Mobilität

Mobilitätsexperten in Ludwigshafen: Raus aus dem Auto, rauf aufs Rad

Die Welt ist im Umbruch und mit ihr unser Mobilitätsverhalten. Im Ludwigshafener Pfalzbau diskutierten Politiker und Wissenschaftler, wie die Wende gelingen kann.

Von 
Stephan Alfter
Lesedauer: 
Welche Maßnahmen bringen die Mobilitätswende voran und wie sprechen wir darüber? Darüber unterhielten sich Experten am Donnerstag im Pfalzbau in Ludwigshafen. © Salome Roessler

Ludwigshafen. Die gesamte Welt ist im Umbruch und mit ihr unser Mobilitätsverhalten. Was in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur in den Köpfen von Forschenden stattgefunden hat, kommt nun scheibchenweise bei den Bürgern an. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, da sich die Krisen auf dem Globus Bahn brechen.

Wie kann Transformation gelingen? Was macht das mit der liberalen Demokratie, wenn Menschen das Gefühl haben, man will ihnen in einer Art Kulturkampf ihr Auto wegnehmen, um sie dann in die unpünktliche, überfüllte und jahrelang vernachlässigte S3 zwischen Ludwigshafen und Heidelberg zu schubsen?

Unter diesen schwierigen Vorzeichen trafen sich am Donnerstag rund 400 Menschen aus der ganzen Republik im Ludwigshafener Pfalzbau, um verschiedene Dimensionen einer unumgänglichen Verkehrswende zu besprechen – ein Branchentreffen von Mobilitätsmanagern, wenn man so will. Organisiert von der Deutschen Plattform für Mobilitätsmanagement (DEPOMM) geht es bis Freitagabend im Kern um die Frage, wie weit man auf dem Weg der Transformation schon gekommen ist und wie es gelingt, dieses Feld im Kopf der Menschen positiv zu verankern. „Die neue Mobilität beginnt im Kopf, aber sie darf dort nicht enden“, sagte der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Herrmann (Grüne) entsprechend zum Auftakt der Veranstaltung.

Sie sei ein Marathon, meinte Uwe Böhme von der Hochschule Nürtingen-Geislingen über die Mobilitätswende. Während es in Hamburg angeblich derzeit mehr Deutschlandtickets als zugelassene Autos gebe, habe es in München zuletzt mehr Kfz-Neuzulassungen gegeben, als Bevölkerungszuwachs. Gibt es den viel beschworenen Bewusstseinswandel denn überhaupt?

Autos werden noch immer als einfacher und bequemer empfunden

Ja, sagen die Forschenden. Nun sei die Zeit gekommen, in konkreten Prozessen zu denken und die wachsende Zahl von Alternativen zum motorisierten Individualverkehr in die Lebenswelt der Menschen zu transportieren. Nehmen wir als Beispiel die Smartphone-App des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar (myVRN). Hier werden inzwischen sogar Mobilitätsketten angeboten, die dem Wunsch nach multimodalem Verkehr (etwa das Umsteigen auf andere Verkehrsmittel wie Straßenbahn, Leihfahrräder oder E-Roller) wenigstens ansatzweise Rechnung tragen. Aber: Noch immer gibt es eine Vielzahl an älteren Menschen, die diese Form der Informationsbeschaffung nicht nutzt und sie womöglich nicht wirklich versteht. VRN-Geschäftsführer Michael Winnes sagt, dass man diesen Menschen zuhören und kreativ mit ihren Einwänden umgehen müsse. Denn: Noch immer sind viele Apps zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht.

Ziele von DEPOMM

Die Deutsche Plattform für Mobilitätsmanagement (DEPOMM) hat sich zum Ziel gesetzt, die nachhaltige und umweltverträgliche Mobilität in Deutschland, insbesondere durch die bundesweite Umsetzung von Mobilitätsmanagement, zu fördern.

Die Förderung des fachlichen Austausches und die Übertragung von Best-Practice-Lösungen – auch in Zusammenarbeit mit der Europäischen Plattform für Mobilitätsmanagement EPOMM.

Die Unterstützung von Politik und Fachplanung bei der Umsetzung einer nachhaltigen Mobilität.

Förderung der Fort- und Weiterbildung im Mobilitätsmanagement;

Entwicklung und Bereitstellung von Instrumenten (Evaluation, Zertifikate, Arbeitsmaterialien, Standards) für die lokale Umsetzung des Mobilitätsmanagements. sal

So kommt es, dass das Auto von den meisten Menschen noch immer als die einfachste, bequemste und effizienteste Variante empfunden wird. Anne Klein-Hitpass vom Deutschen Institut für Urbanistik umschrieb dieses Denken am Donnerstag so: „Sollen die doch ihre Verkehrswende machen, aber ich brauche mein Auto.“ André Bruns, Professor für Mobilitätsmanagement an der Hochschule Rhein-Main, sprach davon, dass man den Menschen nun beibringen müsse, wie sie ihr Verhalten ändern könnten. Christina Tillmann, Vorständin der ADAC-Stiftung und studierte Politikwissenschaftlern, hat den Eindruck, dass die Mitte der Gesellschaft auf dem Weg der Mobilitätswende noch nicht richtig mitgenommen worden sei.

„Mobilitätswende beinhaltet auch soziale Arbeit“

Dies gilt insbesondere für die Bundestagswahl. Wie wird die neue Regierung mit dem Deutschlandticket umgehen, das von den Experten als Erfolg gewertet wird, aber auch im kommenden Jahr wieder unterfinanziert ist?

Es sind unbequeme Wahrheiten, denen sich verschiedene Teile der Bevölkerung stellen müssen, konstatiert Minister Herrmann – etwa mit Blick auf Autos in den Einkaufsmeilen der Citys, die von Händlern noch sehr oft gefordert werden. Radfahrer und Fußgänger gäben Studien zufolge aber mehr Geld aus, sagte Herrmann. Er verwies auf die Initiative Stadtradeln, von der er zunächst nicht geglaubt habe, dass sie funktioniere, weil sie so simpel sei. Fakt ist, dass sich in den vergangenen Jahren viele Tausend Menschen angeschlossen haben. Gleichzeitig ist ein neuer Kulturkampf entstanden: Hier das Lastenrad, dort der SUV-Porsche? Wer bekommt denn nun den Parkplatz in der Innenstadt? Mobilitätswende – und das sagte Moderatorin Sonja Rube zum Auftakt der Veranstaltung – beinhaltet auch soziale Arbeit.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke