Landwirtschaft - Lukas Krauß wurde im Jahr 2014 mit seinem Pornfelder-Cuveé bekannt, nun hat er eine 180-Grad-Wendung vollzogen und verzichtet auf sämtliche Zusatzstoffe

Pionier aus der Pfalz: Lukas Krauß setzt nur noch auf Naturwein

Von 
Stephan Alfter
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„Rosa Landschwein“ heißt der erste Naturwein, den Lukas Krauß abgefüllt hat. Die Neugierde ist groß. Der Geschmack auch? © Pfalzwein

Lambsheim. Es ist ein bisschen so wie bei der flächendeckenden Internetversorgung - die Deutschen sind mal wieder spät dran. Während sich nicht nur im benachbarten Elsass, sondern in halb Europa der Trend zu Naturweinen durchzusetzen beginnt, gibt es hierzulande nur eine kleine Avantgarde, die sich traut, auf diese Karte zu setzen. „40 vielleicht in ganz Deutschland“, sagt Lukas Krauß, der seinerseits im pfälzischen Lambsheim seit einigen Monaten einen radikalen Sinneswandel vollzogen hat. Er produziert auf etwa acht Hektar Weine, die völlig ohne Zusatzstoffe auskommen. „Zusatzstoffe? Ist Wein denn nicht automatisch ein Naturwein?“, könnten sich Laien fragen. Die klare Antwort muss heißen: Nein. Ist es nicht (mehr).

Aromahefen, Schwefel, Enzyme, Filtration - mit Dutzenden Zutaten wird ein Wein heute im Keller der Betriebe bearbeitet, um möglichst kompatibel zu sein mit dem Geschmack eines Mainstreampublikums. Hier etwas Stachelbeer-, dort etwas Pfirsichnote. Kunstharze sorgen für eine schönere Farbe. Am Ende geht es darum, dass Fehltöne konsequent ausgemerzt werden und der Wein immer gleich schmeckt. Lukas Krauß hat außerdem beobachtet: „Wir stehen im Weinbau an einem ähnlichen Punkt wie die Felder-Landwirtschaft vor 20 Jahren. „Wachse oder weiche“, sagt Krauß und beschreibt damit, dass immer weniger Weinbau-Unternehmen immer größere Flächen beackern.

Chemie ist außen vor

Diese These bestätigt eine Erhebung des Deutschen Weininstituts, das die Anzahl der Betriebe und Rebflächen aus den Jahren 2010 und 2016 miteinander vergleicht und den Prozess aufzeigt.

Zu was das führt, hat der 38-Jährige mit eigenen Augen bei Winzerkollegen am Rande des Pfälzerwalds gesehen: Was früher ein rein handwerklicher Prozess war, wurde technisiert und zuletzt obendrein digitalisiert. Maschinen erkennen via eingebauter Kamera, welche Trauben besser sofort aussortiert werden, wo der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden notwendig ist. Das hat einerseits zur Folge, dass es weniger Fehler gibt, andererseits führt es zu einer Industrialisierung und einer Kapitalisierung des Weingeschäfts.

© Lukas_Wein_Naturwein_Schweine_LA

Lukas Krauß hat sich entschieden, aus dieser Spirale auszusteigen, Natur wieder mehr zuzulassen und eine Nische zu bedienen, von der er überzeugt ist, dass sie großes Potenzial hat. Eigentlich sei es ja so, dass die Landwirtschaft ständig gegen die Natur arbeite, hat er festgestellt - gegen die Pilze, gegen die Kirschessigfliege, gegen den Hagel und gegen die Hitze.

Der Winzer, der 2014 einem größeren Publikum bekannt wurde, als er mit seinem Pornfelder-Cuveé (Portugieser und Dornfelder) einen Werbegag landete, ist des konventionellen Weinbusiness mit den vielen feinen Weinpröbchen überdrüssig geworden. Er möchte auch nicht Mr. Porno sein. „Verkaufe ich meine Seele?“, hat er sich selbst vor einiger Zeit gefragt. Krauß ist ein akribischer Arbeiter im Weinberg. Der Verzicht auf Chemie gehört für ihn zu einem guten Handwerk genauso dazu wie andere Techniken bei der Reberziehung und eine konsequente Arbeit am Laub.

Begriff und Geschichte

  • Als Naturwein werden Weine bezeichnet, die möglichst ohne Zusätze und ohne aufwändige önologische Verfahren produziert wurden. Dafür ist bereits die Bewirtschaftung im Weinberg Grundlage. Daher wird der ökologische Weinbau als Voraussetzung für Naturwein gesehen.
  • Die Herstellung wird von folgenden Gedanken beeinflusst: Suche nach einem ursprünglichen Geschmack, Respekt vor der Natur und Opposition zu industriellen Methoden im Weinbau.

Langer Entwicklungsprozess

Der krasse Unterschied zum heute gängigen Prinzip der Weinerzeugung ist der Verzicht auf alles, was den Gärungsprozess beeinflusst. Naturweine haben keinerlei Restsüße mehr und weniger Alkohol. Zucker wird von der natürlich vorhandenen Hefe gänzlich abgebaut. Geschmacklich ist das eine neue Erfahrung. Die 52-jährige Naturwein-Expertin Surk-ki Schrade schreibt in einem just erschienenen Buch mit dem Titel „Natürlich Wein“: „Naturwein ist keine Geschmacksrichtung, sondern eine andere Machart, die die Geschmacksmöglichkeiten weiter auffächert als im herkömmlichen Bereich. Das liegt vor allem an der Spontangärung auf den eigenen Hefen. Naturwein muss nicht anders schmecken, kann aber. Naturwein muss auch nicht trüb sein, kann aber. Naturwein muss nichts, kann alles.“

Für Lukas Krauß war es ein langer Entwicklungsprozess. Er hat Naturwein-Messen in Köln und im europäischen Ausland besucht und verschiedene Versuche gemacht. Seinen ersten Wein hat er „Landschwein“ getauft - ein kleiner Hinweis darauf, wie er sich selbst eingerichtet hat auf seinem kleinen „Bauernhof“ mit unverstellbarem Blick auf den Haardtrand. Hühner, Schweine, Wein - Krauß ist in vielerlei Hinsicht auf dem Weg zum Selbstversorger. Der Weg zurück zur Natur und damit zu einem rein biologischen Anbau ist für ihn nicht nur ein Slogan, sondern gelebte Realität. Aber: Auch er lebt vom Verkauf. Und da kommt es ihm nicht unrecht, dass ein amerikanischer Vermarkter ihm gerade vier Paletten vom „Rosa Landschwein“ abgenommen hat. Der Trend zum Naturwein - er ist auch auf dem US-Markt angekommen.

Leichtes „Rosa Landschwein“

Insgesamt 20 000 Flaschen Wein füllt Krauß dieses Jahr nach eigener Aussage. Preislich liegen seine Produkte höher als der konventionell erzeugte Weine. Das Rosa Landschwein - einen fast pinkfarbenen Rosewein - bietet er für 13,90 Euro an. Mit 10,5 Prozent Alkohol kommt er recht leicht daher. Wo es hingehen wird? Lukas Krauß hält die Naturwein-Szene für eine sehr junge Bewegung und einen ganz neuen Kosmos. „Das wird in Deutschland erstmal zerredet“, ist er überzeugt. Die ersten Gastronomen springen aber schon auf den Zug auf. Philipp Rumpf, der Speyerer Betreiber der Sux-Restobar, hat sich eine Meinung gebildet: „Naturwein ist eine unheimliche Bereicherung“, sagt er.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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