Rhein-Neckar. Egal, ob eine Ratte in einem Gullydeckel steckenbleibt, ein Löwenbaby aus einem auf der Autobahn verunglückten Transporter befreit werden muss, ob Hochlandrinder Sinsheim unsicher machen oder eine Kobra entkommen ist - die Berufstierrettung Rhein-Neckar ist zur Stelle. Beinahe rund um die Uhr rückt das kleine Team von „Animal Control“ in der Metropolregion aus, um Tieren in Not zu helfen. Doch Einsatzleiter, Geschäftsführer und Gründer Michael Sehr ist am Ende seiner Kraft und schickt deshalb einen Hilferuf an die Politik.
Auf Facebook fasst der Pfälzer unter dem Stichwort „Einbahnstraße“ zusammen, was ihn frustriert und traurig macht. „Am schlimmsten ist die mangelnde Wertschätzung, die manchmal sogar in Beleidigungen ausartet“, erzählt Sehr im Gespräch mit dieser Redaktion. Erst kürzlich habe sein Team eine Droh-Mail bekommen, weil es seine Arbeit nicht umsonst mache. „Die Berufstierrettung ist ein Dienstleistungsunternehmen, das sich auf das Einfangen und Transportieren von Haus- und Wildtieren aller Art spezialisiert hat“, erklärt Sehr, dass Animal Control kein ehrenamtliches Projekt ist. Unterstützt werde er von einem hauptberuflichen Tierpfleger und einer tiermedizinischen Fachangestellten, die auf 450-Euro-Basis arbeite. „Wir haben Ausgaben und müssen Rechnungen bezahlen wie jedes andere Unternehmen auch. Das heißt aber nicht, dass wir unsere Arbeit nicht mit Herzblut machen.“
Unfälle verhindern
Im April habe das Team, das von Hochdorf-Assenheim aus operiert, 199 Einsätze gefahren und 495 Tiere gerettet oder transportiert. „Die Behörden fordern uns zur Gefahrenabwehr an, zum Beispiel um frei laufende Tiere einzufangen, ehe sie Unfälle verursachen.“ So sei es bei den entlaufenen Bullen gewesen, die in Lorsch einen Landwirt und seine Mutter getötet hatten und dann entkommen waren. Auch die beiden Hochlandrinder, die am Bahnhof Steinsfurt die Gleise überquert hatten und beinahe mit einem Nahverkehrszug kollidiert wären, musste die Berufstierrettung einfangen. Außerdem unterstütze man die Behörden bei der Beschlagnahmung von Tieren, bei Katastropheneinsätzen wie Hochwasser oder Feuer, hole Fundtiere ab und helfe verletzten Wildtieren. „Leider kommt es dabei vor, dass unsere Rechnung nicht beglichen wird“, erzählt Sehr. So gebe es allein im April 39 Einsätze, für die niemand aufkommen will. Je nach Aufwand, Uhrzeit, Personaleinsatz und Anfahrt lägen die Kosten für einen Einsatz zwischen 60 und 350 Euro. „Deshalb fehlt uns im April der unglaubliche Betrag von 2340 Euro für nicht bezahlte Touren. Hinzu kommen 756 Euro Arztkosten für gerettete Wildtiere, die wir selbst bezahlen müssen. Das ist keine Kleinigkeit“, findet der Einsatzleiter.
Man versuche zwar, das Defizit mit Spenden aufzufangen, aber eigentlich müssten die angeforderten Leistungen doch auch bezahlt werden. „Eine Organisation, die so professionell arbeitet, gibt es in ganz Deutschland nicht noch einmal, deshalb existieren wohl auch keine Regelungen, wie ein hauptberuflicher Tierretter zu entlohnen ist“, vermutet Sehr. Man habe zwar mit einigen Kommunen feste Verträge abgeschlossen, manche zahlten indes nur für gefahrene Einsätze oder kürzten die ausgehandelten Pauschalen um die Hälfte, weil die Kassen leer sind. „Nicht selten kommt es vor, dass ich umsonst arbeite“, seufzt der ausgebildete Tiernotfallsanitäter. Doch das müsse sich ändern. Schließlich sei Animal Control kein Tierschutzverein, sondern eine Einsatzorganisation. „Wir haben drei Fahrzeuge, technische Ausrüstung und eine Fachausbildung, um im Notfall professionelle Arbeit leisten zu können“, betont Sehr, der eng mit Partnern in den USA zusammenarbeitet und regelmäßig Weiterbildungen absolviert. Zudem schult der Pfälzer Polizei und Feuerwehr im Umgang mit Tieren.
Wissen vermitteln
Es seien nämlich oft Kleinigkeiten, die über das Wohlergehen eines Tieres entscheiden und die man wissen müsse: „Nachdem ein Reh beim Februar-Hochwasser aus dem Rhein gerettet worden war, hatten es die Einsatzkräfte in Seitenlage in einen Pkw gelegt. Ein Reh muss aber immer in Bauchlage liegen, weil es sich sonst den Pansen quetscht“, nennt Sehr ein Beispiel.
„Wir sind am Ende, aber wir machen weiter - den Tieren zuliebe und weil ich von der professionellen Tierrettung überzeugt bin.“
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