Ehrenamt - Mitarbeiterin der Heidelberger Uniklinik aus Ladenburg engagiert sich seit 20 Jahren beim Verein Operieren in Afrika in Burkina Faso

Operieren in Afrika: Verein leistet seit 20 Jahren Hilfe

Von 
Heike Dürr
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Die Ladenburgerin Dagmar Große-Wilde mit zwei Kindern an der Klinik des Vereins Operieren in Afrika in Burkina Faso. © Operieren in Afrika e.v.

Rhein-Neckar. 2323 Operationen und 14 627 Klinik-Patienten – die aktuelle Bilanz des Mannheimer Vereins Operieren in Afrika ist beeindruckend. Seit 20 Jahren organisiert er ehrenamtliche medizinische Kurzeinsätze von Experten aus den Bereichen Chirurgie, Anästhesie, Urologie und Gynäkologie im westafrikanischen Burkina Faso, einem der ärmsten Länder der Welt. Inzwischen wurden in der Stadt Léo eine eigene chirurgische Klinik, eine Geburtsklinik sowie eine Schule gebaut und Patenschaften für mehr als 250 Kinder übernommen.

Zum Verein

  • Infos und aktuelle Projektberichte unter www.operieren-in-afrika.de
  • Spendenkonto: Deutsche Apotheker- und Ärztebank Mannheim IBAN DE43 3006 0601 0005 4292 50 BIC DAAEDEDDXXX
  • Klinik und Geburtsklinik verfügen zusammen über 14 Klinikbetten, durch Zelte ist eine Erweiterung des Bettenvolumens möglich.
  • Die Anreise ist beschwerlich: ein rund sechsstündiger Flug über Brüssel oder Paris und weitere drei Stunden mit dem Auto.

Das Projekt startete am damaligen Diakonissen-Krankenhaus in Mannheim, die ersten Einsätze fanden 2001 statt. Von Anfang an dabei ist die Ladenburgerin Dagmar Große-Wilde. Die Fachkrankenschwester für Intensivpflege und Anästhesie arbeitet heute am Universitätsklinikum Heidelberg, ist Kassenwart des Vereins, schickt Container mit medizinischer Ausrüstung nach Léo und begleitet regelmäßig Einsätze. Zuletzt im November, dort traf aus Anlass des Jubiläums das Gründungsteam zusammen. Am Abschiedsabend überraschten afrikanische Wegbegleiter das Team, gemeinsam ließ man das Erreichte und Erlebte Revue passieren. „Viele kennen wir schon seit 20 Jahren“, erzählt Große-Wilde. „Freundschaften sind gewachsen, beide Seiten haben viel gelernt und so ist eine große Kontinuität entstanden.“ Das findet auch Initiator Bernhard Rumstadt bemerkenswert. Der Chirurg ist heute Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Chirurgischen Klinik am Evangelischen Diakoniekrankenhaus in Freiburg, fliegt nach wie vor selbst Einsätze und kümmert sich auch von seiner neuen Heimat aus unermüdlich um Spendengelder, ist Ansprechpartner bei medizinischen und technischen Problemen.

Eine OP-Behandlung wäre für die meisten Patienten in Léo sonst nicht möglich. Denn sie müssten bei einem Klinikaufenthalt vom Pflaster bis zur OP alles selbst bezahlen. „Wer kein Geld hat, geht daher nicht in die Klinik“, berichtet Große-Wilde. Auch aus diesem Grund finden die Ärzte extreme Befunde wie große Tumore bei Erwachsenen, aber auch bei Kindern vor.

Der Verein verlangt für die Operationen einen nach Katalog festgelegten Obolus. Zur Wertschätzung für das Team und um die laufenden Kosten der Klinik zu erwirtschaften. „Das muss nicht sofort beglichen werden und wird schon mal mit einem Huhn bezahlt“, schmunzelt sie.

Eigene Klinik gebaut

Der Alltag während des Einsatzes ist hart: Zwölf bis 14 Operationen stehen täglich auf dem Programm. „Am Anfang war es anspruchsvoll, mit wenig Instrumenten gute Medizin zu machen. Mit der aktuellen Ausstattung können wir heute die gleiche Sicherheit bieten wie hier in Deutschland“, erklärt Rumstadt. Denn der Verein betreibt inzwischen seine eigene Klinik, gebaut mit dem renommierten Architekten Francis Kéré und unter ökologischen Gesichtspunkten. Eine Photovoltaikanlage macht sie unabhängig vom staatlichen Stromnetz. 2015 ging die Klinik mit einem dreiköpfigen afrikanischen Team in Betrieb, heute werden rund 30 Mitarbeiter beschäftigt. An der Geburtshilfeklinik sind Kaiserschnitte möglich, dort kommen jährlich rund 1200 Kinder zur Welt. Die Säuglings-Sterblichkeitsrate konnte so von 81 auf sechs pro 1000 Geburten gesenkt werden – auch das nahe dem Niveau in Deutschland. „Es ist schön zu sehen, dass unsere Arbeit kontinuierlich Früchte trägt“, so Rumstadt. Auch Architekt Kéré ist zu einem Freund geworden und verantwortlich für den Bau der weiterführenden Schule. 120 Kinder, hauptsächlich Mädchen, können dort ihren College-Abschluss machen.

Politisch instabiles Land

Bis zu 14 Einsatzteams reisen pro Jahr nach Léo, auch Experten anderer Hilfsorganisationen aus den Fachgebieten Neurochirurgie, Augenheilkunde, Verbrennungen, Dermatologie und plastische Chirurgie stellen ihre Zeit, ihr Wissen und ihre Erfahrung zur Verfügung. Zwischen März 2020 und April 2021 waren aufgrund der Pandemie keine Einsätze möglich, die Klinikmitarbeiter vor Ort waren auf sich selbst gestellt. „Sie haben das sehr gut gemanagt“, zeigt sich Rumstadt beeindruckt. Das sei auch dem Klinikmanager vor Ort zu verdanken: „Ein Glücksgriff. Er wählt Patienten aus und kümmert sich um den Behördenwirrwarr vor Ort, dass von uns auf diese Entfernung nicht zu lösen ist.“ Die politische Instabilität stellt den Verein immer wieder vor Herausforderungen. So besteht nach einem Putsch seit Anfang Dezember eine Reisewarnung für Burkina Faso. Ein Einsatz im Januar musste daher abgesagt werden.

Den größten Rückschlag erlebte das Team jedoch im Jahr 2016. Ein Einsatzteam verunglückte auf der Fahrt zurück zum Flughafen schwer. Der sie begleitende einheimische Chefarzt Boukaré Sedogo überlebt den Unfall nicht. „Für uns alle war das ein großer Schlag. Sowohl fachlich, vor allem aber persönlich“, erinnert sich Große-Wilde. Vier Teammitglieder aus Mannheim wurden zum Teil schwerst verletzt. Sie alle waren seither wieder im Einsatz und beim Jubiläumseinsatz im November dabei: „Das war sehr emotional“, so Große-Wilde. Und Rumstadt ergänzt: „Das hat mich sehr bewegt, diese Freundschaften bedeuten mir viel.“ Die Arbeit vor Ort ist für beide gelebte Völkerverständigung. „Das gegenseitige Verständnis ist gewachsen, beide Kulturen haben sich angenähert. Man denkt anders über Land und Bevölkerung – gerade jetzt.“

Freie Autorin Schwerpunkt: Portraits

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