Rhein-Neckar. Es beginnt meist mit ein bis zwei rabenschwarzen Krähen am Morgen, die ein frisch ausgesätes Feld anfliegen. Sobald sie sicher sind, dass viel Nahrung vorhanden ist, kommen weitere der schwarzen Vögel, lassen sich nieder und holen das Saatgut aus der Erde. „Bis zum Abend sind das dann schon 50 Saatkrähen. Und am nächsten Morgen sind sie nicht mehr zählbar“, sagt Johannes Zehfuß, Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd. Die Schäden seien enorm. „In der Südpfalz gab es dokumentierte Fälle von bis zu 50.000 Euro Schaden.“
Warum der Abschuss geschützter Krähen verboten ist
Die Saatkrähe steht unter Naturschutz. Ein Abschuss ist daher nur in Ausnahmefällen erlaubt – etwa, um massive wirtschaftliche Schäden auf Äckern zu verhindern. Laut Zehfuß ist das keine Seltenheit: In den vergangenen Jahren seien die Verluste durch Krähen vielerorts massiv gewesen. Der Bestand der einst gefährdeten Art hat sich zudem so gut erholt, dass die Saatkrähe heute laut Roter Liste als ungefährdet gilt.
Allgemeinverfügung erlaubt Abschuss – aber reicht das?
Darauf hat die Obere Naturschutzbehörde, die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (SGD Süd), vor kurzem reagiert. In Teilen Rheinhessens hat sie eine Allgemeinverfügung erlassen, die den sogenannten Vergrämungsabschuss von Saatkrähen erlaubt. Das bedeutet, bei einem Einfall auf einer landwirtschaftlichen Fläche darf ein Jäger maximal zwei Vögel abschießen, um den Schwarm zu vertreiben.
„Sanfte Methoden wie Vogelscheuchen oder Beschallung helfen bei diesen intelligenten Tieren kaum“, sagt Zehfuß. Nur gezielte Abschüsse einzelner Tiere zeigten Wirkung: „Nach einem Abschuss bleiben die Krähen mindestens acht Tage fern. Bis dahin ist die Kultur stabil genug, um keinen großen Schaden mehr zu nehmen.“ Zehfuß hält die Allgemeinverfügungen für einen Schritt in die richtige Richtung, sie geht ihm aber nicht weit genug. Denn: „Die Abschüsse sollen die Landwirte einen Tag vorher anzeigen. In der Zeit bis zur Genehmigung ist der größte Schaden bereits angerichtet.“
Landwirte fordern flexibleren Abschuss
Er fordert: „Der gezielte Abschuss muss kurzfristig möglich sein. Wir wollen nicht die Bestände dezimieren, wir wollen schnell handlungsfähig sein.“ Es sei auch nicht ausreichend, die Erlaubnis auf einzelne Gebiete zu beschränken, sondern er fordert eine generelle Erlaubnis des Abschusses zur Vergrämung. Das Land Rheinland-Pfalz habe zwar ein Portal eingerichtet, auf dem Landwirte Schäden anzeigen könnten, aber „da viele Jahre nichts passiert ist, melden viele Betroffene ihre Schäden nicht mehr“. Dadurch entstehe ein verzerrtes Bild der betroffenen Gebiete.
Auch Jäger Klaus Walter von der Kreisjagdgruppe Südliche Weinstraße fordert flexiblere Regelungen. „Genehmigungen sollten für ganze Flächen und Zeiträume gelten – unabhängig von der angebauten Kultur“, sagt er. Oft verlagere sich der Schwarm nur um wenige Hundert Meter – dort dürfe dann aber nicht mehr geschossen werden.
Im Rhein-Neckar-Kreis kam es in der Vergangenheit ebenfalls immer wieder zu Schäden durch Saatkrähen. Wolfgang Guckert, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Rhein-Neckar, berichtet, dass eines seiner Maisfelder im vergangenen Jahr betroffen war: „In ein Maisfeld in Stadtnähe sind die Saatkrähen zu Hundertschaften eingefallen. Am Ende belief sich der Schaden auf etwa 4000 Euro“, berichtet der Mannheimer Landwirt. Dabei seien ihm auch Fälle bekannt, in denen der Schaden in die Zehntausende gingen. Auch er hofft auf eine Vereinfachung der gezielten Abschüsse.
Landesbauernverband fordert Lockerung des Schutzstatus
Der Landesbauernverband Baden-Württemberg hat in den vergangenen Jahren systematisch die durch Krähen verursachten Schäden gesammelt. Die Schadenshöhen je Betrieb und Jahr beliefen sich auf bis zu 30.000 Euro in Ackerkulturen. Bei Sonderkulturbetrieben gingen die Einbußen sogar bis zu 75.000 Euro. Deshalb fordert der Verband eine Herabsetzung des Schutzstatus der Saatkrähe und eine Verordnung, die den Abschuss einfacher macht.
Das Land Baden-Württemberg hat auf die Sorgen der Landwirte reagiert und ein Meldeportal für Schäden durch Krähenschwärme eingerichtet. In einem Schreiben an die Unteren Naturschutzbehörden rief das Umweltministerium Ende Februar dazu auf, Vergrämungsabschüsse im Rahmen des Bundesnaturschutzgesetzes zu erleichtern.
Umweltministerium: Saatkrähen sind auch Nützlinge
Gleichzeitig verweist es auf die ökologische Rolle der Saatkrähe: Die Tiere fressen Schädlinge wie Käfer, Drahtwürmer und Schnecken, lockern durch ihre Nahrungssuche den Boden und fördern die Durchlüftung. Ein langfristiger Schutz der Ackerflächen sei nur durch den Erhalt artenreichen Grünlands möglich, so das Ministerium.
Naturschutzverbände kritisieren die geplante Abschussregelung scharf. Sie verstoße gegen das Tierschutzgesetz, da Elterntiere in der Brutzeit getötet würden, was zum Hungertod der Jungvögel führe. Es fehlten überprüfbare Nachweise für die Verursachung der Schäden. Zudem gebe es wirksame Alternativen. Die Verfügung sei rechtlich und ökologisch nicht tragbar.
Der Streit um die Saatkrähe bleibt ein Balanceakt zwischen Arten- und Pflanzenschutz – und die Forderungen nach schnellerem Handeln werden lauter.
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