Klimawandel

So will die Ketsch eine fremde Ameisen-Kolonie loswerden

Von 
Stephan Alfter
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Ein Budget von 30 000 Euro steht für die Bekämpfung der eingeschleppten Ameisengattung rund um den Ketscher Friedhof zur Verfügung. © Stephan Alfter

So richtig weiß man in Ketsch derzeit nicht, ob man weinen oder lachen soll: Wenn eine wahrscheinlich aus Nordafrika eingewanderte Ameisenkolonie ein Pressegespräch mit zwei erfahrenen Biologen und dem Bürgermeister notwendig macht, dann kann man von einer gewissen Tragik ausgehen. Andererseits entbehrt es nicht einer gewissen Komik, wenn die letzte Patrone gegen eine weitere Ausbreitung der invasiven Art „Tapinoma Magnum“ nun salopp gesprochen eine heiße Badewanne ist - wenngleich die Experten freilich von der Heißwasser-Schaum-Methode berichten.

Seit 2019 kennt man das Problem rund um den Friedhof der Enderle-Gemeinde. „Sie sind gekommen, um zu bleiben“, sagte Dominik Stang einigermaßen besorgt am Dienstag in seiner Funktion als Umweltbeauftragter über „Tapinoma Magnum“ und drückt damit das ganze Dilemma aus. Auf den Ketscher Friedhof könnte eine kleine Kolonie als blinder Passagier per Pflanzen aus dem südeuropäischen Raum eingewandert sein, mutmaßt nicht zuletzt Björn Kleinlogel (kleines Bild). Der Klimawandel tut sein Übriges. Denn: Die Gattung fühlt sich in der Rheinebene sichtbar wohl. Wenn dann noch Pflastersteine, Marmorumrandungen von Gräbern oder Schottergärten, also schlicht Flächen mit wenig Vegetation hinzukommen, machen sich die stets fleißigen Tierchen daran, den Boden zu untergraben - was beispielsweise zum Absacken von Fußwegen führen kann. Die Hoffnungen der Menschen, die rund um den Friedhof in Ketsch wohnen, ruhen nun zunächst auf Kleinlogel. Er ist studierter Biologe und betreibt seit 25 Jahren in Darmstadt ein Unternehmen für Schädlingsbekämpfung. Aber wenn selbst er ausdrückt, eine solche Superkolonie noch nie in seinem Leben gesehen zu haben, dann schwindet die Euphorie so schnell, wie sie entstanden ist.

Mitte Juni erste Einsatz

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Seine Aktion scheint dennoch generalstabsmäßig geplant: Mitte Juni soll die Leidenszeit der Ameisen nach Kleinlogels Vorstellungen beginnen. Große Mengen heißes Wasser, die mit biologischen Tensiden versetzt sind, sollen dann einen weitflächigen Schaumteppich entstehen lassen. Schaum deshalb, da die Bläschen einerseits die Hitze länger speichern und andererseits die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzen. Was wiederum dazu dienen soll, dass die Flüssigkeit tief in die Ritzen zwischen den Pflastersteinen und Schotterflächen vordringt, wo idealerweise die Ameisenköniginnen zugrunde gehen.

So wirklich erprobt ist die Methode jedoch nicht. Sie wird beispielsweise einigermaßen erfolgreich bei der Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners angewendet, aber messbare Beweise bei der Ameisenbekämpfung gibt es bisher nicht. Technisch ist es darüber hinaus nicht ganz einfach, solche großen Mengen kochend heißes Wasser gleichermaßen zu produzieren und zu verteilen.

Ausgeschlossen hat Kleinlogel inzwischen den Einsatz von Permethrin, ein Insektizid, das sichtbare Folgen für die Böden hätte. Galt Backpulver früher mal als Hausmittel gegen Ameisen, so verweisen Experten dies inzwischen ins Reich der Fabel. Bei der Heißwasser-Schaum-Methode geht man von einer ökologisch absolut risikolosen Maßnahme aus. Das sieht auch Martin Felke vom Institut für Schädlingskunde im hessischen Reinheim so. Er gab am Dienstag eindeutig zu verstehen, was geschehen würde, würde man keine Maßnahmen ergreifen. „Dann hätte sich die Ameise in zwei bis drei Jahren im ganzen Ort verbreitet“, prognostiziert er.

Entsprechend besorgt sind die Friedhofsanlieger schon jetzt. 60 von ihnen hätten sich auf Befragungen zurückgemeldet, so Dominik Stang. Die Dunkelziffer Betroffener liegt wohl höher. Für Bürgermeister Jürgen Kappenstein ist die Bekämpfung der Ameisen der letzte große Job. Er tritt am 30. Juni ab. Die bange Frage ist: Gehen die Ameisen mit ihm?

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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