Social Media

Porno oder Kunst? Speyerer Jurist kämpft um seine Nacktbilder auf Instagram

Der 32-jährige Janko Cerin verklagt das Unternehmen von Mark Zuckerberg am Mannheimer Amtsgericht. Es geht ihm ums Prinzip - und um ein neues Männerbild. Wie reagiert der Konzern?

Von 
Stephan Alfter
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Wie weit geht die persönliche Freiheit in den sozialen Netzwerken? Wer entscheidet eigentlich, was dort gezeigt werden darf? Kann man dagegen klagen, wenn Facebook, TikTok oder Instagram Inhalte einfach löschen? Und: Ist ein Bild mit viel nackter Haut schon pornografisch? Darüber muss demnächst das Amtsgericht in Mannheim entscheiden.

Janko Cerin zeigt sich gerne ohne Kleidung - nicht auf der Straße versteht sich, aber im Netz. Der in Speyer aufgewachsene 32-Jährige nutzte dazu in der Vergangenheit hin und wieder sein privates Profil in den sozialen Netzwerken. Auf Instagram veröffentlichte er im Herbst 2022 Aufnahmen, die nicht selten von befreundeten Fotografinnen angefertigt wurden - Bilder, die sich unterscheiden vom Facebook-Mainstream oder von der konventionellen Instagram-Story.

Grenze zur Pornografie überschritten?

Für manchen sind die Porträts einfach nur unbequem, weil sie einen ungewohnten Blick auf die oft verborgene emotionale Seite des Mannes zulassen. Für andere stellen die Fotografien einen Ausdruck einer besonderen Ästhetik dar. Wiederum andere unterstellen, dass die Grenze zur Pornografie überschritten sei. Cerin, angehender Jurist, steht kurz vor dem abschließenden Staatsexamen und befindet sich seit 1. November in einem Referendariat in einer Mannheimer Anwaltskanzlei. Sein erster „großer“ Fall betrifft niemand anderen als - ihn selbst.

Janko Cerin aus Speyer will neues Männlichkeitsbild zeigen

Weil Meta - das ist der Konzern, der hinter Facebook und Instagram steht - einige von Cerins Beiträgen in der Vergangenheit mit Hinweis auf die Verletzung von Richtlinien löschte, hat sich der zurzeit mit seiner Partnerin in Neulußheim lebende Freigeist dazu entschieden, das Imperium von CEO Mark Zuckerberg zu verklagen. Ziel: Instagram soll drei im Oktober 2022 gesperrte Aufnahmen wieder zugänglich machen. Und zwar allen Nutzern von Cerins Instagram-Profil „Leonce_sans_lena“.

Eines der beiden von Instagram bemängelten Bilder. © @japapix

Es gehe ihm um die Botschaft, dass Maskulinität nicht per se als toxisch wahrgenommen werden dürfe, so Cerin. Sehr vereinfacht gesagt: Nicht jeder weiße heterosexuelle Mann ist automatisch ein Donald Trump. Nicht jede Aufnahme eines nackten Typs müsse dem klassischen (und vielleicht überholten) Rollenbild des „starken Mannes“ entsprechen. Stattdessen zeigt der Kläger sich in bewusst weiblich konnotierten Posen und in Kleidung, die man womöglich eher Frauen zuschreiben würde. Er trägt mitunter Nagellack und Schmuck. In der Klage formuliert es Cerin so: „Mein Ziel ist es, mit den Werken nicht bloß gefällige und ästhetische Aktfotografie zu schaffen, sondern seinen kleinen Beitrag zur Entstigmatisierung männlicher Emotionalität zu leisten.“ Zugleich wolle er die Sicht der Gesellschaft auf das Weibliche im Männlichen zu stärken.

Beiträge von Janko Cerin auf Instagram entfernt

Wie Meta das findet, war ziemlich schnell klar, als die Software, die für Instagram fragwürdige Inhalte filtert, folgende Nachricht schickte: „Deine Story verstößt gegen unsere Richtlinien zu Sexuelle Handlungen“. Der Content - wie Inhalt neudeutsch heißt - wurde zwar nicht gelöscht, aber das genannte Profil, unter dem die Bilder zu finden sind, wird anderen nicht mehr vorgeschlagen. Gesehen werden können die Aufnahmen nur noch von Followern, die dem Profil schon länger folgen. Das sind am Freitag 175 Menschen gewesen. Heißt: Nur, wer Cerin und den Nutzernamen kennt, findet das Nutzerprofil. Der 32-Jährige ärgert sich darüber schon einige Monate.

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Zu sehen sind auf einem der von Meta beanstandeten Bilder er selbst und ein anderer Mann. Beide sitzen unbekleidet hintereinander auf einem Baumstamm im Wald. Sexuelle Handlungen sind nicht zu erkennen. Von Lust keine Spur. Seine Arme hat Cerin auf die Oberschenkel des Porträtpartners gelegt. „Wir entfernen Inhalte von Instagram, wenn wir feststellen, dass sie gegen unsere Gemeinschaftsrichtlinien verstoßen“, heißt es im Hilfebereich des Betreibers von Instagram. Unter Punkt drei steht dort auch, dass es beispielsweise um Inhalte geht, die sexuell explizit oder anzüglich sind. Um solche Inhalte aufzuspüren, benutze man verschiedene Technologien. Tatsächlich gibt es auf unzähligen Instagram-Profilen sehr viel nackte Haut zu sehen. Auch hinsichtlich einer weiteren Aufnahme hält Cerin die Maßnahmen, die Instagram getroffen hat, für rechtswidrig. Darauf ist er alleine zu sehen - mit freiem Oberkörper. Unterhalb des Bauchnabels sei nichts sichtbar, was gegen Richtlinien verstoßen würde, so Cerin. Diese Körperpartie sei durch Schatten oder durch Bildbearbeitung verdeckt.

Meta Platforms reagiert bisher nicht

Die Klage Cerins gegen die Sanktionen auf Instagram wurde dem Meta-Konzern, der seinen europäischen Sitz in Irlands Hauptstadt Dublin hat, vor rund zwei Wochen vom Mannheimer Amtsgericht zugestellt. 234 Euro investierte er dafür an Gebühren. Was zu erwarten war: Meta hat auf zwei Anfragen dieser Redaktion nicht reagiert und wird sich wohl erst gegenüber dem Amtsgericht äußern. Cerin wird nicht der einzige Kläger sein. Dieser verweist einstweilen auf vergleichbare Fälle. Auch dort ging es um Löschungen von Inhalten wegen vermeintlicher Verstöße gegen Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsrichtlinien. Den Klägern wurde vor Gericht jeweils recht gegeben ...

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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