Römerberg/Speyer. Ihr Fahrzeug haben Daniel Schoch und Joel Lehmann erstanden, indem sie dem vorherigen Besitzer eine Badewanne und ein paar Dachziegel überließen. Nun soll dieser giftgrüne Renault 4 eine Tortur von 5000 Kilometern durch das Baltikum überstehen. Schon jetzt ist allen Beteiligten beim Blick auf die Ausgangssituation klar: Im August schreiben sich Geschichten von selbst, die eines Tages wenigstens kleine Stoffe für lokale Helden-Erzählungen sein werden.
Eine gebrauchte Badewanne und Dachziegel als Gegenleistung
Die interessanteste Episode bisher heißt mit Sicherheit - Autokauf. Es ist schon einige Jahre her, dass der heute in Römerberg bei Speyer lebende Daniel Schoch über einen längeren Zeitraum in Portugal zu Hause war und Ausschau nach einem R4 hielt, der in dem wilden, etwas abgeschiedenen Landstrich der iberischen Halbinsel als „Jeep des kleinen Mannes“ galt. Und weil der 45-Jährige, den alle nur Ingär nennen, sich als solcher fühlte, ging er zu einem Typen, der diesen Jeep besaß.
Aber: Vor der Abgabe habe dieser erstmal einen Joint rauchen wollen, erinnert sich Schoch. Anschließend habe der Mann überlegt, was er als Gegenleistung wolle - und sei bei einer gebrauchten Badewanne und ein paar Dachziegeln gelandet, weil es in seine Küche geregnet habe.
Halsbrecherische Schotterpisten warten auf die Rallye-Teilnehmer
Nun ist Schoch schon einige Jahre zurück in der Pfalz, aber der R4 stand immer noch immer an seinem früheren Wohnort in Portugal. Im Sommer 2022 fuhr er das Ding mit der sogenannten Pistolenschaltung, das auf der Straße so einzigartig schwimmt, schließlich 2500 Kilometer nach Deutschland.
Zwischen 4. und 10. August 2024 warten nun die halsbrecherischen Schotterpisten und Feldwege des Baltikums auf das Duo, zu dem nicht umsonst der 27-jährige Joel Lehmann gehört. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Mannheim am Forschungs- und Transferzentrum CeMOS ist er ein echter Schrauber. „Pothole Rodeo - Baltic Edition“ heißt das Abenteuer offiziell. 370 Euro Startgebühr zahlen die beiden jeweils und sind nun Teil einer der größten Low-Budget-Rallyes in Europa. Mit einer 34-PS-Rostlaube und nicht mit einem Rennwagen brettern sie durch vier Länder und legen dabei vermutlich mehr als 5000 Kilometer zurück. „Zur Anmeldung mussten wir eine von drei Start-Klassen auswählen“, sagt Daniel Schoch, der sich auch im richtigen Leben vom bürgerlichen Mainstream deutlich abhebt.
Er braut sein eigenes Bier. Als Angler zieht er seinen Fisch selbst aus dem Wasser. Als Jäger schießt er sein eigenes Fleisch. Selbst seinen Honig macht er selbst. Die Eier kommen aus dem eigenen Hühnerstall und die Möbel zum Teil aus der eigenen Schreinerwerkstatt. Schoch ist ein Multitalent. Ob er zum Rallye-Fahrer taugt, muss sich nun zeigen. „Wir fahren in der „50-PS-Klasse“, sagt er. Es sei auch die „500-Euro-Klasse“ möglich gewesen, weil das Fahrzeug ja nur den Tauschhandel kostete. „Lediglich die „500 000-Kilometer-Klasse“ entfällt für uns“, stellt er fest. Der Zähler am Tacho habe bei rund 280 000 Kilometern den Geist aufgegeben.
40 Jahre alter R4 soll mehr als 5000 Kilometer überstehen
Ihren Start nimmt die Tour für das Team mit der vielsagenden Nummer 112 in Polen. Anschließend geht es durch Litauen, Lettland und Estland. Alleine die Anfahrt bedeutet schon 1300 Kilometer. Auf der Rallye selbst sind die Tagesrouten frei wählbar. Nach Maßgabe des Veranstalters sollten aber überwiegend Nebenstrecken, Feldwege und Ähnliches genutzt werden.
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Damit, so auch die leicht sarkastische Sicht der beiden Teilnehmer aus Römerberg, begebe man sich auf die Suche nach den größten Schlaglöchern Europas - das alles mit einem Auto, das fast 40 Jahre auf der Uhr hat. „Wille und Rost hält uns zusammen“, schwören Schoch und Lehmann. Tage mit wenig Schlaf und vielen unvorhersehbaren Herausforderungen erwarten das Duo aus der Pfalz. „Wohin uns die nächste Etappe führt, erfahren wir erst vor Ort. An den Checkpoints erhalten wir jeweils eine Tagesaufgabe“, zitiert Schoch aus dem Ablaufkatalog des Veranstalters. Und der sieht spezielle Dinge vor: Da soll man sein Auto etwa von einem Pferd abschleppen lassen, eine Kuh küssen oder mit Einheimischen Hochzeit feiern. So erlebe man Land und Leute abseits des Massentourismus, verspricht das Unternehmen. Es gehe nicht um Geschwindigkeit, sondern um Gemeinschaft und um ein Gefühl von Freiheit. Das ist es wohl, was insbesondere Männer zwischen 25 und 50 begeistert.
Teilnehmern geht’s um Abenteuer, Freiheit und Community
Und bei alledem geht es auch noch um eine gute Sache. „Pothole Rodeo - Baltic Edition“ unterstützt mit seinen Teilnehmern durch Spenden und Sponsoring das Projekt „Kind sein dürfen 2024“. Die Aktion finanziert den Unterhalt einer Kita in Fushe-Arrez in Albanien mit, in der zurückgelassene Kinder betreut werden. Die Region war einst vom Bergbau geprägt. Heute gebe es dort nur noch wenige Arbeitsplätze. Viele Erwachsene müssten das Dorf verlassen, um Geld zu verdienen, während die Kinder zurückbleiben und oft unter den Folgen von Armut leiden, beschreiben die Veranstalter. Schoch und Lehmann sammeln gerne Spenden, werden aber auch selbst etwa 3000 Euro brauchen, schätzen sie. Wer sie unterstützen will, kann Schoch unter 0151/11 00 62 02 anrufen.
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