Fürth im Odenwald. Zwischen den bewaldeten Hügeln ragt ein Baustellenschild wie die Hand eines Riesen empor und hinter rot-weißem Absperrband wartet das Bahnbetriebswerk auf seinen Anschluss an das unterfränkische Schienennetz. „Wenn unsere neue Anlage fertig ist, haben wir mehr als 2000 Meter Gleis und etwa 500 Weichen verbaut“, erzählt Michael Schuhmacher. Vorsichtig öffnet der Besitzer der Modellbahnwelt Odenwald eine kleine braune Tür, die in die verborgene Welt unter den faszinierenden Miniaturlandschaften führt. „Hier entsteht einer der größten begehbaren Schattenbahnhöfe in HO“, verrät er stolz. Sein neuer Schatz sei Anfang Oktober mit sechs Sattelzügen, und auf zwölf Wechselbrücken verteilt, im Odenwald angekommen. In den kommenden Monaten soll die 2300 Quadratmeter große Anlage aufgebaut werden. „Die ersten Testzüge rollen aber schon“, sagt Schuhmacher.
Im Inneren der Hügellandschaft, die auf einem Holzgerippe ruht, sind neben dem schmalen Gang auf jeder Seite vier Ebenen eingezogen. Rund 200 Mini-Züge haben hier unten Platz. Über ein komplexes System aus Rampen und Schleifen rollen die Bahnen abwechselnd nach oben, so dass die Besucher ständig neue Modelle bestaunen können. „Da kommt der Weihnachtszug wieder“, rufen Finn und Iacob und ziehen ihre Großväter Airas Francisco und Rolf Gilgen zur Deutschland-Anlage, wo ein liebevoll gestalteter Express mit leuchtenden Schneeflocken, blauen Sternen und dem Nikolaus auf dem Führerstand vorbeisaust.
Blinkende Punkte am Steuerpult
Gebaut hat das Kleinod Jan Uhl. Drei Jahre lang hat der 30-jährige Mitarbeiter an dem Unikat gearbeitet. Er ist für die Dreileitertechnik zuständig und damit Herr über alle Verbindungen an der Deutschland-Anlage. An seinem Arbeitsplatz blinkt es unablässig auf zwei großen Computerbildschirmen, das Wirrwarr der Linien und Punkte ist für den Laien völlig rätselhaft. Uhl hingegen weiß genau, was die zeitweise heftig blinkenden Punkte am Steuerpult bedeuten. „Manchmal setzt eine Weiche aus, dann müssen wir sofort mit Lötkolben und Werkzeug ausrücken und die Bahn schnell wieder aufs rechte Gleis setzen“, erklärt er. „Erst heute Morgen gab es einen Kurzschluss in der Einfahrtsweiche der Hauptbahn, das war die ungünstigste Stelle“, fügt Schuhmacher hinzu, der immer einen Schraubenzieher und Sekundenkleber in der Tasche hat. „Ich hasse krumme Laternen und umgeknickte Bäume, das kann ich nicht sehen.“ Mittlerweile arbeiten außer ihm und seinem Bruder Kai zehn Angestellte im Modellbahnwelt-Team.
Spaß an Details haben alle, so fällt beim aufmerksamen Rundgang auf, dass sich neben den Gleisen häufig kleine Dramen abspielen: ein gestürzter Radfahrer, entlaufene Tiere oder ein Feuerwehreinsatz – in den detailreichen Miniaturlandschaften ist immer etwas los.
Reise in die 1960er Jahre
Besonders stolz ist Schuhmacher auf sein „Industriedenkmal“ im Maßstab 1:87. Hier dürfen Besucher eine Zeitreise in den Kohlenpott der 60er-Jahre unternehmen. Zwischen den qualmenden Schloten der Hüttenwerke Oberhausen sausen rund 300 Züge hindurch und an der Zeche Zollverein in Essen vorbei, wo die Arbeiter für die 40-Stunden-Woche streiken, während in der Villa Hügel noch Licht brennt und die Bundesbahn in Bochum das „moderne Stellwerk Dahlhausen“ baut. „Wo einst die Hüttenwerke waren, steht heute das größte Einkaufszentrum Europas“, sagt der Modellbahnwelt-Chef. Ein Hingucker sei der Rheingold-Express, „das war damals der Star der Schiene“. Besonders toll sieht die 130 Meter lange, nachgebildete Kohlen- und Erzbunker-Welt im Dunkeln aus. „Bei uns in der Halle wird es alle 20 Minuten für zwei Minuten Nacht, damit die beleuchteten Landschaften wirken können.“
Der achtjährigen Vivienne Dieter und ihrem Bruder Chawin gefällt das große Deutschland-Panorama „Von der Nordsee zu den Alpen“ besonders gut. Aber auch die amerikanischen Dampflokomotiven am Sherman Hill und der Jahrmarkt am Eingang, in dem 35 000 LEDs leuchten, sind für die Geschwister ein Höhepunkt. „Hier gibt es unglaublich viel zu sehen“, sagen Andrea und Alex Stemmle.
„Das Betriebswerk stammt aus unserer allerersten Eisenbahn“, sagt Schuhmacher und deutet liebevoll auf ein Herzstück der neuen Anlage. Bald soll sie mit der beleuchteten Burgenlandschaft, Schloss Lichtenstein und der Tropfsteinhöhle Eberstadt die Blicke auf sich ziehen.
Öffnungszeiten
- Die Modellbahnwelt Odenwald (Krumbacher Straße 37) liegt in Fürth. Sie ist ganzjährig von Donnerstag bis Sonntag, jeweils von 11 bis 18 Uhr geöffnet – in den Ferien täglich.
- Mit 2300 Quadratmetern gilt sie als die größte HO-Schauanlage in Mittel- und Süddeutschland. Auf 11 500 Metern Gleis und mithilfe von 1650 Weichen rollen mehr als 400 Züge durch Miniaturlandschaften.
- Infos unter www.modellbahnwelt-odenwald.de
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