Geschichte - Heimatverein Harthausen will alten Bahnhof zum Veranstaltungshaus umbauen

"Pfefferminzbähnl" in Harthausen - Ehrenamtliche bauen Pfälzer Bahnhof um

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Simone Jakob
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Packen an (v.l.): Vorstandsmitglied Andreas Heck und Schriftführer Hermann Grundhöfer an einem Schuttcontainer vor dem alten Harthausener Bahnhof. © Klaus Venus

Harthausen. Auf der Fassade des Backsteingebäudes zeichnen sich die Umrisse zugemauerter Türen ab. Im Gras sind Gleise aufgestapelt, neben denen ein gewaltiger Prellbock steht und vor dem ehemaligen Güterschuppen ist ein knallrotes Signal mit der Aufschrift „s’ Pefferminzel“ aufgebaut. Gemeint ist damit die ehemalige Schmalspurbahn, die ab 1905 von Speyer bis Geinsheim und später weiter nach Neustadt führte. Den Bahnhof in Harthausen gibt es noch. „Neben dem Tabakschuppen ist er das einzige historische Gebäude in unserem Ort, um das sich noch Geschichten ranken“, erzählt Andreas Heck aus dem Vorstand des Kultur- und Heimatvereins.

„Und deshalb wollen wir den kleinen Bahnhof sanieren und das letzte Zeugnis des Pfefferminzbähnels in unserem Ort für die Nachwelt erhalten“, erzählt Heck, der jeden Samstag mit einer bunt gemischten Freiwilligentruppe schuftet, um diesen Traum wahr zu machen. Beim Rundgang durch das Gebäude am südlichen Rand der Gemeinde geht der Besucher über die Original-Fliesen von 1905. Im ehemaligen Schalterbereich sind sie ganz abgewetzt. Tatsächlich kann man sich gut vorstellen, wie Frauen in langen Röcken mit Hauben auf dem Kopf und gut gefüllten Körben in der Hand auf einer Bank vor dem Gebäude Platz genommen haben, um auf den Zug zu warten. Da die Vorderpfalz in jener Zeit ein bedeutendes Anbaugebiet für die Medizinpflanze Pfefferminze war, hatte die Gäubahn, die Menschen, Güter und Vieh transportierte, ihren Spitznamen „Pfefferminzbähnel“ schnell weg. „Allerdings lässt der Pfälzer das erste „f“ im Wort weg“, verrät Heck, der auch das Projekt „s’ Pfefferminzl“ getauft hat

Waggon als Ausschankstelle

Wo einst die Schienen waren, wächst heute Gras und im ehemaligen Toilettentrakt des Bahnhofs ist mittlerweile die Freiwillige Feuerwehr Harthausen daheim. „Wir möchten auf dem Gelände wieder Schienen verlegen“, deutet Heck auf den Stapel mit Gleisen in normaler Spurbreite, die er geschenkt bekommen hat. Auch Schriftführer Hermann Grundhöfer kann sich das sehr gut vorstellen. Zumal der ehemalige Güterschuppen, in dem Ware bis zur Abfahrt gelagert wurde, zu einem Veranstaltungsraum umgebaut werden soll. „Wenn die Rampe saniert ist, könnte man eine historische Dampflok als Hingucker unten vor den Schuppen stellen und oben einen Waggon - der über die Laderampe zugänglich ist - zum Ausschank von Getränken umfunktionieren“, verrät Heck eine von vielen Nutzungsideen. Außerdem soll der alte Warteraum für die zweite Klasse zu einer Küche umgebaut werden, „damit wir über die Bewirtung von Gästen Einnahmen für den Verein generieren können“.

Pfefferminzbähnl

Heimatverein baut historisches Bahnhofsgebäude um

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Begonnen hat das Team im vergangenen November. „Das war irgendwie Corona geschuldet, weil das Fitness-Studio geschlossen war und ich mich körperlich betätigen wollte“, sagt Heck, der IT-Leiter bei der Stadtverwaltung Speyer ist und sich schon lange im Heimatverein Harthausen engagiert. „Ich habe angefangen, die völlig durchnässte Dachschräge im ersten Stock abzureißen. Durch persönliche Kontakte und die sozialen Netzwerke sind samstags immer mehr Helfer erschienen - von Anfang 20 bis ins Rentenalter. Jeder hatte was zu tun und konnte ganz Corona-konform in einem Raum was abklopfen. Auch jetzt jedes Mal zwischen fünf und zwölf Leute.“

Gemeindearchiv geplant

Allein im Obergeschoss, wo früher der Bahnhofsvorsteher wohnte, habe die Truppe 21 Kubikmeter Schutt abgetragen. Mittlerweile sei das komplette Stockwerk entkernt. „Das Original-Plumpsklo werden wir auf jeden Fall erhalten“, grinst Heck beim Blick auf das dunkle Loch in einem hellgrauen Sitzbalken.

„Pfefferminzbähnl“

  • Die Schmalspurbahn wurde zwischen 1905 und 1908 eröffnet und verkehrte zwischen dem Rhein und der Haardt. Im Volksmund hieß sie „Pfefferminzbähnl“, weil Bauern aus den Dörfern an der Strecke damit ihre Waren – unter anderem die Medizinpflanze Minze – zum Markt nach Speyer brachten.
  • Im Juni 1956 wurde die Strecke stillgelegt und viele Gebäude verkauft. Der Harthausener Bahnhof ist der einzige in kommunaler Hand. Zuletzt unterhielt die Gemeinde dort drei Sozialwohnungen.

Hier oben soll das öffentlich zugängliche Gemeindearchiv einziehen, denn der Verein besitze viel Material aus der Geschichte der 3100-Einwohner-Gemeinde im Rhein-Pfalz-Kreis. Außerdem plant der Verein einen Ausstellungsraum. In diesem Jahr will das Team das Dach im Hauptgebäude sanieren und die Toiletten fertigmachen. „Dann ist das Vereinsvermögen aufgebraucht und wir müssen neues Kapital generieren, denn die Baukosten haben wir auf 300 000 Euro geschätzt“, so Grundhöfer beim Ortstermin.

Außerdem wolle der Verein demnächst Backsteine des Bahnhofs mit der aufgedruckten Silhouette des Gebäudes zu 20 Euro das Stück verkaufen. „Ein edler Spender mit einem Herz für Lokalgeschichte würde uns natürlich auch helfen.“ In einem blauen Container lagern die Ehrenamtlichen alles zwischen, was erhalten werden soll. „Vom Dachziegel bis zu Gründerzeitschrank.“

Heck und Grundhöfer wissen, dass der Verein einen langen Atem braucht, bis der kleine Bahnhof wieder erstrahlt. „Wir möchten einfach nicht, dass dieser Ort und seine vielen Geschichten vergessen werden. Saß beispielsweise ein Igel auf der Strecke, hat das zwölf Stundenkilometer fahrende Bähnle angehalten, der Lokführer ist ausgestiegen und hat ihn von den Gleisen gehoben.“

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