Soziales

Rhein-Neckar: Tampons in Schulen gratis aus dem Automaten?

Von 
Stephan Alfter
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Genauso wichtig wie Klopapier: Tampons dienen der Hygiene und kosten manchen Schülerinnen zu viel Geld. © dpa

Rhein-Neckar. Was tun, wenn die Regelblutung überraschend während des Unterrichts einsetzt und Tampons oder Binden daheim liegen? Die Frage ist wahrscheinlich so alt wie die Schulpflicht, aber sie wird nun etwas öfter diskutiert unter Schülerinnen, unter Schulleitern – und in der Politik.

Als die Integrierte Gesamtschule in Landau vor einigen Tagen Tampon- und Bindenspender für die Damentoiletten besorgte, hat die örtliche Lokalzeitung darüber berichtet. Und nachdem dieser Text dann auch in den sozialen Netzwerken veröffentlicht wurde, konnte jeder nachvollziehen, wie vor allem einige dort kommentierende Männer die weibliche Periode sehen – als Krankheit. Einer schrieb: „Brauchen wir jetzt für Personen, die regelmäßig Medikamente brauchen, auch überall Pillenspender?“ Ein anderer war sich offenbar sicher, dass es sich bei Tampons oder Binden um Verhütungsmittel handelte und trug zur Diskussion den Satz bei: „Bei den Jungs hängen ja auch keine Kondomautomaten.“ Selbst Frauen äußerten kritisch: „Zu meiner Zeit gab es dieses Problem auch schon. Da hat man im Notfall die Banknachbarin oder die beste Freundin gefragt. Hat bestens geklappt.“

Diskussion um Hygiene-Artikel

In Schottland hat das Parlament 2020 entschieden, dass Hygiene-Artikel wie Tampons und Binden kostenlos in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung stehen müssen.

In Potsdam haben in dieser Woche vier Fraktionen im Stadtrat einen Antrag auf kostenlose Hygieneprodukte in mindestens 25 öffentlichen Gebäuden gestellt.

In Deutschland hatte der Bundesrat zunächst im Jahr 2019 zugestimmt, die Mehrwertsteuer auf diese Hygiene-Artikel von 19 auf sieben Prozent zu reduzieren.

Durchschnittlich hat jede Frau sechseinhalb Jahre ihres Lebens Periodenblutungen. 

Verschämte Blicke im Sekretariat

Fest steht, dass Landau in der Region zu den Vorreitern gehört, was das Aufhängen solcher Spender anbelangt. Jedenfalls kam eine nicht repräsentative Umfrage dieser Redaktion bei Schulen in der Metropolregion zu dem Ergebnis, dass das Thema zwar irgendwie mal angekommen ist, aber die Praxis in diesen Tagen dieselbe ist wie seit Jahrzehnten: Schülerinnen, die plötzlich ihre „Tage“ bekommen, haben die Möglichkeit, auf einen Hygiene-Vorrat in den entsprechenden Sekretariaten zurückzugreifen. So ist das bei der Humboldt-Werkrealschule in Mannheim, so ist das auf der Elsabeth-von-Thadden-Schule in Heidelberg und so ist das auch beim Hebel-Gymnasium in Schwetzingen.

Dort sagt Schulleiter Stefan Ade: „Das Thema hat bei uns bisher keine nennenswerte Rolle gespielt. Wir erwägen auch nicht die Aufstellung eines Spenders. Selbstverständlich wird Mädchen, die sich in einer unangenehmen Lage befinden, im Sekretariat individuell geholfen.“

Harald Leber, Geschäftsführender Schulleiter an der Mannheimer Humbold-Werkrealschule, kennt die Vorgänge aus der Praxis. Schülerinnen kommen ins Sekretariat und blicken etwas verschämt in Richtung des Vorratsschrankes. Das sei der Moment, in dem er das Zimmer verlasse und die Sekretärin sich kümmere. Leber ist aber durchaus aufgefallen, dass es unter seinen Schülerinnen einige gibt, die sich diese Hygieneprodukte von Haus aus nicht leisten können und sich quasi ausschließlich in der Schule versorgen lassen. Auch diese Diskussion keimt inzwischen öfter auf. Das hänge mit der Sozialstruktur in der Schülerschaft zusammen. Sollten diese Hygieneprodukte für Frauen grundsätzlich kostenlos sein? 2019 senkte der Bundestag die Mehrwertsteuer.

Ohne verschämte Blicke geht es jetzt in Landau, wo der Förderverein der Schule die Kosten für den Tampon- und Bindenspender übernommen hat. Weil in Rheinland-Pfalz Herbstferien sind, weilt der Schulleiter im Urlaub, aber er ist nicht der Einzige, der dem Thema offen gegenübersteht. Oliver Hornickel, Schulleiter an der Karolina-Burger-Realschule in Ludwigshafen, hat bisher keinen Spender, sagt aber: „Ich persönlich bin der Meinung, dass ein solcher Spender eine sehr gute Möglichkeit für die betroffenen Mädchen darstellt, sich niedrigschwellig und anonym zu versorgen.“ Er werde das Thema in die Schulgemeinschaft hineintragen.

Landesregierung prüft neue Wege

Auf höherer Ebene hat die Frage auch die rheinland-pfälzische Landespolitik erreicht. In den zuständigen Ressorts der Landesregierung prüfe man aktuell die Möglichkeit, kostenlos Hygiene-Artikeln für Frauen zur Verfügung zu stellen. Es sei aber noch zu früh, dazu eine abschließende Bewertung geben zu können, so ein Sprecher im Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit. Norbert Brugger ist Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg. Da die Städte und Landkreise oft Träger von Schulen sind, weiß er, dass das Thema in diesen Tagen öfter diskutiert wird. In Heidelberg und Karlsruhe gebe es etwa Anträge aus der Politik, solche Gratis-Tamponspender aufzustellen. Schulleiter Harald Leber sieht allerdings ein kleines Problem in der erwartbaren Zerstörung solcher Automaten. Da seien die Jugendlichen oft kreativ.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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