Kultur - Im Frankenthaler Erkenbert-Museum werden seit dieser Woche Kulturgüter aus dem überschwemmten Ahrtal restauriert

Nach Ahrtal-Flut: Gemälde werden in Frankenthal restauriert

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Stephan Alfter
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In Knallfolie angeliefert: Restauratorin Joanna Bella begutachtet in Frankenthal den Rahmen der beschädigten Bilder aus dem Flutgebiet an der Ahr. © Stephan Alfter

Frankenthal. Häuser, Autos, Nagelscheren - vieles von dem, was im Ahrtal in der Nacht von 14. auf den 15. Juli von dieser alles überwältigenden Flut erfasst wurde, ist irgendwie ersetzbar. Eine Schadenssumme von mehr als acht Milliarden Euro haben die Versicherer vergangene Woche öffentlich gemacht. Was die Bewohner des Landstrichs in Teilen indessen für immer verloren haben, das sind jene Kunstwerke, Bilder und Zeichnungen, die zum kulturellen Gedächtnis ihrer Region gehören. Im Frankenthaler Erkenbert-Museum werden aktuell wenigstens einige Werke restauriert, die tagelang in Wasser und Schlamm gefangen waren - Werke von Pitt Kreuzberg, Carl Weisgerber, Margarete Willers oder Bernhard Müller-Feyen, Es sind stinkende Gemälde von Künstlern, deren Namen eher von regionaler als von nationaler Bedeutung sind. Ihr ideeller Wert als Spiegel gewachsener Strukturen ist indessen unschätzbar hoch.

Heike Wernz-Kaiser ist Leiterin des Stadtmuseums Bad Neuenahr-Ahrweiler und noch immer ist fast den Tränen nah, wenn sie darüber berichtet, was in Gang gekommen ist, seit der rheinland-pfälzische Museumsverband Anfang August um Zuwendungen von vielen Seiten gebeten hat, um Teile der Sammlung des Museums für die Nachwelt zu erhalten. 2800 Exponate waren das vor der Flut. Bettina Scheeder, Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Museumsverbandes, beschrieb jetzt eindrucksvoll in Frankenthal, wie aufopfernd Wernz-Kaiser um und für die die Kunst gekämpft hat - in Gummistiefeln und Handschuhen verteidigte sie die Sammlung auch gegen Helfer, die vieles in großem Stil entsorgt hätten.

Millimeterarbeit auf Leinwand

Die Solidarität im Kulturbetrieb war in diesem groß. Das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe stand als „Erste-Hilfe-Einrichtung“ sofort parat. 30 Bilder und 250 Zeichnungen wurden in einer Art Gemälde-Waschstraße vom gröbsten Dreck befreit. Es sei atemberaubend, wieviel Solidarität das Ahrtal erfahren habe. „Wir schaffen es nur mit Helfern“, sagte Wernz-Kaiser.

Teil dieser solidarischen Riege ist nun auch das gegenwärtig geschlossene Erkenbert-Museum in Frankenthal, wo Joanna Bella in den kommenden Monaten viel beschäftigt sein wird. Die Polin arbeitete unter anderem am Nationalmuseum in Krakau und verfügt über herausragende Kenntnisse im Umgang mit betagten Kunstwerken. Sogar Gemälde von berühmten Renaissance-Malern wie Pieter Bruegel hat sie schon begutachtet.

Vor ihr auf dem Tisch liegt an diesem Tag ein Werk von Pitt Kreuzberg (1888 bis 1966), eines Künstlers aus der Eifel, den Kunstbeflissene dem Expressionismus zuordnen können. Einmal durch den Dreck gezogen - so sieht das Gemälde aus, auf dem Bella mit feinmechanischen Gerätschaften wie Pinsel und Stäbchen getrockneten Schlamm von der Leinwand trennt. Eine Engelsgeduld bringt sie mit, während sie unter gleißendem Licht Millimeter-Arbeit betreibt. Dass Frankenthal zum Ziel der Gemälde wurde und damit zu jenem Netzwerk gehört, dem Heike-Wernz Kaiser so dankbar ist, ist auch dem Frankenthaler Oberbürgermeister Martin Hebich (CDU) zu verdanken.

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„Neues Leben im Ahrtal“

„Wir würden gerne helfen“, sagte er angesichts der kritischen Situation. Der Ältestenrat stimmte zu und so kam es, dass die Kunstwerke aus dem ZKM in Karlsruhe nun unter anderem in der Pfalz weiterversorgt werden. Maria Lucia Weigel, Direktorin am Frankenthaler Erkenbert-Museum unterstreicht wie ihre Kollegin von der Ahr, wie wichtig es auch in Museumskreisen heute sei, gut miteinander vernetzt zu sein. Bettina Scheeder äußerte, dass es nicht annähernd vorstellbar sei, vor den Trümmern des eigenen Hauses zu stehen.

Dieser Ansicht ist auch Jürgen Hardeck, seines Zeichens Kulturstaatssekretär bei der Mainzer Landesregierung. Er spricht von einer großartigen Geste der Stadt Frankenthal. Hardeck warb dafür, dass mit Beendigung der Aufräumarbeiten so schnell wie möglich Besucher zurückkehren müssten in die Region - kein Katastrophentourismus, sondern Aufbruch und Leben müssten ins Ahrtal zurückkehren, wünschte er sich.

Erkenbert-Museum

  • Mit etwa 1.800 Quadratmeter Gesamtfläche (Ausstellung und Verwaltung) zählt das Erkenbert-Museum zu den kleinen Häusern in der deutschen Museumslandschaft.
  • Die Ausstellung im Erkenbert-Museum führt durch 1 500 Jahre Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Frankenthal. Rund um diese Dauerstellung werden periodisch Sonderausstellungen gezeigt, die sich thematisch auf die Hauptgegenstände des Hauses beziehen.
  • Der Name des Museums geht auf den aus Worms stammenden Erkenbert, eigentlich Eckenbert (um 1079–1132), zurück, der 1 119 das Augustiner-Chorherrenstift in Frankenthal gründete. 

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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