Polizei

Nach Tötungsdelikt in München - Festnahme in Weinheim

Von 
Gabriel Schwab
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SEK-Kräfte stürmten die Wohnung in Weinheim © privat

Weinheim. Dirk Ahlheim muss es vorgekommen sein, als blicke er in den Fernseher und nicht aus seinem Fenster. Als er in den Nachbargarten schaut, positioniert sich dort eine beträchtliche Anzahl schwerbewaffneter Polizisten und macht sich bereit für den Zugriff. Dann stürmen die Kräfte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) und des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) die Einliegerwohnung des benachbarten Hauses. Sie verhaften einen 21-jährigen Deutsch-Marokkaner, gegen den die Münchener Staatsanwaltschaft I wegen vorsätzlichen Totschlags ermittelt. Er soll den 24-jährigen Deniz D. im Stadtteil Milbertshofen erschossen haben. Aber warum versteckte sich der Schütze in einer Mietwohnung in Weinheim?

Diese Frage kann die 37-jährige Tochter der Vermieter beantworten. Die Frau, die namentlich nicht genannt werden will, kümmert sich derzeit um Haus und Garten, da ihre Eltern sich im Urlaub befinden. Nicht wissend, dass sich nur wenige Meter weiter ein Mann befindet, der einen anderen Menschen getötet haben soll, sortiert sie die Post und gießt die Blumen. Die 37-Jährige wird noch bis zum Freitagmittag weitgehend im Unklaren bleiben.

Polizei steht vor der Tür

Am Tag des Einsatzes klingeln Polizisten in Zivil bei der Frau: „Sie sagten mir, dass sie mich darüber informieren wollen, dass es einen Einsatz im Haus meiner Eltern geben wird, weil sich dort ein Straftäter aufhält.“ Von den Nachbarn hätten die Beamten erfahren, dass die 37-Jährige Zugang zur Wohnung habe. Sie bitten sie nach den Schlüsseln.

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Die Tochter ist zunächst skeptisch und erkundigt sich telefonisch bei der Polizei, ob es sich tatsächlich um echte Beamte handelt. Dann ruft sie ihre Eltern an: „Die waren natürlich erst einmal schockiert, weil wir dachten, dass es sich bei dem Straftäter um den Mieter handelt.“ Der, so berichtet auch Nachbar Dirk Ahlheim, war aber selbst über die Ereignisse schwer erschüttert. Noch als der Einsatz läuft, kommt er gerade von der Arbeit heim. „Das erste, was er mitbekommt, ist, dass er auf der Motorhaube eines Autos landet“, erzählt Nachbar Ahlheim nach einem Gespräch mit dem jungen Mann. Demnach habe dieser selbst nicht gewusst, dass er einem mutmaßlichen Totschläger Unterschlupf gewährt.

Alte Bekanntschaft

Den Deutsch-Marokkaner soll er bereits seit Jahren gekannt haben, habe zuletzt jedoch keinen Kontakt mehr zu dem 21-Jährigen ohne festen Wohnsitz gehabt. Als dieser sich also bei dem Weinheimer gemeldet habe und angegeben haben soll, dass er aus seiner Wohnung geflogen ist, habe er seinem alten Freund bereitwillig aus der Patsche geholfen. „Ich glaube ihm“, sagt die Tochter der Vermieter, die sich ebenfalls mit dem Mieter unterhalten habe. Seine Erschütterung sei glaubhaft, seine Aussagen schlüssig gewesen. „Er sagte, er hätte das natürlich nie gemacht, wenn er gewusst hätte, dass die Polizei nach dem Mann sucht.“

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Diese Suche hat sich alles andere als einfach gestaltet, berichtet der Chef der Münchener Mordkommission, Stephan Beer. Er sitzt an einem langen Tisch mit Bayern-Wappen zwischen Sprechern des Polizeipräsidiums und der Staatsanwaltschaft, als am Freitagmorgen eine Pressekonferenz live auf den Sozialen Medien übertragen wird.

Der Tatverdächtige sei unmittelbar nach dem Schuss am 3. Juni, der den 24-jährigen Deniz D. so schwer verletzte, dass er kurz darauf starb, in seinem schwarzen Audi A3 geflüchtet. „Aber allein in München gibt es über 1200 schwarze Audi A3“, so Beer. Polizeihubschrauber und Streifenwagen seien ausgerückt, um den 21-Jährigen aufzuspüren – erfolglos.

Blutspuren am Fluchtwagen

Vier Tage nach der Tat habe sich eine Zeugin gemeldet und den Ermittlern mit ihrem Hinweis die Nadel im Heuhaufen geliefert. Die Beamten finden den Audi auf einem Parkplatz in Pasing-Obermenzing, wo der Deutsch-Marokkaner ihn hat stehen lassen. Die Nummernschilder sind abmontiert. Aber es finden sich Blutspuren am Wagen wieder. Gegen den mutmaßlichen Schützen wird ein Haftbefehl erlassen – nicht nur national, sondern europaweit.

„Kein Zufallsopfer“

Die intensive Fahndung habe zum Erfolg geführt: „Erfreulicherweise erhielten wir gestern die Information, dass der Tatverdächtige unter Einbindung des Spezialeinsatzkommandos Baden-Württemberg und mit Kräften des dortigen Landeskriminalamtes verhaftet werden konnte“, erklärt der Chef der Mordkommission. Was den 21-Jährigen dazu gebracht hat, seinen Kontrahenten zu erschießen, ist Gegenstand der Ermittlungen. Die Polizei geht aber von einem Verbrechen im Rauschgiftmilieu aus. Außerdem hätten Täter und Opfer sich gekannt. „Der Geschädigte war kein Zufallsopfer“, sagt Beer. In Tatortnähe sei ein Drogenbunker mit 20 Kilogramm Cannabis und 800 Gramm Crystal Meth gefunden worden, die nach aktuellem Ermittlungsstand dem Opfer gehört haben sollen.

Staatsanwaltssprecherin Juliane Grotz erklärt auf Anfrage unserer Redaktion, dass der 21-Jährige mittlerweile einem Haftrichter vorgeführt wurde. Er befindet sich nun in einer Vollzugsanstalt in Untersuchungshaft. Wie es überhaupt gelungen ist, ihn in Weinheim ausfindig zu machen? „Bei der Fahndung lassen wir uns natürlich nicht so gerne in die Karten schauen. Aber ich kann sagen: durch aufwendige Ermittlungsarbeit.“

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