben ihm im Auto habe seine damalige Partnerin gesessen. Das Paar geriet während der Fahrt in Streit, so die Staatsanwältin. Die Auseinandersetzung soll schließlich eskaliert sein, W. schlug der fast 20 Jahre älteren Frau laut Staatsanwaltschaft mit der Faust ins Gesicht und zog sie an den Haaren, riss ihr welche aus, woraufhin die Frau sagte, sie werde sich von ihm trennen. Darauf soll der 24-Jährige geantwortet haben: „Dann bringe ich uns beide um.“
Es ist allein dem Zufall zu verdanken, dass keine der beteiligten Personen ums Leben kam.
Laut Sachverständigengutachten beschleunigte er den Sportwagen auf der A65 auf 250 Stundenkilometer, während er auf der rechten Spur fuhr. Und rammte laut Anklage einen vor ihm fahrenden Kleinwagen. Die Insassen erwischte der Aufprall „völlig unerwartet“, sagt Bechert.
Trümmerteile seien durch die Luft geflogen, hätten drei weitere Fahrzeuge beschädigt, ein viertes sei über Autoteile auf der Fahrbahn gefahren. „Es ist allein dem Zufall zu verdanken, dass keine der beteiligten Personen ums Leben kam“, so die Staatsanwältin.
Prozess um Unfall auf A 65 bei Mutterstadt: Version des Angeklagten weicht ab
Einige Stunden später an diesem ersten Verhandlungstag projiziert die Vorsitzende Richterin Mirtha Hütt Aufnahmen des Unfalls auf den Bildschirm im Gerichtssaal. Das Video hat die Dash-Cam - eine Kamera, die am Armaturenbrett oder der Windschutzscheibe befestigt wird - eines Autos gefilmt, das auf der Gegenfahrbahn unterwegs war. Es geht ein Raunen durch den Saal, als zu sehen ist, wie der Audi an der Leitplanke entlang schrammt. Funken sprühen, ein anderes Auto wird durch die Wucht des Aufpralls quer über die Fahrbahn geschoben, ein drittes hebt ab. Wieder sprühen Funken.
Maximilian W. räumt an diesem ersten Prozesstag ein, den Unfall verursacht zu haben. Anschließend habe er seine damalige Partnerin angegriffen. Und doch weicht seine Version von den Annahmen der Staatsanwaltschaft ab - und von dem, was seine Ex-Freundin sagt.
Mehrere Gläser Wein und Koks auf der Toilette
Maximilian W. berichtet von einem sonnigen Mai-Tag, von einem Treffen mit Freunden in einer Mannheimer Pizzeria, bei dem auch seine Ex-Partnerin dabei gewesen sei. Sechs, sieben Gläser Wein habe er getrunken, mehrere Male sei er auf der Toilette gewesen, um zu koksen. Kurz vor 21 Uhr habe er sich auf den Heimweg Richtung Pfalz machen wollen, um sich frisch zu machen, für den weiteren Abend. Mit seiner Freundin sei er ins Auto gestiegen - und dann hätten beide gestritten, weil sie sich ungefragt sein Handy geschnappt habe. Die Situation sei schließlich eskaliert. Er habe sie geschlagen und sie ihn - während der Fahrt. „Ich war abgelenkt“, sagt der 24-Jährige. Dann habe er die Kontrolle über das Auto verloren. „Nach dem Unfall war ich überrascht, dass ich aussteigen konnte.“ Nachdem er das konnte, habe er seine Partnerin für den Unfall verantwortlich gemacht und sei auf sie losgegangen. Anschließend sei er querfeldein gerannt, in Dannstadt-Schauernheim habe ihn ein Freund abgeholt, den er zuvor verständigt habe. Um die anderen Unfallbeteiligten habe er sich nicht gekümmert, antwortet er auf Nachfrage.
Es war eine kranke Beziehung. Vor allem danach.
Seine Ex-Partnerin, die in Mannheim lebt, sagt vor Gericht, der Streit sei deshalb entbrannt, weil sie in der Pizzeria mit einem Freund von W. gelacht habe. Maximilian W. sei sehr eifersüchtig gewesen, und zwar nicht zum ersten Mal. W. habe sie kontrolliert, immer wieder habe der Angeklagte sie während der zehnmonatigen Beziehung körperlich angegriffen. Oft habe sie die Schuld bei sich gesucht und sich wieder mit ihm versöhnt.
Weiterer Vorfall drei Monate nach dem Unfall auf der A 65
Beim Arzt habe sie angegeben, gestürzt zu sein. Bis heute habe sie Knieprobleme nach einem Kreuzbandriss, den W. ihr zugefügt habe. Ein anderes Mal habe er sie so fest gestoßen, dass sie stürzte und sich das Steißbein brach. Sie berichtet von Reisen nach Athen, Marbella und nach Ibiza. Von Hotelgästen, die die Polizei verständigten, weil W. sie verletzt habe. Von Selbstmorddrohungen - wie der 24-Jährige im Urlaub über die Brüstung eines Balkons im sechsten Stock kletterte und andeutete, er wolle springen.
„Es war eine kranke Beziehung“, sagt die Frau. „Vor allem danach“. Denn nach dem Vorfall auf der A65 blieben beide zunächst ein Paar. Bis zum 25. August 2023. An diesem Tag habe W. sie erneut geschlagen und verletzt. Auch deshalb muss sich der 24-Jährige vor Gericht verantworten. Außerdem soll er gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben. Wegen Gewalt in einer früheren Beziehung soll der 24-Jährige bereits straffällig geworden sein.
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