Das Wichtigste in Kürze
- Die Heidelberger Praxis Theraktiv hilft jungen Frauen nach Krebs mit Sport zurück ins Leben.
- Studien zeigen, dass Bewegung die Sterblichkeit und Rückfallrate bei Krebs senken kann.
- Sportangebote sind wichtig, aber oft rar, wie am Beispiel in Heidelberg zu sehen ist.
Heidelberg. Nach einer Krebserkrankung zurück in den Alltag zu finden, ist nichts für Feiglinge. Und so schrecklich eine solche Diagnose für alle Krebskranken gleichermaßen sein mag – je jünger die betroffene Person, desto größer der Schock.
Nane ist gerade 28 Jahre jung und musste sich im vergangenen Jahr wegen Darmkrebs behandeln lassen. Nun will sich die junge Frau aus dem Raum Heidelberg/Mannheim ihr normales Leben zurückholen. Seit ein paar Monaten trainiert sie in der Heidelberger Physiotherapiepraxis Theraktiv in der Pleikatsförster Straße. Dass Sport nach einer Erkrankung total sinnvoll ist, hat gerade in den vergangenen Tagen eine neue Studie gezeigt. Tenor: „Sport sollte in Zukunft ein fester Bestandteil der Therapie werden.“ Aber: Die Angebote sind rar und das Wissen um die Wirkung von Sport nicht überall besonders ausgeprägt – nicht mal in der „Medizin-Stadt“ Heidelberg. „Ich habe mich allein mit dem Thema gefühlt“, sagt Nane, während sie mit ihren Armen ein Theraband auseinanderzieht und einige Sekunden hält.
15.000 Neuerkrankungen mit Krebs bei jungen Menschen
15.000 Krebsneuerkrankungen in der Altersklasse der 18 bis 39-Jährigen zählen Mediziner in Deutschland pro Jahr. Tendenz steigend. In Heidelberg hat sich Nane einer Gruppe von drei weiteren jungen Frauen angeschlossen, die nur unwesentlich älter als sie selbst sind und mit den Folgen von Chemotherapie und anderen Behandlungsmethoden zu kämpfen haben. Physiotherapeutin Sonja Junghans (31) nimmt sich ihner in der Therapiestunde an. Sie weiß um die besondere Sensibilität, mit der die „Patientinnen“ angeleitet werden müssen. Seit Januar gibt es die Gruppe, in der sich alle gegenseitig unterstützen können, nachdem ihre Erfahrungen des vergangenen Jahres ähnlich sind. Mit Nane arbeitet Junghans besonders im Bereich der Bauchmuskulatur. Die Therapeutin fragt sich währenddessen, warum diese Gruppe nicht überrannt wird - und gibt sich die Antwort fast selbst. Die Kliniken weisen zu wenig auf diese Angebote hin.
„Da war kein Lotse“, sagt Nane. „Es gibt kein Blatt Papier, wo alles draufsteht“, ergänzt sie und beschreibt damit ein Gefühl, das jeder hat, der nach einer schweren Erkrankung mit dem Koffer oder der Reisetasche vor dem Krankenhaus steht und sich fragt, wie der Alltag nun wohl funktioniert? Wo die psycho-onkologische Betreuung inzwischen oft gut ist, fehlen womöglich Hinweise auf die positive Wirkung von Bewegung.
Krebs-Studie zeigt Wirkung von Bewegung
Und genau auf diese Wirkung weist die just im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte Studie hin. Über mehrere Jahre untersuchte sie 889 Patienten, die wegen fortgeschrittenem Darmkrebs behandelt worden waren. Alle Teilnehmer hatten bereits eine Chemotherapie und Operation hinter sich. Die Hälfte bekam im Anschluss ein strukturiertes Bewegungsprogramm verschrieben, die andere Hälfte erhielt lediglich allgemeine Informationen über gesunde Ernährung und Bewegung.
Drei Jahre lang lief das Bewegungsprogramm. Die körperliche Aktivität wurde über diesen Zeitraum langsam gesteigert. Das Ergebnis nach acht Jahren brachte eindeutige Hinweise: Die Sterblichkeit in der aktiven Gruppe war um 37 Prozent niedriger. Außerdem traten dort weniger neue Krebserkrankungen, insbesondere Brustkrebs, auf. Jetzt gehen die Wissenschaftler davon aus, dass diese Ergebnisse auch für andere Arten von Krebs gelten könnten, nachgewiesen ist das bisher aber nicht. Dennoch gilt Sport schon jetzt als wichtige Ergänzung zu Medikamenten.
Neue Krebs-Studie
- In der sogenannten CO21-Challenge-Studie, kürzlich vorgestellt auf dem Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology in Chicago, untersuchten Wissenschaftler den Effekt regelmäßiger Bewegung auf das Rückfallrisiko bei Krebspatienten.
- Die Langzeitstudie zeigt: Sport senkt nicht nur das Sterberisiko bei Krebspatienten. Regelmäßige Bewegung minimiert auch das Rückfallrisiko deutlich.
- Die Studie, veröffentlicht im Fachjournal „New England Journal of Medicine“, schloss 889 Patienten mit fortgeschrittenem Darmkrebs ein. Ein Teil der Patienten bewegte sich regelmäßig unter Anleitung, ein anderer Teil erhielt nur eine Gesundheitsberatung.
- Nach acht Jahren war die Sterblichkeit in der aktiven Gruppe um 37 Prozent geringer. Außerdem hatten Teilnehmer dieser Gruppe ein um 28 geringeres Risiko, erneut an Krebs zu erkranken. sal
Auch die 30-jährige Linda, die wie Nane seit vielen Wochen in der Vierer-Gruppe trainiert, ist sich dieser möglichen Wirkung bewusst und schätzt das Angebot bei Theraktiv in Heidelberg. Sie war an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Wie die 40-jährige Sarah hat sie in der Phase ihrer Krebsbehandlung Muskulatur verloren. Sarah sagt, dass sie seit der Bewegungstherapie einen neuen Zugang zu ihrem Körper bekommen hat, nachdem es ihr zuvor schwergefallen sei, überhaupt in den ersten Stock zu gelangen. Dem Körper wieder vertrauen zu können, sei ein Ziel der Arbeit bei Theraktiv, sagt die 30-jährige Mitstreiterin.
Nicht nur nebenbei stellt sich ein weiterer Effekt ein. Die vier Frauen befinden sich schon aufgrund ihres Alters in einer ähnlichen Phase ihres Lebens, das vor wenigen Monaten noch existenziell bedroht war. Insofern besteht während und nach der Therapiestunde zumindest theoretisch die Möglichkeit, sich über andere Dinge des Alltags auszutauschen und neue Sichtweisen zu teilen.
Junger Fußballer mit Krebs diente als Anstoß
Teil des Teams von Theraktiv ist der 32-jährige Sportwissenschaftler Jan Haselhorst (32). Als onkologischer Trainingstherapeut ist es ihm wichtig, auf das Angebot in der Physiotherapie-Praxis hinzuweisen. Nachdem der „Mannheimer Morgen“ im Januar einen Artikel über den 20-jährigen Fußballer Max Rewerk veröffentlicht hatte, der schon während seiner Krebstherapie wieder mit Kraft- und Ausdauertraining begann, wendete er sich an diese Redaktion. Auch er ist davon überzeugt, dass Bewegung nach oder auch schon während einer Krebstherapie zur Genesung beitragen kann und dabei hilft, die Nebenwirkungen der Behandlung zu managen. Das Angebot ist niedrigschwellig und lässt den Einstieg und den Ausstieg offen. Nane und ihre drei Mitstreiterinnen wollen weiter dabei bleiben. „Über unsere Erkrankungen haben wir gar nicht so viel gesprochen“, stellen sie in der Rückschau fest. Weitere Informationen unter: https://therapiezentrum-hd.de/
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[4] https://therapiezentrum-hd.de/unsere-leistungen/onkologisch-medizinische-trainingstherapie/