Abenteuer

Speyerer Familie erlebt abruptes Ende eines Road-Trips

Fast genau ein Jahr lang waren Erika, Christian und Levin Müller aus Speyer im selbst umgebauten Van in 15 Ländern unterwegs. Eine Zeit des großen Glücks. Auch im Iran war die Familie

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Stephan Alfter
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Gruppenbild mit Dromedar: Christian (v.l.), Levin und Erika Müller mit Hund Ayla in der Maranjaab-Wüste im Iran. © privat

Speyer. Als Erika Müller-Runge im Juni von zu Hause die Nachricht bekommt, dass ihr Vater ins Krankenhaus eingeliefert werden muss, ist die größte Reise ihres Lebens auf einen Schlag beendet. Die 44-Jährige lässt ihren Mann Christian und ihren 13-jährigen Sohn Levin in Rumänien zurück und fliegt nach Hause.

Zwischen Wildnis und Zivilisation lagen für sie damals nur wenige Stunden. Ein Kulturschock. Fast ein Jahr lang war die Speyerer Familie zuvor auf einem Abenteuer-Trip unterwegs. 15 Länder, Tausende Kilometer, Zehntausende Eindrücke. Zwei Tage nach Erika treffen auch ihre beiden Begleiter wieder daheim ein. Seither sind schon mehr als drei Monate vergangen – und erst ganz langsam stellt sich wieder ein gewisser Alltag ein. Aber Alltag – geht das überhaupt noch einem solchen Trip?

Moment der Stille: Chris und Levin Müller in der Maranjaab-Wüste. © privat

Christian (47) und seine Frau sitzen an ihrem Tisch im heimischen Esszimmer – und stellen einmal mehr fest, dass ihr Lebensraum daheim doch ganz schön groß ist angesichts der Tatsache, dass sie zwölf Monate lang in einem selbst umgebauten Van auf nur sehr wenigen Quadratmetern gelebt haben. Sobald sich aber die Türe ihres Gefährts öffnete, blickten sie auf skurrile Landschaften, bizarre Felsformationen oder endlose Horizonte. Diese Zeit ist vorbei. Beide gehen inzwischen wieder einigermaßen geregelt ihren Tätigkeiten nach – sie bei der Diakonissenanstalt in Speyer, er in der eigenen Schreinerei.

Ihr Sohn Levin hat seine Freunde zurück und ist durch das Jahr voller neuer Erfahrungen viel aufgeschlossener und selbstständiger geworden, sagen seine Eltern. In der Schule kommt er gut mit, nachdem er auf der Reise den Stoff verfolgt hat. Aber so richtig im Alltag sind sie spürbar nicht, während Levin sein Erspartes nun in eine Bagpacker-Ausrüstung stecken will. Ob sie sich verändert haben? „Ja“, sagt Erika. „Man vertraut dem Leben vielleicht ein wenig mehr. Alles fügt sich, man muss sich nur trauen“, findet sie. Ihr Mann sagt: „Vielleicht gehen wir heute entspannter miteinander um.“ Aber: Es habe auch mal Tage gegeben, an denen er gesagt habe: „Das nächste Mal reise ich alleine.“

Im Rhythmus von höchstens vier oder fünf Tagen ändern sie während ihres Trips über die schlechtesten Straßen Eurasiens den Aufenthaltsort. So lange dauert es, bis der Wassertank wieder aufgefüllt werden muss. Über das Jahr gesehen fahren sie im Durchschnitt 100 Kilometer am Tag. Sie leben von nicht einmal 1000 Euro im Monat zu dritt. Sie lernen fast täglich neue Menschen kennen – oft werden sie von Einheimischen zum Essen eingeladen. So auch am Heiligen Abend 2021, als sie im tiefsten Schnee in den Bergen des Iran von einem Mann davor gewarnt werden, mit dem umgebauten Mercedes-Van noch weiter Richtung Berggipfel zu fahren. Stattdessen landen sie bei kleinen Häppchen auf einem Perserteppich in der Behausung des Mannes. „Wir hatten alle so Lust auf einen selbst gemachten Kartoffelsalat“, erinnert sich Erika, dass der Mann ihnen aus Gastfreundschaft heraus nicht erlaubt habe, die selbst mitgebrachten Speisen zu verzehren.

Christian Müller auf steinigen Pfaden im Gebirge. © privat

Der Iran tut es den Müllers besonders an. 10 000 Kilometer legen sie allein hier zurück. Am beeindruckendsten: die kleine Insel Hormus. Sie liegt 16 Kilometer südlich der iranischen Küste und ist beinahe kreisrund. Es ist eine Insel für Aussteiger und Menschen, die man hierzulande wohl als Hippies bezeichnen würde. „Auf Hormus schläft Allah“, lernen die drei Speyerer, die immer wieder auf Reisende aus Europa und sogar aus Speyer treffen. Soll heißen: Auf Hormus schaut Allah nicht so genau auf die Regeln.

Ein Höhepunkt: Der Besuch der Insel Hormus. © Fridamaelle

Unter den Iranerinnen, die sie im ganzen Land kennenlernen, sind mitunter systemkritische Leute. „Du spürst das bei vielen, wenn das Kopftuch zu Hause schnell fällt“, sagt Erika. Was sie oft zu hören bekommen ist: „Herzlich willkommen. Die Menschen hier sind fantastisch. Nur die Regierung ist sch...“ Tatsächlich werden sie nachts mindestens zweimal von vermummten Menschen angehalten und kontrolliert, die sich später als Militärpolizisten entpuppen. „Wir hatten im Iran schon das Gefühl, einigermaßen unter Beobachtung zu stehen,“ resümiert Christian und erwähnt die Angst des Regimes vor Spionen aus dem Westen. Fotos von Raffinerien und anderen Bauten seien ihnen explizit verboten worden.

Von einer revolutionären Stimmung sei Anfang des Jahres aber noch nichts spürbar gewesen. Spürbar unterschiedlich sind hingegen die Preise für Diesel. Da wird der große Tank des Vans auch mal mit drei Euro voll. Die ganz großen Autopannen bleiben aus. Einmal müssen sie die Frontscheibe wechseln. Was sie nicht erreichen, ist Indien. „Wegen Corona geschlossen“, könnte man sagen. Und so fahren sie erst gar nicht nach Pakistan hinein. In Georgien treffen sie auf Menschen, die wegen des Ukraine-Krieges aus Russland fliehen. Nach Aserbaidschan dürfen sie aus für sie unerfindlichen Gründen nicht mit dem eigenen Auto einreisen, aber fliegen dürften sie. Die Müllers verzichten darauf.

Kritisch beäugt werden sie in den Kurdengebieten des Nordirak. Unweit schlagen an einem Tag Raketen ein. Die Peschmerga-Milizen stellen Fragen, die ungefähr so lauten: „Was um Gottes Willen wollt ihr hier?“ Erika erinnert sich, dass die Menschen nicht verstehen können, warum man in ihr „schönes“ Land möchte. „We are Tourists“, sagen die Müllers. „Tourists or Terrorists?“, lautet die Antwort der Kontrolleure. Ins Tal von Lalisch, etwa 60 Kilometer nördlich der Stadt Mosul, fahren sie trotzdem. Hier besuchen sie das zentrale Heiligtum der Jesiden. Es entstehen schöne Bilder, die sie in ihren Herzen tragen, ehe sie sich auf den Rückweg nach Mitteleuropa machen, wo der Gedanke entsteht, einen Vortragsabend zu gestalten, der noch nicht terminiert ist.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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