Rhein-Neckar. Mit einem kräftigen Schwung hebt der Polizist seine rote Kelle, der große Stopp-Schriftzug in weißen Lettern sticht ins Auge. Der Kleinwagen, der angefahren kommt, wird langsamer. Der Polizist weist ihm den Weg zur Kontrollstation. Dort erwarten die Verkehrssünderin drei Polizisten, die von Weitem nicht sichtbar waren.
„Guten Morgen, Personalausweis und Führerschein, bitte“, fordert ein Polizist sie auf. „Ich habe es eilig. Ich muss zur Arbeit. Um elf fange ich an“, entgegnet die Frau mittleren Alters und kramt hektisch ihre Dokumente hervor. Es ist 10.47 Uhr. So wie ihr ergeht es am heutigen Tag vielen motorisierten Verkehrsteilnehmern in ganz Deutschland und sogar in ganz Europa – es ist Speedmarathon.
In ganz Europa müssen Temposünder diese Woche zittern
Die ganze Woche – vom 7. bis 13. April – kontrolliert die Polizei in ganz Europa verstärkt den Verkehr. Beim Speedmarathon sind die Kontrollen besonders intensiv. Auch in der Rhein-Neckar-Region. Im Anschluss an die Messung wird gleich eine Personen- und Fahrzeugkontrolle vorgenommen. „Das Polizeipräsidium Mannheim, zu dem auch Heidelberg und der Rhein-Neckar-Kreis gehören, hat alle verfügbaren Messgeräte im Einsatz“, sagt Nicolas Schütz, Leiter des Verkehrsdienstes Heidelberg. Ziel sei es nicht, „so viele Leute wie möglich zu erwischen, sondern die Verkehrssicherheit nachhaltig zu stärken“, betonen Schütz und Michael Klump, Pressesprecher des Präsidiums.
„Überhöhte Geschwindigkeit ist die Hauptursache bei schweren Verkehrsunfällen mit Toten und Schwerverletzten“, sagt Schütz. Laut der jüngsten Verkehrsunfallstatistik des Mannheimer Präsidiums kamen in Mannheim, Heidelberg und im Rhein-Neckar-Kreis im vergangenen Jahr sieben Menschen ums Leben, 95 wurden schwer verletzt bei Unfällen, deren Ursache zu hohe Geschwindigkeit war. Die sieben getöteten Menschen machen mehr als ein Drittel der insgesamt im Verkehr getöteten Teilnehmer aus.
Europaweiter Speedmarathon 2025
- Speedwoche : 7. bis 13. April.
- Speedmarathon : 9. April.
- Ziel : Mehr Verkehrssicherheit durch verstärkte Kontrollen. Bewusstsein erhöhen.
- Zu hohe Geschwindigkeit : Häufige Ursache für schwere Unfälle.
- Technik : Handlaser, unauffällige Autos mit Kameras, Blitzer.
- Kontrollen : Messungen der Geschwindigkeit, direkte Kontrolle von Papieren und Fahrzeugen bei Verstößen.
- Langfristiges Ziel : Verkehrsteilnehmer zu sichererem Fahren motivieren.
Die Fahrerin, die es so eilig hatte, ist indessen nicht zu schnell gefahren – sie war nicht angeschnallt. Strafe zahlen muss sie trotzdem. Der Bußgeldkatalog sieht dafür 30 Euro vor. Aber nicht nur das. Es ist leichtsinnig und gefährlich. „Wir sind auch oft überrascht, wie viele Verkehrsteilnehmer auch heute noch keinen Gurt tragen“, sagt eine der kontrollierenden Polizistinnen. Oft hätten die Getöteten nur leichte Verletzungen davongetragen, wenn sie angeschnallt gewesen wären. „Bei 30 Prozent aller Unfälle mit Gurtpflicht in unserem Zuständigkeitsbereich sind die Getöteten ohne Gurt gefahren“, ergänzt Schütz. Die Frau ohne Gurt war an diesem Tag bisher eher eine Ausnahme. Die meisten Verstöße sind Geschwindigkeitsübertretungen. Um die Temposünder zu erwischen, hat die Polizei verschiedene Messtechniken im Einsatz.
Unsichtbare Überwachung soll Raser abschrecken
An einem Kreisel zwischen zwei Hügeln bei St. Leon Rot haben sich zwei Polizisten mit einem Handlasergerät positioniert. Ein Polizist zielt mit dem Handlasergerät, das auf einem Stativ montiert ist, durch das schwarze Rohr. Der Abzug klickt, und die Geschwindigkeit des Fahrzeugs wird in Bruchteilen von Sekunden erfasst. „Der Vorteil: Auch wenn wir hier gut sichtbar sind, haben wir sie längst im Visier, bis sie uns sehen. Das Gerät kann auf eine Distanz bis zu 600 Metern messen“, sagt der Polizist.
Aber nicht alle Polizisten lauern den Temposündern heute mit Blitzern auf. Zwei Polizisten sind heute mit einem unauffälligen Auto unterwegs, dessen Innenleben es in sich hat. Dort sind zwei Kameras montiert, die andere Fahrzeuge filmen können. Die weitere Ausstattung berechnet dann die Geschwindigkeit. Diese Technik setzt die Polizei auf Bundesstraßen und Autobahnen ein. „Die Verkehrsteilnehmer sollen das Gefühl bekommen, dass sie überall gemessen werden können, auch wenn kein Blitzer zu sehen ist. Und dann in Zukunft langsamer fahren“, sagt Schütz.
Generell bewegten sich die Übertretungen in einem Bereich zwischen zehn und 20 Kilometern pro Stunde. Nicht so am Montag: „Da ist einer mit 90 durch die Römerstraße in Heidelberg gerast.“ Das sei zwar eine Ausnahme, aber hochgefährlich. „Ein Überschreiten von nur 10 km/h kann innerorts schon den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen“, warnt Schütz.
„Stellen Sie sich vor, da kommt ein Fußgänger oder Radfahrer. Ein zu schneller Fahrer hat keine Zeit mehr zu bremsen.“ Klump betont, dass es nicht der Sinn der Speedwoche sei, dass Fahrer nur diese Woche aus Angst vor Blitzern langsamer fahren. „Wir wollen die Verkehrssicherheit langfristig stärken und das Bewusstsein der Gefahr, die von zu schnellem Fahren ausgeht, bei den Verkehrsteilnehmern stärken.“
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