Rhein-Neckar. „Giftspinne erobert Deutschland“ – so zumindest stellte es die „Bild“-Zeitung dar, als sie 2008 über eine neue Art berichtete, die sich im Rhein-Neckar-Raum nun offenbar immer öfter heimisch fühlt. Beleg dafür sind zunehmende Beobachtungen in der Rheinebene. So staunte etwa Karl Erhard Schuhmacher aus Heiligenstein, einem Speyerer Nachbarort, nicht schlecht, als er Anfang März in seinem Hausflur auf ein Lebewesen stieß, das ihn fortan öfter beschäftigen sollte.
Ganz lang habe sich das Tier in einer Ecke gemacht, erzählt der pensionierte Gymnasiallehrer. Und obwohl er von Haus aus eher den Sprachen als der Biologie zugeneigt ist, begann er eine Recherche, die ihn zu Nosferatu führte, eine Spinnenart, die im Jahr 2005 erstmals in Deutschland gesichtet wurde und durch ihre schiere Größe etwas angsteinflößend wirkt. „Zoropsis spinimana“ ist die ursprüngliche Bezeichnung für das achtbeinige Wesen, dessen Glieder bis zu acht Zentimeter lang werden und dessen etwa zwei Zentimeter großer Körper ein Muster aufweist, das im entferntesten an Dracula erinnern könnte.
Entzündete Bisswunden
Blitzschnell beiße sie zu, postulierte die „Bild“-Zeitung in der Überschrift, aber Katharina Schneeberg, Zoologin am Naturkundemuseum Bad Dürkheim, schreibt der Spezies eher die Eigenschaft zu, stoisch und zurückhaltend zu sein, zumindest solange man sie nicht in die Enge treibt. Auch Schuhmacher, der inzwischen mit einigen weiteren Exemplaren Bekanntschaft in seinem Garten machen konnte, beschreibt in seinen eigens angefertigten Sichtungsprotokollen ein eher bewegungsloses Tier, das auch aus nächster Nähe keine Anstalten einer Reaktion gezeigt habe. Kein nervöser Sprung, keine Aggression, kein Biss. Erst als er ein Glas über sie stülpte und dabei ein Bein der Spinne berührte, habe sich die Spinne zu einem Knäuel zusammengerollt.
Als harmlos entpuppt sich bei näherer Betrachtung auch das Gift, das Nosferatu in sich trägt. Zur Beute des eigentlich im Mittelmeerraum beheimateten Tiers, das wohl von Urlaubern eingeschleppt wurde, gehören Insekten und andere Spinnen, die sie in der Lage ist zu lähmen. Ein Netz spinnt sie übrigens nicht, obwohl sie zur Gattung der Webspinnen zählt. Für den Menschen ist ihr Gift nach Darstellung Schneebergs völlig ungefährlich. Gleichwohl ist in Ausnahmefällen mit Nosferatu nicht zu spaßen. Annalena Schotthöfer ist Geschäftsführerin des Instituts für Naturkunde in Südwestdeutschland mit Sitz in Haßloch. Die Umweltwissenschaftlerin hatte an ihrer früheren Wirkungsstätte in Karlsruhe schon öfter Kontakt zu Nosferatu-Spinnen und wurde tatsächlich schon einmal in den Finger gebissen, als sie versuchte, die Spinne von einem Türspalt wegzujagen, in den sie sonst eingequetscht worden wäre. Das sei nicht ganz so schmerzhaft wie ein Bienenstich gewesen. Gesehen habe sie danach zwei kleine Löcher in der Haut – entstanden durch die kräftigen Mundwerkzeuge der Spinne. Sie beschreibt zudem einen Vorfall im Ludwigshafener Ortsteil Friesenheim, wo ein im Sandkasten spielendes vierjähriges Mädchen von einer Nosferatu-Spinne in den Rücken gebissen worden sei. Daraus habe sich eine handtellergroße Schwellung entwickelt, die sehr hart gewesen sein soll. Das Kind habe drei Tage lang Schmerzen gehabt, die Schwellung sei erst nach zehn Tagen komplett zurückgegangen.
Wer hat sie gesehen?
Massenhaft Beobachtungen gibt es bisher über solche Ereignisse nicht. Katharina Schneeberg hat die mehr als 20 eingegangenen Meldungen am Dürkheimer Naturkundemuseum alle zwischen Rhein und Pfälzerwald verortet. Kaum Erkenntnisse hat sie dagegen über die Verbreitung am Neckar.
Wer ein Exemplar entdeckt – sei es in der Vorderpfalz oder im Rhein-Neckar-Kreis – soll sich gerne entweder direkt an Katharina Schneeberg per Mail (k.schneeberg@pfalzmuseum.bv-pfalz.de) wenden oder im Artenfinder (https://artenfinder.rlp.de) eine Eintragung vornehmen. Ein zugehöriges Foto macht es der Zoologin leichter, eine Bestimmung vorzunehmen. Denn auch bei Nosferatu sind Verwechslungen durchaus möglich. Neue Augenzeugen könnte es beispielsweise bald in Heiligenstein geben, wo Karl Erhard Schuhmacher nach abgeschlossener Beobachtung das Spinnentier vor die Tür setzte, um sie Deutschland weiter erobern zu lassen.
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