Ukraine-Krieg - Die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft Rhein-Neckar hat bereits rund 50 Hilfstransporte in das Kriegsgebiet organisiert

Not-OP in gespendetem Krankenwagen der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft Rhein-Neckar

Von 
Stefanie Ball
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Kateryna Malakhova von der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft organisiert Hilfstransporte in ihr Heimatland. © DUG

Heidelberg. Die Mutter von Kateryna Malakhova wohnt mit ihrer 90-jährigen Oma im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses in Nizhyn, das liegt im Nordosten der Ukraine. Stündlich schickt sie eine SMS an die Mutter, um sicherzustellen, dass es ihnen gut geht. So gut es einem eben gehen kann im Krieg. Wenn nachts die Sirenen heulen, bleiben die beiden Frauen in ihren Betten liegen, sie können nicht immer in den Keller laufen. „Sie haben sich daran gewöhnt und warten und hoffen.“ Nach Deutschland kommen, wo die Tochter lebt? „Das kann sich meine Mutter nicht vorstellen, die Ukraine, das ist ihr Zuhause.“

Kateryna Malakhova kam 2016 nach Deutschland, ihr Mann studierte an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Kateryna Malakhova lernte Deutsch, fing an zu arbeiten. Auch ihr Mann fand einen Job. Sie haben eine gemeinsame Tochter, die ist acht Jahre alt. Mitte Januar, zum russisch-orthodoxen Weihnachtsfest, hat sie Mutter und Oma das letzte Mal gesehen. Zwei Wochen war sie damals in ihrer Heimat. Niemand hat da von Krieg geredet. Die Drohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin schienen nicht mehr als das zu sein: Drohungen. Jetzt dauert der Krieg schon vier Wochen.

1000 Tonnen Hilfsgüter

  • Die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft Rhein-Neckar (DUG) wurde 1992 gegründet; Ziel war damals, den Opfern der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl zu helfen (dug-rhein-neckar.de).
  • Seit Beginn des Krieges in der Ukraine konnte der Verein 1000 Tonnen Hilfsgüter nach Polen oder in die Ukraine transportieren.
  • Wer spenden will – benötigt werden u.a.: Windeln, Wasch- und Spülmittel, Generatoren, Heizkörper, Powerbanks, Isomatten, Schlafsäcke.

Verminte Straßen

Die Regale in den Supermärkten seien fast leer, und wenn mal eine Lieferung mit Lebensmitteln komme, bildeten sich lange Schlangen. Strom fällt immer wieder aus, manchmal gibt es auch kein Wasser. Bis Kiew seien es zwar nur 150 Kilometer, aber die Bus- und Zugverbindungen seien weitgehend eingestellt worden. Ein Auto besitzt ihre Mutter nicht, und selbst wenn, wäre eine Fahrt gefährlich, weil viele Straßen inzwischen vermint seien. „Man kommt nicht rein und nicht raus.“

Also bleibt der Tochter nur, ihrer Familie, ihren Freunden, die in der Ukraine ausharren, von Deutschland aus zu helfen. Kateryna Malakhova ist Beisitzerin der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft Rhein-Neckar sowie stellvertretende Leiterin einer dort eingerichteten ukrainischen Samstags-Schule, in der Kinder und Jugendliche alle 14 Tage in ukrainischer Sprache unterrichtet werden. Zusammen mit dem Dachverband der ukrainischen Organisationen in Deutschland sowie in Kooperation mit der Botschaft der Ukraine in Berlin organisiert der Verein humanitäre Hilfe für die Ukraine. „Wir sind in Kontakt mit verschiedenen Städten, Lemberg etwa oder Odessa und Charkiw. Die Behörden dort sowie die Krankenhäuser teilen uns mit, was sie gerade am nötigsten brauchen“, berichtet Kateryna Malakhova.

Drei Krankenwagen gespendet

Gesammelt werden die Spenden – Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung, Medikamente, Schlafsäcke, medizinische Geräte – in Lagern in Ladenburg, Heidelberg, Hirschberg sowie Kaiserslautern. Die Güter werden sortiert, auf Lkw geladen, die entweder direkt aus der Ukraine kommen oder die Speditionen aus der Region für Transporte zur Verfügung stellen, mitunter kostenlos. Rund 50 Hilfstransporte sind bereits in die Ukraine oder an die polnische Grenze gerollt. Dort gibt es dann ebenfalls Lagerräume, aus denen sich die Helfer, die meist mit einem Minivan aus der Ukraine kommen, bedienen.

Auch drei Krankenwagen konnten die Deutsch-Ukrainischen Gesellschaften finanzieren; diese wurden in München mit Hilfsgütern beladen, und sie werden nun in den vom Krieg besonders stark betroffenen Städten eingesetzt. Der Rettungswagen, den die DUG Rhein-Neckar gekauft hat, nutzt die Organisation „Hospitaliery“ in Kiew, vergleichbar mit den Johannitern. „In ihm wurden bereits zwei Notoperationen durchgeführt und Kinder evakuiert“, berichtet Kateryna Malakhova.

Hier in Deutschland koordiniert die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft vor allem die Kommunikation zwischen großen Unternehmen und der Regierung der Ukraine, um die Hilfe kostengünstig ins Land zu liefern. Daneben kümmert sich der Verein um die Geflüchteten, die bereits in der Rhein-Neckar-Region sind, indem sie Dolmetscher für die Stadt Heidelberg sowie das Ankunftszentrum auf Patrick-Henry-Village stellt.

„Ich wünsche mir, dass der Krieg bald aufhört, sofort“, sagt Kateryna Malakhova. Sie könne seit Tagen nicht mehr richtig schlafen, ihre Tochter sei beunruhigt, auch wegen der Oma. „Ich hätte mir das nie vorstellen können, niemand konnte sich das vorstellen.

Freie Autorin

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