Religion - An einer Wormser Grundschule besuchen 70 Kinder seit diesem Schuljahr islamischen Religionsunterricht

Mit Allahs Hilfe zur Integration

Von 
Regina Urbach
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Worms. "Kenne deine Wurzeln, so erkennst du deinen Weg." Frei nach dieser Weisheit versucht derzeit deutschsprachiger Islamunterricht einen Grundstein für eine bessere Integration muslimischer Kinder an deutschen Schulen zu legen. Er soll, so die Hoffnung, dem Einfluss selbst ernannter fanatischer Religionsexperten weniger Raum lassen. Seit diesem Schuljahr wird auch an der Wormser Ernst-Ludwig-Schule mit ihrem hohen Anteil muslimischer Schüler (111 von 245) Islamunterricht als Wahlpflichtfach angeboten.

Beim schulischen Adventssingen tönt die "Weihnachtsbäckerei" von Rolf Zuckowski kraftvoll durch die ehrwürdige Eingangshalle des Jahrhundertwende-Baus am Rhein. Die muslimischen Kinder singen kräftig mit. Dann geht es zurück in den Islamunterricht. Offiziell 70 Kinder der Wormser Grundschule sind mittlerweile dazu angemeldet.

Zwei Mal pro Woche bringt Lehrer Abdeladim Benrachid (kleines Bild) aus Mainz den Kindern grundlegendes Wissen über ihre Religion bei. Als die rheinland-pfälzische Landesregierung im Jahre 2008 mit dem Islamunterricht an Grundschulen Ernst machte, war der gebürtige Marokkaner unter den Kandidaten. Gesucht wurden zuverlässige deutschsprachige Muslime mit pädagogischen und islamwissenschaftlichen Kenntnissen.

In der vierten Klasse steht das Thema Propheten auf dem Programm. Jeder Schüler darf etwas Wichtiges erzählen, was er aus dem kürzlich behandelten Text noch weiß. Einer stellt die Frage: "Sind die Propheten Geister?" Drei, vier Kinder, Mädchen wie Jungen, erklären ihm, was sie wissen: "Die Propheten waren ganz normale Menschen mit einem besonderen Auftrag." Ein Junge meldet sich: "Jesus war auch ein Prophet". Und Benrachid antwortet: "Ja, genau. Wir Muslime glauben, dass Jesus ein Prophet und nicht der Sohn Gottes war - aber wir müssen wissen und respektieren, dass die Christen etwas anderes glauben."

Das "Warum" ist für den Pädagogen grundlegend. "Ob es um die Stationen der Mekkapilgerfahrt Hadsch oder die rituelle Waschung und Gebetshaltung geht: Ich erkläre immer, warum etwas wichtig ist. Und ich muss oft Dinge aufgrund meines Überblickswissens aus der Islamkunde klarstellen." Außerdem erzählt Benrachid: "Wozu ich oft ermutigen muss, ist, zu Hause mehr Fragen über Religion und Tradition zu stellen. Ich selbst habe nach meinem Studium auch viel mit meinem Vater diskutiert. Das kostet Überwindung. Aber Fragen ist wichtig."

Schwieriger Start

Ziel des Islamunterrichts für die Grundschule ist die Vermittlung von Basiswissen. Dazu gehört beispielsweise das Wissen über die muslimischen Feste. Zum Abschluss des Fastenmonats Ramadan 2010 erklärte Benrachid auch den nichtmuslimischen Schülern den Sinn von Ramadan und Zuckerfest - und verschenkte Süßigkeiten, was natürlich in besonders guter Erinnerung blieb.

Ein erfolgreicher Islamunterricht soll muslimische Kinder in die Lage versetzen, Antworten zu geben, die die anderen Kinder verstehen. Lehrmaterial stellt sich Benrachid selbst zusammen. Er bastelt Puzzles aus Begriffen, lässt die Schüler Bilder in die richtige Reihenfolge schieben, stellt mit Stühlen die Stationen der Pilgerfahrt dar oder besucht mit der Klasse auch mal eine Moschee.

Der Islamunterricht war an der Ernst-Ludwig-Schule allerdings mit Startschwierigkeiten verbunden. "Viele muslimische Eltern waren zuerst skeptisch", erinnert sich Schulleiterin Constanze Vollmer. Würde der Lehrer auch die richtigen Glaubensinhalte lehren? Müsse man nicht erst den Imam fragen? Vollmer lud interessierte Eltern zu einem zweiten, kleineren Informationsabend ein und sorgte für eine türkische Übersetzung. "Die Möglichkeit, alle Fragen in der Muttersprache zu klären, hat das Blatt komplett gewendet", freut sie sich. In den nächsten Schuljahren soll Islamunterricht schrittweise an weiteren Wormser Schulen eingeführt werden.

Freie Autorin Redakteurin, Texterin und Autorin. Ich wohne mit meiner Familie in Worms, berichte für lokale Medien und schreibe für Journale und gewerbliche Kunden Texte für Broschüren und Webseiten. Studiert habe ich Geschichte und arabische Kulturwissenschaften. Ehrenamtlich engagiere ich mich im WSV Roxheim (Segeln), der Nibelungenliedgesellschaft, dem Altertumsverein Worms und den Freunden der Nibelungenfestspiele. Mein Lieblingsressort ist die Kultur.

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