Herxheim am Berg. Die Glocke mit dem Hakenkreuz, die dem Massenmörder Adolf Hitler gewidmet ist und seit 1934 im Turm der Protestantischen Jakobskirche hängt, sorgt in der Pfalz weiterhin für Auseinandersetzungen – vor allem innerkirchlich. Der mitunter erbittert geführte Streit um Abhängen oder Hängenlassen, um Läuten oder Nicht-Läuten – er ist fast dreieinhalb Jahre nach der ersten Veröffentlichung zu diesem Thema im Mai 2017 in eine neue Phase eingetreten.
Zwischenzeitlich hatten Gemeinderat und die örtliche Kirchengemeinde entschieden, die Glocke hängenzulassen, aber nicht mehr zu läuten – mit Rücksicht auf die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Protagonistin im jüngsten Kapitel dieser Geschichte, die im Jahr 2018 sogar auf der Titelseite der „New York Times“ landete, ist die designierte Präsidentin der Evangelischen Landeskirche, Dorothee Wüst. Ihr Anliegen war es am Abend des 7. September dieses Jahres eigentlich, die diversen „Parteien“ zusammenzuholen, um innerhalb eines informellen Meinungsaustausches auszuloten, welche Möglichkeiten es geben könnte, eine dauerhafte Lösung zu erreichen – eine Lösung, mit der alle leben können. Dieser Versuch ist gescheitert – vorerst.
Vorwurf: Vertrauensbruch
Dass es nun unterschiedliche Aussagen zum Ausgang des Abends gibt, liegt auch an Ulrich Loschky. Der Mann aus Elmstein bei Neustadt kämpft seit längerer Zeit in einer Bürgerinitiative dafür, die Glocke aus dem Turm zu holen und am besten etwa ins Historische Museum der Pfalz in Speyer zu schaffen.Sogar deutschlandweit vernetzten sich im Jahr 2018 Gruppen, um für einen anderen Umgang mit den seither immer öfter auftauchenden Relikten aus der NS-Zeit zu kämpfen. Pfälzische Glocken aus Essingen und Mehlingen mit Aufschriften aus der NS-Zeit sind heute im Speyerer Museum. Nur in Herxheim wehrt man sich hartnäckig gegen ein Abhängen.
„Geschichte lernt man am erfahrbaren Objekt“, findet Loschky. Ein Phantom hinter dicken Kirchenmauern sei der falsche Weg. Überrascht war er, als an jenem 7. September Leute in der Runde auftauchten, die vorher nicht angekündigt waren – Mitarbeiter des Denkmalamtes. Wüst hatte sie mitgebracht – wohl im ehrlichen Glauben, sie seien wichtig für die bevorstehende Diskussion. Loschky bewertet das in der Rückschau als Vertrauensbruch. Habe diese neue Konstellation doch dazu beigetragen, dass die Ausgewogenheit unter Gegnern und Befürwortern des Abhängens verloren gegangen sei. Wüst wehrt sich: „Schade, dass sie das nicht an dem Abend gesagt haben und das jetzt an die Öffentlichkeit zerren.“
Eine weitere Rolle spielt eine Niederschrift, die im Nachgang offenbar auf Betreiben von Wüst entstanden ist und den Gesprächsverlauf nach Loschkys Darstellung verzerrt. Während Wüst aus dem Protokoll später „eine sich abzeichnende Lösung“ abgeleitet habe, seien er und seine Mitstreiter weiterhin der Überzeugung, dass eine Glocke mit der Aufschrift „Alles fuer’s Vaterland“ – Adolf Hitler samt Hakenkreuz in einem Kirchenraum nichts zu suchen habe. Das sei auch formuliert worden.
Gehen Gespräche weiter?
Wüst hingegen kann sich unter bestimmten Umständen vorstellen, dass man die Glocke im Kirchturm lässt – zumal es demokratisch zustande gekommene Beschlüsse dazu gebe. Aber: „Wir müssen technisch sicherstellen, dass sie nie mehr geläutet werden kann“, sagt sie. Es müsse zudem ein Mahnmal außerhalb der Kirche geben, eine wissenschaftlich-theologische Einordnung und eine ordentliche Öffentlichkeitsarbeit.
Die bisherige Position des Landeskirchenrats war indessen so umrissen, dass man es begrüßt hätte, wenn sie abgehängt worden wäre. Allein: Das Presbyterium im Ort hatte die Entscheidungsgewalt.
„Das Gesprächsangebot war von der Hoffnung getragen, dass man sich gegenseitig zuhört“, sagt Wüst heute. Ihr tut es leid, dass ihr guter Wille nun in eine öffentliche Auseinandersetzung gemündet ist. Ob die Gespräche am 26. Oktober dennoch fortgeführt werden, steht noch nicht fest. Beide Seiten bekunden Gesprächsbereitschaft.
Ende November steht bei einer Tagung der Pfälzischen Landeskirche das Thema Umgang mit Erbstücken aus dem Nationalsozialismus auf der Agenda. Dann will man einen rechtlichen Rahmen schaffen, um auf solche Diskussionen zukünftig besser vorbereitet zu sein.
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