Reaktionen auf US-Wahl

So bewerten Persönlichkeiten aus Mannheim und Region die US-Wahl

Der Ausgang der US-Präsidentenwahl mit dem Sieger Donald Trump lässt Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft in der Rhein-Neckar-Region und ganz Baden-Württemberg besorgt zurück

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US-Wahlen 2024 - Donald Trump küsst Melania Trump bei einer Wahlparty. © Alex Brandon

Mannheim. Donald Trump hat die Präsidentenwahl in den USA mit hoher Wahrscheinlichkeit gewonnen. So reagieren Persönlichkeiten aus Mannheim und Rhein-Neckar-Region auf den Wahlausgang:

Manfred Schnabel, Präsident IHK-Rhein-Neckar: Nach diesem Wahlausgang kommt es jetzt sehr auf die Politik in Berlin und Brüssel an, mit der neuen US-Regierung rasch in eine tragfähige und belastbare Arbeitsbeziehung zu kommen. Denn auf die Handelspolitiker beiderseits des Atlantiks warten große Herausforderungen. Mit Donald Trump müssen sich die Unternehmen auf steigende Zölle einrichten, auch weil Trump diese gerne als Druckmittel verwendet. 

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Die EU-Handelspolitik muss darauf eine angemessene Antwort finden, in zweierlei Hinsicht: Zum einen kurzfristig als direkte Reaktion, zum anderen langfristig mit dem Angebot eines Freihandelsabkommens, auch wenn dies Stand heute sehr unrealistisch erscheint.

Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar. © IHK Rhein-Neckar

Herausforderung für uns dürfte auch werden, dass Trump multilaterale Abkommen in Frage stellt. Das hat zwei Konsequenzen: Als EU müssen wir uns so aufstellen, dass wir mit den USA bilaterale Abkommen schließen können, im Sinne von Trump als „Deal“. Gleichzeitig haben wir weiterhin ein starkes Interesse am regelbasierten Welthandel und sollten dieses Interesse robust vertreten und auch international entsprechende Verantwortung übernehmen.

Timothy Sharp (deutsch-amerikanischer Bariton), Professor an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Mannheim: Meine Ernüchterung ist groß. Das Erschreckendste am Wahlkampf war für mich, wie alternativ die Fakten in den Medien für die gespaltene US-Gesellschaft dargestellt werden.

Timothy Sharp, Professor für Gesang an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Mannheim. © Privat

Anders lässt sich nicht erklären, dass ein bekanntermaßen zwielichtiger Charakter erneut in eins der einflussreichsten Ämter der Welt gewählt werden konnte. Buckle up your seat belts. 

Achim Wambach, ZEW-Präsident: Europa profitiert von offenen Märkten. Trump dagegen will höhere Zölle einführen und in den USA die Steuern für Unternehmen senken. Das verschärft Europas Wirtschaftsprobleme, da sich europäische Unternehmen noch stärker genötigt sehen, in den USA zu produzieren, statt fertige Produkte dorthin zu liefern. Deutschland und die EU müssen ihren Wirtschaftsstandort dringend stärken. Nur ein dynamischer Binnenmarkt ist ein Garant dafür, nicht zwischen den Wirtschaftsblöcken USA und China zerrieben zu werden.

Europa profitiert vom militärischen Schutzschirm der USA. Unter Donald Trump ist davon auszugehen, dass die NATO-Staaten zu mehr Eigenverantwortung gedrängt werden. Europa sollte das in einer gemeinsamen Anstrengung tun. Die Kleinstaaterei in der Verteidigungspolitik wird den geopolitischen Herausforderungen nicht gerecht.

Achim Wambach, Präsident des ZEW Mannheim. © ZEW

Europa hat dem Pariser Klimaabkommen zugestimmt und betreibt eine ambitionierte Klimapolitik. Mit Donald Trump ist ein Klimaskeptiker Präsident geworden. Inwiefern er die Anstrengungen der USA zur weiteren Reduktion klimaschädlicher Emissionen ausbremsen wird, bleibt abzuwarten, da er dabei auf den Kongress und den Senat angewiesen ist.

Die Akzeptanz der Klimapolitik in Europa ist aber bedroht, wenn sich abzeichnen sollte, dass die eigenen Anstrengungen mit Arbeitsplatzverlusten einhergehen. Besonders, wenn gleichzeitig die Wirtschaft in den USA weiter stark wächst und Emissionen dort nicht oder nur geringfügig sinken. Die EU und Deutschland müssen darauf achten, ihre Klimaanstrengungen so effizient und günstig wie möglich durchzuführen, grünes Wachstum anzuregen und dabei soziale Verwerfungen zu vermeiden.

Judà Faigen, Mannheimer Austauschstudent in Montréal: Mit Bidens Rücktritt flatterten täglich Hunderte Spendenaufrufe von Kamala, Tim, Doug, Gwen, Joe und Barack in mein Postfach. Doch meine anfängliche Euphorie verwandelte sich nach dem versuchten und einem mutmaßlichen Attentat auf den Ex-Präsidenten sowie der Debatte zwischen JD Vance und Tim Walz allmählich in ein Gefühl von „nauseous optimism.“

Der Mannheimer Student Judà Faigen. © Privat

Nun haben die Wahlmänner das Ergebnis der Wahl entschieden: Die Wähler*innen hatten sich zuvor ihrer Partei entsprechend eingegliedert und überwältigend für Misstrauen und Hass ihre Stimme abgegeben.

Während ich das Ergebnis verdaue, schwindet mein Optimismus für eine vereinigende Wende, die auch eine Wahlreform umfassen müsste. Stattdessen sehe ich einer Fortsetzung eines albernen Albtraums entgegen, der sich zunehmend zur düsteren Realität eines heraufziehenden Faschismus entwickelt. Ein Funken Hoffnung bleibt: dass allen Amerikaner*innen das Essen von Hunden und Katzen auch künftig erspart bleibt.

Sebastian Harnisch, Politikwissenschaftler Uni Heidelberg: Nach einer für die US-Bürger traumatischen Pandemie- und Inflationserfahrung der letzten Jahre blicken 70 Prozent der US-Bevölkerung Meinungsumfragen zufolge pessimistisch in die Zukunft. Diese Frustration hat ganz offenbar den Wahlkampf gleichermaßen belebt und polarisiert, sodass eine hohe Wahlbeteiligung zunächst auf zwei ältere Kandidaten traf, den amtierenden Präsidenten Joe Biden und langjährigen Herausforderer Donald Trump.

Der kurzfristige Kandidateninnenwechsel zu Kamala Harris konnte zwar ein früheres Ende des Wahlkampfes zugunsten Trumps verhindern, aber die amtierende Vizepräsidentin hatte dann offenbar große Schwierigkeiten sich stark von dem unbeliebten Präsidenten Biden zu distanzieren, und sich gleichzeitig im Kulturkampf gegen das offen frauenfeindlich und rassistisch auftretende Team von Donald Trump und J.D. Vance durchzusetzen.

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Erste Analysen deuten an, dass Harris besonders junge Wählerinnen und Wähler und männliche „People of Colour“, insbesondere Hispanics, nicht hinreichend auf ihre Seite bringen konnte, um die entscheidenden Swing-States zu gewinnen.

Die republikanischen Gewinne im Senat und Repräsentantenhaus machen vielmehr deutlich: das war kein Zufallssieg. Es könnte sogar ein „Landslide“ werden. Das Team Trump 2.0, das sich strategisch auf die Übernahme der Regierungsgewalt in allen Politikfeldern sowie die „Säuberung der Bundesbürokratie“ von illoyalen Beamten vorbereitet hat, würde die Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus, verbunden mit der Präsidentschaft sicher dazu nutzen, durchzuregieren.

Der Heidelberger Politikwissenschaftler Sebastian Harnisch. © Uni Heidelberg

Das (wahrscheinliche) US-Wahlergebnis wird Europa, und Deutschland insbesondere, hart treffen, härter als die erste Wahl Trumps. Die Ukraine ist derzeit direkt auf die militärische Unterstützung der USA angewiesen, um ihren Erhalt zu sichern. Auch die Sicherheit und Wohlfahrt der Bundesrepublik ist auf freien Handel mit und die Sicherheitszusagen von den USA gegründet. Beides wird durch die Wahl Trumps in Frage gestellt.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union, z. B. bei der militärischen Unterstützung der Ukraine, durch die Wahl Trumps und dessen Zusammenarbeit mit illiberalen Regimen in der EU, derzeit in Ungarn und Slowakei, auf eine harte Probe gestellt werden wird. Einen Vorgeschmack auf diese „neuen transatlantischen Beziehungen“ könnte schon der informelle EU-Gipfel in Budapest morgen bieten.

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Gravierend ist diese US-Wahl, weil zentrale Staaten der EU, Deutschland und Frankreich, derzeit nicht gut aufgestellt sind, mit einer auf Stärke und Dominanz ausgerichteten Verhandlungsführung einer zweiten Trump-Administration umzugehen. Unverzeihlich wird aus Sicht vieler Europäer und Deutschen sein, dass das Trump-Team ohne Bedenken jede reale oder wahrgenommene Schwäche ausnutzen, um daraus einen eigenen Vorteil zu erlangen. Ein „Zeitalter transatlantischer Nötigung und Zumutungen“ steht bevor.

Jakob Köllhofer, Programmdirektor Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) Heidelberg: So sieht es aus: Trump gewinnt die meisten Stimmen. Harris war nicht so gut wie Biden 2020 und Trump war besser als 2020. Immerhin, wir hören Trump von „Heilung“ reden, die er seinem Volk verspricht. Sein Triumph schließt auch den Kongress ein.

Jakob Köllhofer, Direktor des Deutsch-Amerikanische Instituts (DAI) in Heidelberg. © Philipp Rothe

Der Senat wird wieder von Republikanern kontrolliert. Trump wird mit seinem Sieg einer großen Versuchung ausgesetzt sein, seine Macht zu überdehnen. Wenn er ins Weiße Haus einzieht, wird er mit einer riesigen Mannschaft einziehen. Die wichtigsten 15.000 Stellen werden am ersten Tag ihre Stellen besetzen, sorgfältig ausgewählt, gut vorbereitet, entschlossen, die Ziele des Oberbefehlshabers zu verfolgen. Werden die Checks and Balances die amerikanische Demokratie schützen? Wie werden die internationalen Beziehungen sich wandeln? Wird Europa, wird Deutschland diesen Weckruf nüchtern aufgreifen?

Uwe Wenzel, Mark-Twain-Center: Die gesellschaftliche Spaltung in den USA wird sich in Zukunft noch verschärfen. Eine grundlegende Gefahr für die amerikanische Demokratie sehe ich aber nicht. Wir in Europa müssen uns auf sehr viel Unberechenbarkeit in der internationalen Politik einstellen.

Uwe Wenzel, Leiter des Mark Twain Centers. © Philipp Rothe

Elizabeth Reister, Amerikanerin, lebt seit 2016 in Heidelberg: Ich habe die Wahlnacht bis 2 Uhr im DAI verfolgt. Und, ehrlich gesagt, bin ich – anders als 2016 – nicht wirklich überrascht vom Wahlausgang. Ich komme aus der Nähe von Chicago und aus meinem Umfeld dort weiß ich von einigen, die aus unterschiedlichen Gründen diesmal Republikaner wählten. Ich selbst habe Kamala Harris gewählt.

Elizabeth Reister, Amerikanerin, die seit 2016 in Heidelberg lebt. © Privat

Doch ich glaube, die Demokratin hatte zu wenig Zeit für ihre Kampagne. Es war für die Demokraten aber sehr gut, dass sie sie und nicht Joe Biden ins Rennen geschickt haben. Nun steht ein großes Fragezeichen hinter dem, was Donald Trump aus seinem Wahlsieg macht, zumal er nun auch den Senat hinter sich hat und damit den Kongress. Da fehlt möglicherweise das kontrollierende Gegengewicht.

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