Deutsche Weinstraße, Samstagnachmittag, 15.30 Uhr. Die Sonne bescheint Hänge voller Trauben. Ein Traktor mit Anhänger rollt bei Bad Dürkheim durch die Rebenlandschaft. Hinter sich her zieht er einen Planwagen - Marke Eigenbau. Darauf sitzen 16 junge Männer, die schon sichtlich dem Riesling zugesprochen haben.
Es ist Junggesellenabschied. Und zum Start in den Tag hat der spätere Trauzeuge diesen Trip organisiert. Solche Fahrten gibt es in der Pfalz hundertfach. Tausende Touristen buchen derartige Besichtigungstouren mit eingebauter Promillegarantie und dick beschmierten Leberwurstbroten.
In der Pfalz könnten demnächst hunderte Touristen ausbleiben
Was genau die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier, eine Landesbehörde, kürzlich dazu bewogen hat, Kommunen und Kreisverwaltungen auf die seit 2018 bestehenden Bestimmungen zu Planwagenfahrten hinzuweisen, ist ungewiss. Sie tat es dieses Mal aber mit Nachdruck. Es besteht die Vermutung, dass ein schwerer Planwagen-Unfall, der sich Anfang Mai in Thüringen ereignet hat, die Behörden hat aufschrecken lassen.
Jedenfalls könnten in der Pfalz demnächst zumindest einige hundert Touristen ausbleiben. Philipp Christmann vom gleichnamigen Weingut im südpfälzischen St. Martin sagt diese Entwicklung voraus, denn seine restlichen im Kalender gebuchten Fahrten mit dem Traktor und dem einst selbst gebauten Drehschemelanhänger hat er für dieses Jahr abgesagt. Er hat dafür schlicht keine Genehmigung - seit 2018.
Für den Tourismus im beliebten Örtchen St. Martin bedeutet der Ausfall dieser kommerziellen Planwagenfahrten nichts weniger als den Verzicht auf womöglich Hunderte Gäste, die übernachten, Restaurants besuchen und Wein kaufen. Philipp Christmann spricht von 40 Fahrten mit insgesamt 400 Menschen, denen er innerhalb von zwei Stunden die Weinberge zeigt, ein Picknick veranstaltet und denen er als Pfalzerklärer zur Seite steht. „Ich finde es katastrophal, dass man auf diese Weise den Tourismus kaputt macht“, sagt er.
Brauchtum und Gewerbe: Wo genau ist der Unterschied?
Eine Sprecherin der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße äußert gegenüber dieser Redaktion: „Wir haben zuletzt sechs Betriebe angeschrieben. Ein weiterer Betrieb, mit dem die Kreisverwaltung in der Vergangenheit in dieser Sache zu tun hatte, erfüllt zwischenzeitlich die Voraussetzungen, die für touristische und auch gewerbliche Fahrten gelten.“
Seit 2018, so stellt sich die Sache für den Moment dar, haben die Behörden zwar von den Bestimmungen gewusst, sie aber eher ignoriert oder Verstöße zumindest nicht sanktioniert. Denn neben den kommerziellen Fahrten gibt es noch die sogenannten Brauchtumsfahrten, zu denen auch ein Fasnachtsumzug zählt, die wiederum anderen Bestimmungen unterworfen sind.
Dabei handelt es sich der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße zufolge um örtliche Brauchtumsveranstaltungen, wenn bei Felder- und Weinbergsfahrten beabsichtigt wird, interessierte Personen über landwirtschaftliche Produktionsweisen beziehungsweise über den Weinbau zu informieren.
Wieso taucht das Thema plötzlich auf, obwohl das Gesetz alt ist?
Christmann tat das in ähnlicher Weise, verkaufte den Mitfahrenden aber mit der Tour eben auch eine Weinprobe. Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau wollte mit dem Gesetz genau das verhindern - dass kommerzielle Veranstaltungen unter dem Deckmantel der Brauchtumspflege durchgeführt werden können. So gilt seit 2018, dass gewerbliche Fahrten alle Auflagen des Personenbeförderungsgesetzes erfüllen müssen.
Es reicht nicht, dass Christmanns Anhänger mit Geländern, Kette und Aufstieg sowie festen Bänken versehen ist. Und dass er angibt, mit seiner 100 000 Euro teuren Zugmaschine nur etwa sechs Stundenkilometer schnell zu fahren, ist offensichtlich auch kein Grund für die Behörden, ein Auge zuzudrücken und ihn einfach gewähren zu lassen.
Planwagenfahrten können nicht mehr stattfinden
Mathias Frankmann, Leiter des Weinguts Otto Stachel in Maikammer, bläst ins selbe Horn wie Kollege Christmann und bemängelt, dass man das touristische Standbein der Pfalz damit beschneidet. 50 bereits gebuchte Touren mit jeweils acht bis zwölf Personen finden nun alleine bei ihm nicht mehr statt.
Dass die Behörden nach sechs Jahren Grauzone nun so genau hinschauen, hält Frankmann übrigens für das frühe Ergebnis eines noch anhängigen Gerichtsprozesses. Ein südpfälzischer Anbieter von solchen Planwagenfahrten werde dort von seinem Nachbarn illegaler Touren bezichtigt. Das habe die ADD hellhörig werden lassen, vermutet Frankmann.
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Im Landkreis Bad Dürkheim hat man das Thema bereits Anfang 2023 aufgegriffen, alle Städte und Gemeinden angeschrieben und über die Abgrenzung zwischen Brauchtumsfahrten und gewerblichen Fahrten informiert. Geprüft werden sollte, ob die Fahrten von insgesamt acht Betrieben im Landkreis in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen ordnungsgemäß ablaufen.
Im Gegensatz zum südlicher gelegenen Landkreis wurden die Betriebe bisher nicht direkt kontaktiert. Ob die Entwicklung nun auch dort dazu führt, dass die Betroffenen letztlich aufgeben, ist insofern noch offen. Alles andere wäre aber überraschend.
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