Heppenheim/Hammelbach. Seit sechs Jahren lebt der ehemalige Bundesliga-Golftrainer Marc Freukes auf einem kleinen privaten Waldgrundstück in der Nähe von Hammelbach im Odenwald - anfangs in einem Tipi, seit 2017 in einer selbst gebauten Jurte auf nur 18 Quadratmetern. Nach einer persönlichen Lebenskrise baute er sich dort mit Büchern, Wildniskursen, Fernsehauftritten und Vorträgen eine neue Existenz auf und ist als „Odenwaldtipianer“ inzwischen bundesweit bekannt. Doch seine alternative Art zu leben stößt nun an bürokratische Grenzen. Die Behörden sehen sich auf Basis des Baugesetzbuchs gezwungen, seine als „bauliche Anlage“ eingestufte Unterkunft abzureißen. „Meine Jurte wird vom Bauamt nicht als genehmigungsfrei unter dem Begriff ,fliegende Bauten’ (dazu gehören beispielsweise Jahrmarkt-Stände), sondern wie ein Dreifamilienhaus mit Tiefgarage behandelt.“
Seit zwei Jahren kämpft Freukes um den Erhalt seiner Jurte und damit um seine Lebensgrundlage. Nach einem abgeschlossenen Widerspruchsverfahren gegen eine Abrissverfügung aus dem vergangenen Jahr spitzt sich die Lage nun weiter zu. Mitte Januar erhielt Freukes eine Zwangsgeldfestsetzung des Kreises Bergstraße in Höhe von 1250 Euro plus Auslagen - verbunden mit der Aufforderung, Hütte und Außentoilette bis spätestens 29. Februar zu beseitigen. Bei Zuwiderhandlung wird die Verdoppelung des Zwangsgeldes angekündigt.
Pfändung, Gefängnis, Schufa
Zwar musste Freukes mit dieser Maßnahme rechnen, dennoch ist er erschüttert. Denn mit seinem Lebensentwurf setzt er seiner Meinung nach der Zerstörung der Umwelt, der Wohnungsknappheit und damit zwei der drängendsten gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit ein alternatives Konzept entgegen. Für ihn ist dieses Verfahren mit einem Horrorszenario verbunden: „Möglich sind Pfändung, Gefängnis, Schufa-Eintrag und Vorstrafe.“ Freukes strebt daher einen Kompromiss an. „Ich habe nach den besten Lösungen für alle Beteiligten gesucht und meiner Meinung nach auch gefunden.“
Das Bauamt des Kreises könnte, so Freukes, seinen Ermessensspielraum nutzen, die Jurte als „fliegende Baut“ einordnen, sie einfach dulden oder aber zur gewerblichen Nutzung genehmigen. „Dann müsste ich mir zwar eine Wohnung suchen, die Jurte könnte aber stehen bleiben.“ Auch diese Lösung wäre für ihn akzeptabel, denn für seine Kurse ist er auf einen Standort in Waldnähe angewiesen. Bisher reagierte der Kreis nicht auf diese Vorschläge. Und auch eine Petition vom vergangenen Sommer brachte nicht den erhofften Erfolg. Knapp 3000 Menschen unterschrieben zwar den Aufruf zum Erhalt der Hütte. Die Bundesregierung verwies in der Folge jedoch auf die Zuständigkeit des Kreises. Grasellenbachs Bürgermeister Markus Röth hatte sich bereits im vergangenen Sommer gegenüber dieser Zeitung geäußert: „Was Nachhaltigkeit und Umweltschutz betrifft, ist Marc Freukes ein ideales Aushängeschild für unsere Gemeinde.“ Er verwies aber auch darauf, dass dauerhaftes Wohnen in dieser Form im gesamten Bundesgebiet nicht möglich ist.
Online-Spendenaktion läuft
Freukes gibt nicht auf: „Ich hoffe dennoch weiterhin auf ein Entgegenkommen des Bauamtes und damit auf eine menschliche Lösung.“ Mittlerweile musste er bereits 400 Euro an das Bauamt und 600 Euro an Anwälte bezahlen. Um die noch auf ihn zukommenden Kosten zu decken, startete er eine Online-Spendenaktion. 7000 Euro sollen so zusammenkommen, knapp 3000 sind es bereits. Das verschafft ihm ein wenig Sicherheit.
„Man behandelt mich wie einen Verbrecher, dabei störe ich doch niemanden.“ Für ihn wird hier die wichtigste Sache außer Acht gelassen: die Menschlichkeit. Besonders schockiert ihn die neue Fristsetzung zum Abriss der Jurte: „Das Amt schreckt nicht davor zurück, mich im Winter auf die Straße zu setzen.“ Er sieht sich psychisch in alte Zeit zurückversetzt: „Ich schlafe schlecht, habe große Existenzängste.“
Wie die Sache ausgeht, ist im Moment offen. Der Kreis Bergstraße lässt mitteilen, er könne aufgrund des laufenden Verfahrens keine detaillierten Auskünfte geben. Die ausgesprochene Beseitigungsverfügung sei jedoch „bestandskräftig“. Freukes hofft dennoch auf eine einvernehmliche Lösung. „Offenbar ist trotz aller Umweltprobleme eine einfache und nachhaltige Lebensweise in Deutschland schlichtweg verboten. Ich frage mich, warum man nicht einmal ungewöhnliche Wege gehen kann?“
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