Weinheim. Nach einem langen Verhandlungstag fiel das Urteil gegen eine in Weinheim niedergelassene Ärztin erst am Abend. Wegen „falscher“ Maskenatteste wurde die Allgemeinmedizinerin vom Schöffengericht des Weinheimer Amtsgerichtes zu zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, außerdem zu einem dreijährigen Berufsverbot, das ab sofort gilt.
Das Gericht unter dem Vorsitz von Richterin Eva Lösche sah es als bewiesen an, dass die Ärztin während der Corona-Pandemie in 4374 Fällen Maskenatteste ausgestellt hat – und zwar ohne die Patienten gesehen oder eine Diagnose gestellt zu haben. Für die Ausstellung der Atteste hatte die Ärztin, die eine Praxis für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt für Naturheilkunde betreibt, jeweils fünf Euro gefordert. Entsprechende Überweisungen wurden getätigt. Das dafür verwendete Konto war von den Ermittlern überprüft worden, der nachvollziehbare Gesamterlös durch das Ausstellen der Atteste beläuft sich – für den Zeitraum von Anfang Mai 2020 bis Ende Januar 2021 – auf exakt 28 410,21 Euro.
Einer Angestellten der Ärztin drohte eine Verurteilung wegen Beihilfe. Sie war mitangeklagt, weil sie ihre Chefin im Rahmen des Praxisbetriebs bei der Ausstellung und Versendung der Atteste organisatorisch unterstützt hatte. Die Staatsanwaltschaft Mannheim hatte für die Ärztin eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten gefordert, darüber hinaus ein dreijähriges Berufsverbot. Für die Angestellte hatte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten sowie eine Geldstrafe von zwei Monatsgehältern beantragt.
Mehrstündige Plädoyers
Vorausgegangen waren am Montag mehrstündige Plädoyers der Verteidigung, die den Freispruch für beide Angeklagten forderte. Beate Bahner, Rechtsanwältin der Angestellten, und ihre Kollege Ivan Künnemann, Rechtsanwalt der Medizinerin, vertraten die Ansicht, dass die Tatbestandsmerkmale des Paragrafen 278 des Strafgesetzbuches hier nicht gegeben seien.
Laut diesem Paragrafen gelten Gesundheitszeugnisse schon dann als unrichtig, wenn keine Untersuchung stattgefunden hat. Die Verteidiger führten zum einen die Therapiefreiheit der Ärzte ins Feld, zum anderen aber auch die gängige Praxis im Tatzeitraum, dass Patienten angehalten waren, bei Krankheit nicht persönlich bei den Ärzten vorstellig zu werden.
Pflicht, Menschen zu schützen
Die Ärztin bekräftigte am Montag das, was sie bei ihrer Einlassung bereits am ersten Verhandlungstag Ende November gesagt hatte. Sie sei als Ärztin dem „Genfer Gelöbnis“, eine Deklaration des Weltärztebundes, verpflichtet. Darin heißt es: „Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.“ Sie betonte erneut die Schädlichkeit des Maskentragens – physisch wie psychisch. Als Ärztin sei es ihre Pflicht, die Menschen vor diesen Auswirkungen zu schützen.
Außerdem sei bereits zu Beginn der Pandemie immer wieder deutlich geworden, dass die Materialien, aus denen Mund-Nasen-Bedeckungen gefertigt werden, „problematisch“ seien. Sie habe die Atteste zwar aus medizinischen Gründen ausgestellt, aber nicht aus Gründen, die bei den Patienten liegen, sondern bei den Masken, so die Ärztin. Auch aus diesem Grund sei nicht zwingend eine Untersuchung notwendig gewesen. „Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Das Patientenwohl lag mir immer am Herzen“, erklärte die Angeklagte mehrfach.
Quelle: Internet
Im Lauf der Beweisaufnahme waren vier Polizeibeamte gehört worden, die bei der Durchsuchung der Praxisräume im Januar 2021 dabei waren. Vorausgegangen war eine Anzeige der Bundesärztekammer, die von der Ausstellung der Atteste „auf Zuruf“ aus dem Internet erfahren hatte.
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