Kallstadt/Speyer. Hat ein simpler Brief der Speyerer Kreisregierung vom 25. Juni 1905 den Weltenlauf nachhaltig beeinflusst? Und wäre Donald Trump infolge dessen nicht der mächtigste Mann der Welt geworden, sondern ein gewöhnlicher Winzer in der Pfalz, der seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Riesling bestreitet?
> Dossier US-Wahl: Die Entscheidung am Wahltag mit Live-Daten. Dazu: Hintergründe, Analysen, Infografiken
> US-Wahlen 2020: Mannheims OB Peter Kurz und weitere Stimmen aus der Metropolregion Rhein-Neckar
> Video: Erste Einschätzung zur US-Wahl mit Historiker Ludovic Roy
> Nichts verpassen: Zugriff auf alle Plus-Artikel und das E-Paper. Nur jetzt 3 Monate GRATIS lesen.
So absurd diese Frage klingen mag – sie hat ihre Berechtigung. Der 25. Juni 1905 war der Tag, an dem Friedrich Trump, dem Großvater des heutigen amerikanischen Präsidenten, mitgeteilt worden ist, dass er unter keinen Umständen mehr in Deutschland werde leben dürfen. Wie viel Inkompetenz, Lüge und Disruption wäre der Welt erspart geblieben, wäre Frederick Trump, wie er sich inzwischen nannte, einfach dauerhaft ins pfälzische Kallstadt zurückgekehrt?
In diesen Stunden entscheidet sich, wer die USA in den kommenden Jahren als Präsident führen wird – der Demokrat Joe Biden oder erneut der Republikaner Donald Trump, dessen Großeltern bekanntermaßen aus jenem kleinen Dorf bei Bad Dürkheim stammen.
In den Fokus des medialen Interesses gerückt ist Kallstadt in den vergangenen sechs Jahren mehrmals. Bis heute ist der Herkunftsort von Donald Trumps Großvater Friedrich die Heimat des deutschen Zweigs der Familie Trump. Deren Vorfahre war 1885 als Halbwaise nach New York ausgewandert, wo er zunächst als Friseur arbeitete, ehe er im Westen der USA und bei den Goldsuchern am Klondike zu Geld kam. Unweit von Seattle betrieb er zwischenzeitlich sogar ein Bordell, wie die Quellen in Speyer zeigen. Bis 1901 kehrte er demnach zweimal nach Kallstadt zurück, bevor er beim dritten Besuch im Jahr 1902 seine Verlobte Elisabeth Christ im Ludwigshafener Standesamt ehelichte und mit ihr im gleichen Jahr wieder nach New York zog.
Trumps Großvater betrieb ein Bordell
Erstmals größer thematisiert hat diese Geschichte der Kaiserslauterer Volkskundler Roland Paul, damals Leiter des Instituts für pfälzische Geschichte, in einem Aufsatz, den er im Sommer 20116 in der Zeitschrift „Pfälzer Heimat“ veröffentlichte. Trump – so schreibt Roland Paul in diesem Aufsatz – habe seinem Schwiegervater Philipp Christ bei der Hochzeit versprochen, Elisabeth zurückzubringen, wenn es ihr in den USA nicht gefalle. So kam es auch im August 1904. Fast ein Jahr lang kämpfte Friedrich Trump hier vor Ort um das Recht, wieder dauerhaft in Kallstadt leben zu dürfen.
An besagtem 25. Juni 1905 teilte ihm die noch bayrische Kreisregierung in Speyer einen Entschluss des Staatsministeriums des Innern mit, wonach ihm ein längerer Aufenthalt hier nicht mehr gewährt werden kann. Hintergrund: Er sei nach seiner ersten Ausreise in die USA nicht rechtzeitig zur Ableistung des Militärdienstes zurückgekehrt.
Also reiste Trump am 1. Juli 1905 mit seiner schwangeren Frau und einer Tochter mit einem Schiff ab Bremen zurück nach New York. Wie sehr die Familie aber weiter daran glaubte, vielleicht doch nach in die Heimat zurückkehren zu können, zeigt ein weiterer Brief vom 20. Dezember 1906 an das „Königliche Staatsministerium des Inneren“ aus der Feder von Friedrich Trump. Der Brief ist im Landesarchiv in Speyer zu finden. Roland Paul hat für dessen Verbreitung gesorgt. Vehement weist Trump dort auf die Gründe für seinen Heimkehrwillen hin – das Heimweh seiner Frau.
Brief im Original-Wortlaut
„Ich, der unterzeichnete amerikanische Staatsbürger Friedrich Trump, gebürtig in Kallstadt, Pfalz, jetzt in New York wohnhaft, ersuche hiermit hohe königliche Regierung, mir gnädigst zu gestatten mit meiner Familie meinen Wohnsitz in meiner alten Heimat, resp. in Bad Dürkheim nehmen zu dürfen. (...) Meine Frau ist nie von zu Hause weg gewesen, ist die einzige Tochter ihrer in Kallstadt lebenden Eltern, ist hier nicht gesund und kann sich nicht in das Leben hier eingewöhnen. Nachdem wir zwei Jahre von 1902 bis 1904 hier gelebt hatten, mußte ich schließlich ihrem Drängen nachgeben und mit ihr nach der alten Heimat zurückkehren. (...) Ich bin mir bewußt, daß es nicht Absicht war, mich der Militärpflicht zu entziehen, die mich zur Auswanderung bestimmten, sondern das Streben, mir in Amerika eine neue Existenz zu gründen und meine Mutter in Deutschland unterstützen zu können. Ich bin ein ruhiger, friedfertiger Mann, nicht gewohnt in der Wirtschaft zu sitzen. (...) Meine Frau und ich bitten deshalb hohe kgl. Regierung um eine günstige Entscheidung. Gehorsamst, Friedrich Trump, 539 East 177th Street, New York, City.“
Tod an spanischer Grippe
Die Kreisregierung in Speyer antwortete drei Monate später am 5. März 1907: „Es hat bei dieser Entschließung sein Benehmen.“ Damit war Trumps Antrag endgültig abgelehnt. Er und seine Frau blieben in den USA. Nur elf Jahre später erlag Donald Trumps Großvater der Spanischen Grippe, sein Sohn Fred wurde später mit dem Bau von Immobilien reich. Dessen Vermögen in Höhe von etwa 300 Millionen US-Dollar bekam später auch sein im Jahr 1946 geborener Sohn Donald. Was der heutige Präsident damit machte, könnte etwa aus diversen Steuerbescheiden hervorgehen - wenn er sie denn jemals öffentlich gemacht hätte, wie andere US-Präsidenten vor ihm ...
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-us-praesident-trump-so-haette-die-speyerer-kreisregierung-ihn-frueh-verhindern-koennen-_arid,1711658.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.morgenweb.de/dossiers_dossier,-us-wahlen-2020-_dossierid,190.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.morgenweb.de/mannheimer-morgen_artikel,-politik-us-wahlen-2020-stimmen-aus-der-region-_arid,1712122.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.morgenweb.de/videocenter_video,-erste-einschaetzungen-zur-us-wahl-historiker-ludovic-roy-zu-gast-bei-stefanie-ball-_videoid,9056.html
[4] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://abo-mannheimer-morgen.morgenweb.de/herbst-nl/?hnr=paywall&utm_source=morgenweb&utm_medium=link&utm_campaign=herbst_epaper