Justiz

Prozess um falsche Corona-Maskenatteste: Die Ärztin schweigt

Am Landgericht Mannheim hat heute die Berufungsverhandlung gegen eine Ärztin aus Weinheim begonnen, die zwischen Mai 2020 und Januar 2021 mehr als 4000 Maskenatteste "auf Zuruf" ausgestellt haben soll

Von 
Carsten Propp
Lesedauer: 
Die Verhandlung begann unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen. © Christoph Bluethner

Weinheim. Am Landgericht Mannheim hat am Dienstag die Berufungsverhandlung gegen eine Ärztin aus Weinheim begonnen, die zwischen Mai 2020 und Januar 2021 mehr als 4000 Maskenatteste "auf Zuruf" ausgestellt haben soll.

Das Amtsgericht Weinheim hatte die Medizinerin Anfang Januar wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und ein dreijähriges Berufsverbot ausgesprochen. Dieses wurde allerdings nach einer Beschwerde am 14. Februar 2023 bis zur Rechtskraft des Urteils wieder aufgehoben.

Prozess gegen Weinheimer Ärztin unter strengen Sicherheitsvorkehrungen

Beim Prozess in Weinheim hatten damals rund 100 Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude lautstark einen Freispruch für die Ärztin gefordert und die Coronapolitik der Bundesregierung kritisiert.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung Berufung eingelegt. Am Dienstagmorgen trafen die Prozessbeteiligten daher am Landgericht Mannheim wieder aufeinander. Die Verhandlung begann unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen. Die etwa 20 Zuhörer und die Medienvertreter wurden durchsucht, Taschen und Rucksäcke durchleuchtet; Personalausweise musste man Justizbeamten zum Scannen vorlegen.

Anwälte der Ärztin wechseln Strategie im Prozess um Maskenatteste

Während die Verteidiger sowie die beiden Angeklagten – neben der Ärztin wird auch gegen ihre Bürokraft wegen Beihilfe verhandelt – in der ersten Instanz vor allem die Corona-Verordnungen der Jahre 2020 und 2021 attackiert hatten sowie unter anderem den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn und dessen Nachfolger Karl Lauterbach als Zeugen laden lassen wollten, vollzogen ihre Rechtsanwälte vor dem Landgericht nun einen Strategiewechsel. So ließen die Angeklagten mitteilen, dass sie diesmal keine Angaben zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen machen werden.

Nach Auffassung von Rechtsanwalt Sven Lausen, der als zusätzlicher Verteidiger die Ärztin gemeinsam mit Rechtsanwalt Ivan Künnemann vertritt, seien die Atteste zum damaligen Zeitpunkt gar keine Gesundheitszeugnisse im Sinne des Paragrafen 278 Strafgesetzbuch gewesen. Das habe offenbar auch der Gesetzgeber erkannt und im November 2021 den Paragrafen geändert. Bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung hatte die Verteidigung deshalb die Einstellung des Verfahrens gefordert, was das Gericht aber ablehnte.

Verteidigung kritisiert Polizei

Am Dienstag beantragte Lausen nun eine rechtliche Erörterung zu dieser Frage. Aber sowohl Oberstaatsanwältin Katja König als auch das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Christian Hirsch sahen ein solches Gespräch außerhalb der öffentlichen Verhandlung als nicht erforderlich an. Der Antrag der Verteidigung wurde daher abgelehnt.

In seiner einleitenden Erklärung kritisierte Rechtsanwalt Lausen ferner, dass im Zuge der Ermittlungen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Polizei, Ordnungsbehörden und die Bezirksärztekammer monatelang tatenlos zugesehen hätten, wie seine Mandantin weiterhin „Maskenatteste“ ausgestellt habe.

Wenn die Behörden tatsächlich von einer Gefährdung der Bevölkerung durch das Nicht-Tragen der Masken ausgingen, so hätten sie doch wohl umgehend einschreiten müssen. Aber selbst nach der Anordnung des Durchsuchungsbeschlusses für die Weinheimer Praxis habe es noch einmal fast sieben Wochen gedauert, bis die Räume tatsächlich durchsucht wurden.

Juristischer Schlagabtausch

Anschließend entwickelte sich ein juristischer Schlagabtausch zwischen dem Gericht und der Verteidigung. Der Vorsitzende Richter entschied, dass die schriftlichen Beweismittel im sogenannten Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Die Verteidigung legte Widerspruch ein, den das Gericht nach kurzer Beratung zurückwies. Nun stellten die Verteidiger einen Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit des Gerichts. Die Begründung wollten sie bis Donnerstag nachreichen. Das Gericht entschied, dass die Verteidigung bis Mittwochmittag diesen Antrag begründen müsse.

Das Verfahren wurde fortgesetzt. Als Richter Hirsch den ersten Zeugen aufrief, kam der nächste Widerspruch. Da die Schöffen noch keine Gelegenheit hatten, die Beweismittel zu lesen, könnten sie auch keine sachgerechten Fragen stellen. Das Gericht wies auch diesen Widerspruch ab, zumal die ersten beiden Zeugen als Polizeibeamte nur bei der Durchsuchung der Praxis dabei, aber nicht an der Auswertung der beschlagnahmten Beweismittel beteiligt waren. Als der Richter den Polizeibeamten nach der Befragung aus dem Zeugenstand entlassen wollte, legten die Verteidiger auch dagegen Widerspruch ein, der nach erneuter Sitzungsunterbrechung abgewiesen wurde. Dieses Schauspiel wiederholte sich bei der zweiten Zeugin.

Doch damit nicht genug: Nun forderte Rechtsanwalt Lausen eine Lockerung der überzogenen Sicherheitsvorkehrungen für diesen Prozess. Auch dieser Antrag wurde vom Gericht abgelehnt. Er sehe keinen Grund, an den Sicherheitsvorkehrungen etwas zu ändern, so Richter Hirsch: „Wer an der Verhandlung als Zuhörer teilnehmen möchte, hat die Möglichkeit dazu. Hier gibt es genügend freie Plätze.“

Der Prozess wird am Donnerstag um 9 Uhr fortgesetzt. Insgesamt sind vier Verhandlungstage vorgesehen.

Im Januar war eine Weinheimer Ärztin am Amtsgericht Weinheim wegen Maskenattesten verurteilt worden, jetzt wird ihr Fall am Landgericht Mannheim neu aufgerollt. © Christoph Bluethner

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke